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aa) Kontinuität im stabilen Konstitutionalismus
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Kontinuität ist der Schlüsselbegriff sowohl in den europäischen Siegerstaaten des Ersten Weltkriegs, mit Großbritannien und Frankreich an der Spitze, als auch in den neutralen Ländern, wie unter anderen die Schweiz und die Niederlande. Dies ist der Raum der stabilen Verfassung. Die wegen ihres Einflusses bedeutendste nationale Bezugsgröße dieser Periode bildet die Dritte Französische Republik. Die Verfassung von 1875, mit den bereits bekannten Charakteristika, bleibt bis zum Ende der Periode dem Prinzip des Vorrangs des Gesetzes treu. Doch wird dieses Prinzip zunehmend in Frage gestellt. Während in den ersten Jahren der Republik deutlich Konsens über die Illegitimität der richterlichen Kontrolle herrscht, so mehren sich im Laufe des folgenden Jahrhunderts unaufhaltsam die Stimmen, die ein richterliches Prüfungsrecht unterstützen. Dies zeigt sich etwa in der Positionsänderung eines so repräsentativen Autors wie Charles Eisenmann, und das ist kein Einzelfall.[120] Bedeutend ist, dass die Frage des richterlichen Prüfungsrechts in Frankreich im Kontext verschiedener Forderungen nach einer „Reform des Staates“ in eindeutig antiparlamentarischem oder einfach antidemokratischem Sinn behandelt wird.[121] Besonders hervorzuheben ist im Gegensatz hierzu die Schrift des Rechtsvergleichers Édouart Lambert[122] „Le gouvernement des juges“. Dieses 1921, im genannten Umfeld der wachsenden Politisierung dieser Frage erschienene Werk ist im Wesentlichen, wenn auch nicht nur, eine Kritik an der unsozialen Rechtsprechung des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten während der sogenannten Lochner Ära. Die enorme Wirkung dieses Werks machte es zu einem wahren Manifest gegen das richterliche Prüfungsrecht.