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1. Die Verfassungsgerichte als Institutionen

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In den ehemals jugoslawischen Staaten ist die Verfassungsgerichtsbarkeit wesentlich älter als in den anderen mittel- und osteuropäischen Ländern. Diese lange Tradition hat dazu geführt, dass viele der heute noch geltenden Regelungen aus jugoslawischem Erbe stammen. Ein kurzer historischer Überblick soll deshalb als Einleitung für die nähere Erläuterung der gegenwärtigen institutionellen Gestalt dienen.

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Ausschlaggebender Grund für die Errichtung eines Verfassungsgerichts im Bund und den sechs Republiken der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien durch die Verfassung von 1963[42] war, wie bereits erwähnt, die Einführung der Selbstverwaltung. In einem sozialistischen Staat, wo die Einheit der politischen Macht hochgehalten wird, mutet diese Lösung höchst heterodox an und wurde auch von der Lehre zum Teil heftig angegriffen. Doch verfocht nicht nur Kardelj, der verfassungsrechtliche „Chef-Ideologe“, die Idee der Verfassungsgerichtsbarkeit,[43] sie hatte auch durchaus praktischen Erfolg und wurde nach der Reform von 1971 durch die Verfassung von 1974 weitgehend bestätigt.

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Das Bundesverfassungsgericht, ein Verfassungsorgan der SFRJ, bestand zunächst aus elf Bundesrichtern, die vom Staatspräsidenten vorgeschlagen und vom Bundesrat gewählt wurden. Dies galt auch für die Wahl des Vorsitzenden. Die Gesamtzahl der Bundesverfassungsrichter wurde auf vierzehn erhöht, nachdem die autonomen Provinzen ab 1971 ihr eigenes Verfassungsgericht erhalten hatten. Sie wurden von nun an von den Republiken (zwei aus jeder Republik) und den Provinzen (einer aus jeder Provinz) bestellt. Außerdem wurde das Rotationssystem für den Gerichtsvorsitz eingeführt, der ab 1981 im Jahresturnus wechselte. Das Richtermandat betrug acht Jahre,[44] wobei die Hälfte der Richterstellen alle vier Jahre neu besetzt wurde. Von den Kandidaten wurde keine besondere berufliche Qualifikation verlangt. Eine Absetzung war nur in abschließend aufgeführten Fällen möglich. Ganz offensichtlich war die Unabhängigkeit[45] des Gerichts unzureichend gesichert: Zum ersten wegen der Kontrolle durch die Partei und der Parteimitgliedschaft der Richter; zum zweiten konnte die dezentralisierte Richterbestellung zur Abhängigkeit der Bundesverfassungsrichter von der Republik oder Provinz führen, die sie ernannten.

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Die Frage, worin sich die heutigen Lösungen in den ex-jugoslawischen Staaten von diesem historischen Modell unterscheiden, erscheint umso wichtiger, als die institutionelle Ausgestaltung der Verfassungsgerichtsbarkeit einen besonders bedeutenden Faktor für die Vitalität und damit die Legitimierung der Verfassungsgerichte bildet. Wie sind also die Zusammensetzung der Verfassungsgerichte, das Richterwahlverfahren, das richterliche Mandat und seine Ausführung geregelt?

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