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a) Der historische Hintergrund

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Die Urteile des jugoslawischen Bundesverfassungsgerichts unterschieden sich, je nachdem ob es sich um die Überprüfung eines Gesetzes oder anderer allgemeiner Akte handelte. Um Eingriffe des Verfassungsgerichts in die Zuständigkeiten des Gesetzgebers zu vermeiden, beschränkte sich die verfassungsgerichtliche Kompetenz bei Gesetzen auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und das Setzen einer sechsmonatigen Frist, in der das Parlament den Gesetzestext mit der Verfassung in Einklang bringen konnte. Geschah dies, so wurde das Verfahren eingestellt. Geschah dies nicht, stellte das Gericht die Untätigkeit des Gesetzgebers und das Außerkrafttreten des verfassungswidrigen Gesetzes fest. Dies wurde von der Lehre oft kritisiert.[84] In Bezug auf die anderen allgemeinen Akte konnte das Gericht den Akt aufheben (ex nunc) oder annullieren (ex tunc). Diese Urteile waren bindend und wirkten erga omnes.

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Das Verfassungsgericht spielte sicher eine nicht zu unterschätzende Rolle im Verfassungsleben und im politischen System. Es wurde oft angerufen, wenn auch selten durch die Staatsorgane, und hat infolgedessen viele Entscheidungen im Arbeitsrecht und über soziale Rechte, aber auch im Bereich von Nationalisierung, Privatisierung und Entschädigungen bei Enteignungen getroffen.[85]

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Die Urteile waren meist kurzgehalten, ohne auf Gegenmeinungen in der Lehre einzugehen oder sich auf theoretische Überlegungen zu stützen. Sondervoten waren zugelassen, wurden aber nicht veröffentlicht. Dem jugoslawischen Bundesverfassungsgericht wurde manchmal vorgeworfen, es habe seine eigentliche Rolle als Hüter der Verfassung nie richtig verstanden und sich auf eine eher „mechanische Prüfung“ der Verfassungsmäßigkeit zurückgezogen.[86] Dies wird ihm insbesondere im Rahmen des Krisenmanagements in den letzten Jahren des Regimes von 1989 bis 1991 vorgehalten.[87] Dabei hat es zwar die Existenz eines Rechts auf Selbstbestimmung bestätigt, ohne jedoch klarzustellen, wem dieses Recht zusteht, und eine Verfassungsänderung mit der Zustimmung aller Republiken und Provinzen gefordert. Es war sicher weise, den Auflösungsprozess den politischen Akteuren zu überlassen; dennoch hätte man gern mehr Substanzielles über das Selbstbestimmungsrecht erfahren. Insofern scheint mir die Bewertung von Čobanov zutreffend, der zufolge das Gericht zwar eine gefestigte Stellung im politischen System einnahm, seine Entscheidungen jedoch keine grundlegenden Veränderungen des Systems zu bewirken vermochten.[88]

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