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a) Zusammensetzung
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In der Mehrzahl der ex-jugoslawischen Länder besteht das Verfassungsgericht aus neun Richterinnen und Richtern; nur in Kroatien und Serbien ist die Anzahl höher.[46] Besonders zu erwähnen sind unter diesem Gesichtspunkt die Frage der ethnischen Zugehörigkeit bei der Zusammensetzung der Gerichte, in gewisser Weise ein Erbe der Vergangenheit, sowie die hybriden Gerichte in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo, die in Zusammenhang mit dem Transformationsprozess zu sehen sind.
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Die Frage der Ethnizität beeinflusst die Zusammensetzung der Verfassungsgerichte im Kosovo[47] und in Mazedonien[48] naturgemäß weniger als die des bosnischen Verfassungsgerichts.[49] Im Kosovo stammen in der Regel zwei und in Mazedonien drei der Richter aus den nationalen Minderheiten. Die bosnische Regelung dagegen zeigt eine enge Verwandtschaft mit der jugoslawischen Verfassung von 1974. In Bosnien-Herzegowina werden heute vier der sechs nationalen Richter vom Parlament der Föderation Bosnien und Herzegowina und zwei vom Parlament der Republika Srpska (RS) bestellt. Das zentralstaatliche Parlament spielt bei der Richterwahl keine Rolle, auch wenn seine Gesetze vom Verfassungsgericht geprüft werden können. Damit besteht die Gefahr einer Abhängigkeit des Gerichts von den Gliedstaaten, die zwar womöglich durch die lange Amtszeit bis zum Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren[50] etwas gemildert wird, aber doch die schwache Position des Zentralstaats unterstreicht. Außerdem wirkt sich diese Regelung auf die ethnische Zusammensetzung aus, da es sich bei den aus der Föderation gewählten Richtern regelmäßig um zwei Bosniaken und zwei Kroaten handelt, während die beiden in der RS Gewählten Serben sind. Das Resultat ist sowohl eine beachtliche Politisierung als auch eine ethnische Polarisierung, die bei politisch wichtigen Entscheidungen immer wieder zum Tragen kommt.[51] Und doch wird dieses jugoslawische Erbe oft als Element oder gar als Voraussetzung des Transformationsprozesses angesehen.[52] Es gehört heutzutage unzweifelhaft zum Kern der bosnischen Verfassung.
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Im Gegensatz dazu stellt sich die Hybridität als Element der Internationalisierung der kosovarischen und der bosnischen Verfassung dar. Die Präsenz internationaler Richter wird von der bosnischen Verfassung ausdrücklich vorgeschrieben, während sie im Kosovo lediglich in die verfassungsrechtlichen Übergangsregelungen[53] aufgenommen wurde und seit 2018, als das Mandat von vier Richtern endete, nicht mehr besteht. In beiden Ländern kommen bzw. kamen bis 2018 zu den sechs nationalen Richtern drei internationale hinzu. Letztere werden in Bosnien-Herzegowina vom Präsidenten des EGMR in Konsultation mit der bosnischen Präsidentschaft, im Kosovo durch den internationalen Zivilrepräsentanten nach Konsultation mit dem Präsidenten des EGMR ernannt.
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In beiden Ländern fallen die Stellungnahmen zum Einfluss der internationalen Richter und deren Beitrag zur Unabhängigkeit und Legitimierung des Gerichts unterschiedlich aus. Zwar wird jeweils die Expertise internationaler Richter und die Idee des pouvoir neutre unterstrichen, gleichwohl scheint nunmehr die Meinung vorzuherrschen, dass die nationalen Richter inzwischen in der Lage sind, allein das Ansehen und die Autorität des Gerichts zu wahren.[54] In Bosnien-Herzegowina ist der Wunsch nach einem rein national besetzten Verfassungsgericht wesentlich stärker ausgeprägt als im Kosovo, obwohl in der bosnischen Verfassung Hybridität und Ethnizität so eng miteinander verbunden sind, dass es schwierig – bzw. unmöglich – ist, sozialistische Kontinuität und demokratische Transformation auseinander zu halten. Im Kosovo hingegen, wo zwar seit 2018 keine internationalen Richter mehr im Verfassungsgericht sitzen, war die internationale Beteiligung immer angesehener als in Bosnien.