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aa) Der historische Hintergrund

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Die abstrakte Normenkontrolle, wichtigste Kompetenz des jugoslawischen Bundesverfassungsgerichts, betraf alle möglichen allgemeinen Akte der Staats-, Republik- und Selbstverwaltungsorgane, soweit das Bundesrecht den Prüfungsmaßstab bildete. Ging es hingegen um Probleme der Vereinbarkeit mit dem Recht der Republiken, so waren deren Verfassungsgerichte zuständig. Die sogenannten allgemeinen Akte umfassten sowohl Gesetze des Bundes, der Republiken und der Provinzen als auch Verordnungen der Exekutivorgane und die unzähligen Entscheidungen, Empfehlungen, Pläne, Resolutionen der Bundesversammlung und aller Selbstverwaltungsorgane. In der Praxis betrafen bei weitem die meisten Fälle Akte der Selbstverwaltungsorgane, wie Betriebsverfassungen oder Abgabensatzungen. Die Normenkontrolle erstreckte sich jedoch weder auf Verfassungs- oder Verfassungsänderungsgesetze noch auf individuelle Rechtsakte.[67]

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Auch die Antragsberechtigung war großzügig geregelt: alle höchsten Bundesorgane, die obersten Gerichte (auch außerhalb der konkreten Normenkontrolle), die Republikverfassungsgerichte sowie die Selbstverwaltungsorgane, soweit sie in ihren Rechten verletzt waren, konnten das Gericht anrufen. Außerdem stand es jedem Bürger zu, dem Gericht eine Prüfung „vorzuschlagen“. Letzteres entschied, ob es daraufhin ein Verfahren einleiten wollte oder nicht. Alternativ konnte es auch aus eigener Initiative tätig werden; das geschah gerade auch dann häufig, wenn Bürger eine Prüfung anregt hatten, ohne dass dies als direkte Reaktion auf die Anregung verstanden wurde.

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Neben der Normenkontrolle übte das Gericht Gutachter- und Beratungsfunktionen aus und nahm auf diese Weise am politischen Willensbildungsprozess teil. Es ist bezeichnend, dass die sensible Frage der Vereinbarkeit der Republikverfassungen mit der Bundesverfassung nicht in das Verfahren der Normenkontrolle aufgenommen, sondern im Wege eines dem Bundesparlament zugeleiteten, nicht bindenden Gutachtens des Verfassungsgerichts geklärt wurde. Das Verfassungsgericht war ebenfalls für Organstreitigkeiten und Kompetenzkonflikte zuständig. In der Praxis haben diese Verfahren jedoch nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

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Zusammenfassend kann die jugoslawische Normenkontrolle als ein recht breit gefasstes, aber wenig differenziertes Verfahren bezeichnet werden. Dennoch wurden wichtige Teile davon in die Verfassungsgerichtsbarkeit der jugoslawischen Nachfolgestaaten übernommen.

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