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bb) Gefolgschaftstreue Strategien: allgemeine Trends in Serbien, Mazedonien und Montenegro

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Indizien für eine gefolgschaftstreue Strategie sind insbesondere „textualistische“ Argumentationsmuster, vor allem wenn sie im Zusammenhang mit der Gestaltung der Verfahrensdauer stehen. Sie deuten auf die Absicht hin, Verfahren zu vermeiden und hinauszuschieben. Dies kommt in Serbien besonders deutlich zum Ausdruck, obwohl das Verfassungsgericht formal mit beträchtlicher Macht ausgestattet ist und sogar aus Eigeninitiative tätig werden kann.[113] Das Gericht hat mehrmals politisch brisante Entscheidungen so lange aufgeschoben, bis die politische Mehrheit nicht mehr an der Macht oder kurz davor war, ihre Mehrheit zu verlieren: so zum Beispiel im Fall der Autonomie der Vojvodina, der Justizreform, der Wahlgesetze und des Verbots von Vereinen.[114] Diese Strategie ist schließlich besonders augenfällig im Fall des Brüsseler Abkommens mit dem Kosovo,[115] welches die erste bedeutendere Etappe in den Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo über ihre zukünftigen Beziehungen und die Anerkennung des Kosovo durch Serbien darstellte. In seiner Entscheidung hat es das Verfassungsgericht fertiggebracht, dem Abkommen in einer verschwommen formalistischen Begründung seine Qualifizierung als völkerrechtlichen Vertrag zu versagen, um sich für unzuständig erklären zu können und auf diese Weise dieses politisch so brisante Problem überhaupt nicht anzugehen. Es ist im Übrigen amüsant festzustellen, dass in demselben Zusammenhang auch das kosovarische Verfassungsgericht Zurückhaltung geübt hat und sich ebenfalls für unzuständig erklärt hat.[116]

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Die beliebteste Strategie des mazedonischen Verfassungsgerichts besteht im Problemausweichen. Die offen formulierte verfassungsrechtliche Regelung, nach der das Verfassungsgericht für die Prüfung allgemeiner Akte zuständig ist, wurde von ihm weidlich genutzt, um zahlreiche Verfahrensanträge zurückzuweisen oder für unzulässig zu erklären. Dabei hat sich das Verfassungsgericht auf eine Interpretation nach dem Wortlaut gestützt.[117] Was besonders beunruhigt, ist die Tatsache, dass im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern der Region die Aktivität des Gerichts seit 2011 stetig sinkt, was sowohl auf seine Passivität als auch auf mangelndes Vertrauen in das Gericht schließen lässt.[118]

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In Montenegro arbeitete das Verfassungsgericht lange auf ähnliche Weise wie das serbische Gericht. Die Trennung von Serbien nach 2006 hat eine Phase des Neuaufbaus, aber auch die Suche nach einer eigenen Identität eingeleitet,[119] so dass die „neue“ montenegrinische Verfassungsgerichtsbarkeit noch sehr jung ist. Erst 2013 wurde die Verfassung den Erfordernissen eines EU-Beitritts angepasst, mit dem Ziel, insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz zu fördern. Dementsprechend wurde nach einem längeren Dialog mit der Venedig-Kommission das Verfassungsgerichtsgesetz im Jahr 2015 geändert, die Kompetenzen des Verfassungsgerichts erweitert und das Richterwahlverfahren reformiert.[120] Infolgedessen arbeitet das Gericht in der aktuellen Organisation erst seit zwei Jahren, so dass sein Aktivismus noch nicht beurteilt werden kann.

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