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Practices nicht nur für Prozesse und Funktionen
ОглавлениеEin Incident Management hat als bisheriger Prozess der ITIL V3 weiterhin in ITIL 4 das Ziel einer schnellstmöglichen Störungsbehebung; auch den Service Desk gibt es noch, und weitere bekannte Prozesse wie ein Supplier Management oder ein Service Level Management behalten ihre Zielsetzungen. In ITIL 4 werden die bisherigen Funktionen und Prozesse als Ausprägungen der Practices geführt, wie die weiteren Veröffentlichungen von ITIL 4 zeigen werden.
Practices dürfen auf gar keinen Fall pauschal als neuer Begriff für Prozesse genutzt oder übersetzt werden! Der Begriff ist deutlich weiter gefasst und für eine ganzheitliche, nicht zu starre Sichtweise auf die Abläufe in der IT-Organisation ausgerichtet (»Prozesse sind nicht die ganze Wahrheit!«, siehe https://www.axelos.com/news/blogs/july-2019/translating-best-practice-and-new-itil-4-practices). Ursprünglich wäre der »Capability«- statt des Practice-Begriffs genutzt worden. Dies wird auch in der Beschreibung zur Practice-Definition deutlich:
Englisch:a set of organizational resources designed for performing work or accomplishing an objective. (These resources are grouped into the four dimensions of IT Service Management.)
Deutsch:eine Reihe von organisatorischen Ressourcen, konzipiert, um Arbeiten auszuführen oder Ziele zu erreichen. (Diese Ressourcen werden den vier Dimensionen des IT Service Management zugeordnet.)
Practices stellen daher Fertigkeiten einer Organisation dar, also die Ressourcen, die eingesetzt werden, um bestimmte Arbeiten auszuführen und so gesetzte Ziele zu erreichen. Die Prozesse »Incident-Handhabung und Lösungsfindung« und »Regelmäßiges Incident-Review« (als Teil der Dimension »Wertströme und Prozesse«) können bspw. genutzt werden, um den jeweiligen Zweck einer Practice zu erfüllen. Alle Dimensionen (siehe Abb. 2–9) müssen für die Practices berücksichtigt werden.
Practices wurden in drei Gruppen unterteilt: General Management Practices, Service Management Practices und Technical Management Practices (siehe Abb. 2–11). Sie sind Teil der Wertschöpfungsketten und Wertströme der jeweiligen Organisation.
General Management Practices (14) | Service Management Practices(17) | Technical Management Practices (3) |
Architecture ManagementContinual Improvement | Availability ManagementBusiness Analysis | Deployment Management |
Information Security ManagementKnowledge Management | Capacity and Performance Management Change Enablement | Infrastructure and Platform Management |
Measurement and ReportingPortfolio ManagementOrganizational Change Management | Incident Management IT Asset Management Monitoring and Event Management Problem Management | Software Development and Management |
Project Management | Release Management | |
Relationship Management | Service catalogue management | |
Risk Management | Service Configuration Management | |
Service Financial Management | Service Continuity ManagementService Design | |
Supplier Management | Service Desk | |
Workforce and Talent Management | Service Level ManagementService Request ManagementService Validation and Testing |
Abb. 2–11 Die 34 ITIL Practices (fett markiert die Practices mit Relevanz für die Foundation-Prüfung)
In der Foundation-Veröffentlichung wird nicht detailliert auf die einzelnen Practices eingegangen. Eine detaillierte Beschreibung der Practices und der für die jeweilige Practice relevanten Prozesse (und weiteren Dimensionen) werden über die Axelos Online Subscription »MyITIL« veröffentlicht.
Einige Prozesse der ITILV3 wurden zwei separaten ITIL 4 Practices zugeordnet, oder zwei ITIL-V3-Prozesse finden sich nun in einer ITIL 4 Practice. Andere bereits bekannte Prozess-Bezeichnungen wurden im Zuge der Veränderungen der ITIL 4 mit einem stärkeren Service-Bezug hin auf die Practices von ITIL 4 übertragen. Ein Beispiel dafür ist das ehemalige »Request Fulfilment«, das nun »Service Request Management« heißt. Aus dem Financial Management for IT Services wurde das Service Financial Management. Das frühere »Change Management« trägt in ITIL 4 die Bezeichnung »Change Enablement«. Das organisatorische Change-Management (Organizational Change Management, OCM), das bereits in der Practitioner-Veröffentlichung der ITILV3 beschrieben wurde, hat seinen Platz innerhalb der General Management Practices gefunden. Weitere Veränderungen in diesem Kontext sind:
Das Business Relationship Management (BRM) als ITIL-V3-Prozess trägt nun als Practice in ITIL 4 den Namen Relationship Management als Teil der General Management Practices.
»Service Design (inkl. Coordination)« ist in ITIL 4 Bestandteil der sogenannten Service Management Practices.
Das Access Management der ITIL V3 ist nicht als Practice übernommen worden. Identity and Access Management wird als notwendiger Aspekt im Information Security Management angesehen. Access Requests stellen Service Requests dar und sind daher weiterhin berücksichtigt.
Das Release and Deployment Management wurde wieder aufgeteilt: Release Management (Service Management Practice) zum einen und Deployment Management (Technical Management Practice) zum anderen. Ähnliches gilt für das Service Asset and Configuration Management der ITLV3. Sie werden in zwei getrennten Practices der ITIL 4 berücksichtigt: IT Asset Management und Service Configuration Management (beides Service Management Practices).
Die Technical Management Practice Infrastructure and Platform Management erinnert an die ITIL-V3-Funktion Technical Management. Software Development and Management von ITIL 4 berücksichtigt Aspekte der ehemaligen Funktion Application Management.
Das Event Management der ITILV3 wurde in Monitoring and Event Management umgemünzt. So wird u.a. die explizite Identifikation des Monitorings erleichtert, die früher eher dem Availability-Management-Prozess zugeordnet war.
Der Service Desk wird in ITIL 4 als Practice geführt.
Das Thema der kontinuierlichen Verbesserung, der in der ITIL V3 eine explizite Lebenszyklusphase gewidmet war, wird in ITIL 4 an verschiedenen Stellen aufgegriffen. Ein Beispiel ist das ITIL Continual-Improvement-Modell, das aus ITIL V3 (7-Step-Improvement-Prozess als einziger Prozess der CSI-Phase) übernommen wurde.
Architecture Management wurde in ITIL V3 mehr oder (eher) minder explizit als Teil der übergreifenden Service-Design-Aktivitäten berücksichtigt und ist in ITIL 4 eine eigene Practice.
Measurement and Reporting ist in ITIL 4 eine eigene Practice. Die beiden Themen Service-Reporting sowie Messungen und Metriken wurden in ITILV3 in der CSI-Kernpublikation als CSI-Techniken beschrieben und explizit in der Practitioner-Veröffentlichung berücksichtigt.
Zum Thema Project Management gab es in den bisherigen Versionen nur Verweise auf Projektmanagement-Methoden wie bspw. PMBOK oder PRINCE2. Project Management ist nun eine eigene Practice in ITIL 4.
Das Risk Management ist in ITIL 4 eine explizite Practice als Teil der General Management Practices geworden. In ITIL V3 wurde das Thema Risikomanagement als Teil des IT Service Continuity Management, Security Management oder Availability Management gesehen. Vor allem in der Service-Design-Phase wurde die Etablierung und Anwendung des Risikomanagements gefordert, um Risiken zu minimieren oder zu eliminieren, bevor der neue oder geänderte Service in die Produktivumgebung ausgebracht wird.
Workforce and Talent Management ist ebenfalls eine neue explizite Practice. Dem Mitarbeiter-Thema wurde v.a. als Teil des People-Aspektes im Service-Design – dem allgemeinen Zusammenwirken von Menschen, Prozessen und Technologien – und im Kapitel zu den organisatorischen Aspekten der jeweiligen ITIL-V3-Kernpublikation Raum geschenkt.
Die neue Practice Business Analysis beinhaltet Aspekte eines Anforderungsmanagements. Einzelne Gesichtspunkte kommen aus dem Demand Management, das nicht mehr unter diesem Namen als Practice in ITIL 4 auftaucht.