Читать книгу Brüste umständehalber abzugeben - Nicole Staudinger - Страница 11

»Du, Schatz, die Mama
ist krank«

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Es sind diese Tage der Schwebe, die mich alle Nerven kosten. Ich habe noch keinen Behandlungsplan, habe noch zwei Staging-Untersuchungen vor mir und kann eigentlich nichts machen. Und vor allem wird noch nichts gegen Karl Arsch unternommen. Das macht mich nervös. Gibt es denn kein Medikament, das man mir schon geben könnte, damit er nicht weiter wächst? Und wenn er gerade jetzt streut? In diesem Moment? Warum tut denn keiner was? Ich befinde mich wieder in einer ganz akuten Panikattacke. Liege auf der Couch unter der Decke und bekomme Schüttelfrost vor Angst. Ich will das alles nicht! Ich will mein altes Leben zurück!

Aber das ist weg. Für immer. Ab jetzt wird nichts mehr so sein, wie es war. Immer wird man von »vor« oder »nach« dem Krebs sprechen. Das schwierigste im Moment ist für mich, die Kinder an mich ranzulassen. Böse Gedanken wie »Besser, sie entwöhnen sich schon mal von mir« fliegen wie dunkle Schatten an mir vorbei. Sage ich es eigentlich den Kindern? Max merkt schon deutlich, dass etwas nicht in Ordnung ist. Er wird nächste Woche sechs (oh, Gott, ich muss noch einkaufen!) und ist ein sehr sensibles Kind. Heute habe ich seinen Erzieherinnen im Kindergarten Bescheid gesagt. Sabine, die Leiterin, ein Engel – so wie das gesamte Team – verspricht mir:

»Wir stehen zu 100 Prozent hinter euch und sind immer für euch da!«

Sie gibt mir den Rat, mit Max ehrlich zu sein, ihn zwar mit Details zu verschonen, aber es ihm kindgerecht zu erklären.

»Lass ihn nicht in einer falschen Realität leben. Wenn du weinst, sag ihm, warum, und lüge ihm nicht vor, du hättest was im Auge.«

Das leuchtet mir ein. Zumal ich ihm eh nichts vormachen kann. Also setze ich mich am Nachmittag mit ihm hin, baue Lego und fange an, mit ihm zu reden.

»Du, mein Engel, die Mama ist krank.«

»Hast du Schnupfen? Hat Charlotte nämlich auch!«

»Nee, keinen Schnupfen. Meine Brust ist krank. Da wächst etwas, was da nicht hingehört.«

»Blumen?«

»Nein, mein Schatz, eine Art Knoten.«

»So aus Wolle?«

»Nee, härter als Wolle. Weißt du, wie bei Rosi damals. Da ist doch auch was gewachsen.«

Rosi ist seine Erzieherin, die auch an Krebs erkrankt ist, sich aber wieder bester Gesundheit erfreut.

»Ach, wie bei Rosi. Ja, ich weiß. Manchmal war sie deswegen zu Hause.«

»Genau. Rosi war zu Hause, weil sie müde und erschöpft war. Ein bisschen, wie wenn man Schnupfen hat. Und so ist das jetzt auch bei mir. Ich bekomme jetzt auch Medikamente, die mich sehr müde machen. Dafür machen die mich aber auch wieder gesund.«

Er sagt nichts. Guckt nur. Dann: »Bist du traurig deswegen?«

Meine Augen füllen sich mit Tränen.

»Ja, mein Schatz. Sehr traurig und auch wütend und, um ehrlich zu sein, stinkesauer.«

»Ich auch!«

»Das ist gut. Dann sind wir beide sauer auf diese blöde Krankheit.«

»Kann ich zu Tom spielen gehen?«

»Natürlich!«

Jeden Tag fragt Max mich nun nach meiner Brust.

Brüste umständehalber abzugeben

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