Читать книгу Brüste umständehalber abzugeben - Nicole Staudinger - Страница 16

Happy Birthday, großer Junge!

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Ist man gesund, ist Routine irgendwie negativ. Jeden Tag die gleichen Abläufe, dieselben Alltagssorgen und sich ständig wiederholende Erledigungen. Mit einer frischen Krebsdiagnose aber ist Routine etwas, das man sich von ganzem Herzen wünscht. Was würde ich darum geben, wenn einkaufen, putzen, waschen, kochen oder bügeln meine wichtigsten Probleme wären. Routine gibt Sicherheit und steht für etwas, das mir gänzlich genommen wurde, für Normalität.

»Sie müssen für sorgenfreie Momente sorgen«, hatte mein Hausarzt mir geraten und ich dachte noch: Lustig … Wie soll das denn gehen?

Und dann geht es doch. Die drei krebsfreien Tage, die jetzt anstehen, werden zwar alles andere als sorgen- oder gedankenfrei, aber ich habe eine Pause von Ärzten und Untersuchungen dringend nötig. Was auch immer kommen mag, heute wird auf jeden Fall nicht gestorben. Heute wird gebacken und gefeiert. Wir versuchen, so viel Normalität wie möglich einkehren zu lassen, ich gehe einkaufen und richte für Max einen tollen sechsten Geburtstag aus.

»Bist du sicher, dass das nicht zu viel für dich wird?«, fragt mich Astrid bei einer Runde Nordic Walking. Ich bin aufs Walken umgestiegen, weil ich Angst habe, dass meine besten Stücke beim Joggen zu sehr wackeln. Ich will Karl Arsch nicht mehr ärgern, als nötig ist. Schließlich gehe ich auch nicht mehr baden, um die Wärme zu vermeiden, bei der sich bekanntlich alles weitet. Aufgrund meiner umfassenden medizinischen Kenntnisse, die ich unter anderem bei Greys Anatomy erworben habe, verzichte ich auch auf Süßstoff, den ich zuvor in großen Mengen zu mir genommen habe. Cappuccino oder Quark mussten schon süß sein, aber die Kalorien standen im Vordergrund. Es gibt auch keine Margarine mehr und nichts in Olivenöl Gebratenes. Letzteres wird nur noch kalt für den Salat verwendet. Ich glaube zwar nicht, dass irgendetwas davon »schuld« an Karl Arsch ist, aber all das steht ja im Verdacht, nicht gerade förderlich zu sein. Und füttern mag ich ihn nicht.

»Ich brauche diese Ablenkung, Astrid. Außerdem nimmt mir Karl Arsch nicht die Freuden des Lebens. Ich will nur an dem Tag selbst von keiner Mutter darauf angesprochen werden.«

»Dann solltest du das ihnen vielleicht sagen, für die meisten ist es nicht eindeutig, wie du es gern hättest.«

Ja, das ergibt Sinn. Wenn es nur für mich immer so eindeutig wäre. Denn wenn mich niemand fragt, bin ich beleidigt. Werde ich aber ständig gefragt, ist es auch nicht gut.

»Heute kann es regnen, stürmen oder schneien, denn du strahlst ja selbst wie ein Sonnenschein!«, singen wir aus voller Kehle für meinen, jetzt ach so großen Max. Es ist der schwerste Geburtstag meines Lebens. Normalerweise sind Kameras gezückt und die Szene wird jedes Jahr aus allen nur erdenklichen Winkeln festgehalten. Nicht so in diesem Jahr. Ich will keine Erinnerung an diese Zeit. Da ist der Gedanke, dass meine Lieben auf den Tag genau ein Jahr später sagen werden: »Guck mal hier, da war die Mama noch dabei. Da dachten wir noch, alles würde gut werden.«

Dieses böses Gedankengut ist der größte Feind, der im Moment in mir wütet. Es ist nicht Karl Arsch, es ist das immer wieder aufkeimende Endzeitszenario, das mir regelmäßig das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Nichtsdestotrotz organisieren wir für Max einen tollen Tag. Am Nachmittag kommen zwölf Kinder, die auf der eigens angemieteten Hüpfburg im Garten um ihr Leben springen. Und am Ende des Tages bin ich durch viele Erkenntnisse reicher. 1.: Ablenkung tut immer noch gut. 2.: Kinder sind perfekte Ablenker. 3.: Nicht alle Tage müssen ab jetzt automatisch schlecht oder deprimierend sein. 4.: Du hast nur dann eine Chance, wenn du die Pausen, die zwischendurch anstehen, nutzt und ganz viel Luft holst, für das, was da noch kommt.

Brüste umständehalber abzugeben

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