Читать книгу Brüste umständehalber abzugeben - Nicole Staudinger - Страница 15
Die Details
ОглавлениеAuch das längste Wochenende geht einmal vorbei und am Montagmorgen begleitet mich meine Mutter nach Düsseldorf in das Brustzentrum. Dr. Bertram hat jetzt auch die letzten Biopsie-Ergebnisse und bespricht mit uns das weitere Vorhergehen.
Der Wächterknoten soll so schnell wie möglich entnommen werden. Das ist der Lymphknoten, der die anderen sozusagen »bewacht«. Ist dieser noch frei, so ist es recht wahrscheinlich, dass die Lymphen auch frei sind. Wenn nicht, werden so lange Lymphen entnommen, bis man im Gesunden ist.
»Wir können das jetzt am Mittwoch machen«, schlägt Dr. Bertram vor.
»Oh nein, das geht leider nicht, da wird mein Sohn sechs.«
»Nein, das geht dann wirklich nicht«, lächelt er mich gutmütig an und wir vertagen die Operation um genau eine Woche.
So weit kommt es noch. Da kommt Karl Arsch unangemeldet in mein Leben, ruft vorher nicht an, lässt sich keinen Termin geben und will sich dann auch noch vor Max drängeln. So nicht, mein lieber Freund! Merk dir Regel Nummer 1: Du bekommst die Aufmerksamkeit, die du verdienst, aber kein bisschen mehr!
Bei der Art des Tumors, wie ich ihn habe, einer der aggressivsten Formen überhaupt, ein Triple negativ G3, 2,8 cm (War ja klar, ein kleiner unauffälliger Karl Arsch hätte ja auch nicht zu mir gepasst!), gibt der Therapiezweig vor, dass wir erst mit der Chemotherapie starten.
»Soll das etwa heißen, der Tumor bleibt drin?«, frage ich leicht panisch. »Ich hänge nicht sonderlich an meinen Brüsten! Ich will nur, dass Sie das wissen. Nehmen Sie sie ruhig ab. Alle beide. Von mir aus die Arme dazu – Hauptsache ich darf leben!«, flehe ich ihn an.
»Das hat damit nichts zu tun. Wir wollen gucken, wie der Tumor auf die Chemo reagiert. Mit etwas Glück verschwindet er vollständig.«
Diese Therapieform nennt man »neoadjuvante Chemotherapie«, und wie sinnig die ganze Sache ist, soll ich erst viel später erfahren.
Außerdem besteht der Arzt auf einem Besuch im familiären Zentrum für Brust- und Eierstockkrebs. »Wir müssen wissen, ob Sie genetisch vorbelastet sind. Das ist wichtig für die Zusammensetzung der Chemo und auch für die Frage, wie wir langfristig planen.« Ich kann mir denken, worauf er anspielt. Wie viele andere hatte auch ich von Angelina Jolie und ihrer Maßnahme gelesen, sich einer beidseitigen prophylaktischen Mastektomie zu unterziehen, um ihr hohes, durch eine genetische Mutation verursachtes Brustkrebsrisiko zu minimieren.
»Wie weit sind Sie mit den Staging-Untersuchungen?«
»Heute Morgen war der große Ultraschall der inneren Organe. Alles frei!«, strahle ich ihn an.
»Und am Donnerstag ist dann noch die Knochenszintigraphie.«
Er ist sehr zufrieden und wir verabschieden uns bis zum folgenden Dienstag – zur stationären Aufnahme.
Tatsächlich war der Ultraschall der inneren Organe wenige Stunden zuvor ein Klacks. Was damit zusammenhing, dass ich nicht warten musste. Denn während des Schallens sprach mein Hausarzt immer wieder beruhigende Worte wie ›völlig unauffällig‹, ›ganz normal‹ und ›das sieht alles gut aus‹. Zeit fürs Kopfkino gab es also nicht, und ehe ich mich versah, war die zweite Staging-Untersuchung ohne Befund abgeschlossen. Wieder ein Berg geschafft.
»Mama, weißt du, was wir jetzt haben?«, frage ich meine Mutter, die mir seit der Diagnose nicht mehr von der Seite gewichen ist. Sie hat sich in ihrer Praxis freistellen lassen und begleitet mich überall hin. Mein Mann kümmert sich derweil um die Kinder und geht natürlich seiner Arbeit nach. Eine nicht einfache Situation für ihn und für uns alle, aber er schlägt sich wacker. Und ich glaube, so im Stillen ist er dankbar dafür, dass meine Mutter an meiner Seite ist. In diesen Momenten ist man doch auch mit 32 noch ganz Kind und wünscht sich nichts sehnlicher als die Mutter an der Seite, die immer wieder den Kopf streichelt und leise haucht »Alles wird gut, mein Schatz!«
»Nee, was haben wir denn jetzt?«
»Wir haben jetzt Krebs-Pause, bis Donnerstag! Kein Arzt – keine Untersuchung! Dafür einen schönen Kindergeburtstag und ansonsten Ruhe.« Es ist dieser dringende Wunsch nach Ruhe, der in mir schreit. Ich will jetzt nur noch nach Hause und Ruhe haben vor Karl Arsch. Ich will jetzt für meinen Sohn eine tolle Party schmeißen und für drei Tage – anders als noch vor dem Wochenende – vom Thema Krebs definitiv nichts hören.