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Diagnose: Krebs

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Rückblickend betrachtet, möchte ich behaupten, dass die ersten Tage mit all ihrer Unsicherheit die schlimmsten sind. Bis auf die Diagnose Krebs hat man noch recht wenig Ahnung, was genau da auf einen zukommt. Es bleiben nur das unsichere Bangen und die bittere Erkenntnis, dass es so schnell wohl nicht vorbeigehen wird.

Am Sonntagmorgen erwische ich mich dabei, wie ich minutenlang unter der Dusche stehe und Karl Arsch begrapsche. Ich tue dies mit einer Mischung aus Trauer, Wut und der bitteren Erkenntnis: Ich habe Krebs. Ich habe scheißblöden, saudoofen Krebs. Und der passt jetzt mal so gar nicht in mein Leben. Ich habe doch gerade die Firma gegründet, ich wollte doch gerade mit meinem Schlagfertigkeitsseminar auf Tournee gehen, ich wollte noch so viel machen, aber ich wollte doch jetzt, bitte, keinen Krebs. Irgendwie ahne ich, dass Karl Arsch das jetzt so gar nicht interessiert.

Während das Wasser unaufhörlich auf mich niederprasselt, stelle ich mir vor, wie schön es gewesen wäre, hätte ich ihn nicht gefühlt. Dann wäre meine Welt noch in Ordnung. Eine intakte, krebsfreie, kleine, heile Welt.

Wäre das wirklich so? Nein. Ich würde nur nichts wissen. Wie lange schon weiß ich nichts? Wie lange wächst Karl Arsch denn schon in mir? Als ich so erfolgreich mein erstes Seminar gehalten habe, muss er schon da gewesen sein. Mit anderen Worten: Ich stand schon als schwer kranke Frau vor meinem Publikum. Und rein statistisch gesehen, müssen noch mindestens fünf weitere krebskranke Frauen unten auf den Stühlen gesessen haben.

Wann fing er wohl an zu wachsen? Ich lasse mir die letzten Monate durch den Kopf gehen. Ja, da gab es einen Moment, um genau zu sein, zwei Tage, an denen es mir wirklich nicht gut ging. Es muss so vor vier Monaten gewesen sein: Da wurde ich nachts wach und weckte meinen Mann, weil ich glaubte, ein Flugzeug würde über unserem Haus abstürzen. Es war so laut, alles drehte sich, ich hörte nichts mehr. Mein Mann hatte keine Ahnung, wovon ich sprach. Er hörte kein Flugzeug. Zwei ganze Tage lang dröhnten mir die Ohren und ich war der festen Überzeugung, einen Hörsturz zu haben. Aber die Ärzte fanden nichts und meinten, es sei Stress. Ich hatte aber keinen Stress … War das vielleicht der Moment? War das der Moment, in dem mein Körper den Kampf gegen die Krebszellen, die jeder Mensch jeden Tag herstellt und meist erfolgreich abwehrt, verloren hat? Ich werde es nie erfahren.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich schon unter der Dusche stehe, aber irgendwann wird mir bewusst: Ich habe nur dann eine Chance, wenn ich das jetzt annehme. Wer weiß, wofür es gut ist. Hadern bringt nichts. Die Frage nach dem Warum führt leider auch zu nichts. Besser gesagt, führt sie zu einer recht klaren Antwort: Warum denn nicht? Jeden Tag bekommen viele Menschen Krebs, darunter leider auch viele Kinder. Warum sollte gerade ich davor verschont bleiben? Hier unter der Dusche, hier, wo alles begonnen hat, treffe ich den festen Entschluss: Ich nehme dieses Schicksal an und kämpfe dagegen, so gut es eben geht. Abhauen gilt nicht. Aufgeben auch nicht. Ja, ich habe Krebs. Aber nicht lange!

Brüste umständehalber abzugeben

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