Читать книгу Brüste umständehalber abzugeben - Nicole Staudinger - Страница 4
Gestatten, Karl Arsch!
ОглавлениеIn der rechten Brust, rechts oben. Da ist er. Der Knoten. Ein Tumor? Ich weiß es nicht … nein … bestimmt nur knotige Mastopathie. Aber so hart? So anders? Ach, Quatsch! Du bist 32! Du warst ja gerade erst bei der Mammographie.
Wieder höre ich meine Gynäkologin: »Ich würde Sie nach zwei gestillten Kindern gern zur Mammographie schicken. Nach dem Stillen ist das keine schlechte Idee. Sicher ist sicher.« Ich muss zugeben, so ganz ungelegen kam mir ihr Vorschlag nicht, denn ziemlich genau zwei Jahre zuvor hatte ich bereits Kontakt mit dem bösen K-Wort. Schwarzer Hautkrebs. Alles, was mir seither an Vorsorge angeboten wird, nehme ich natürlich gern mit.
Bei der Tittenquetsche – anders kann man eine Mammographie tatsächlich nicht bezeichnen – wurde mir dann vor gut einem Jahr gesagt: »Sie haben absolut unauffälliges Brustgewebe, wir wollen Sie vor dem 40. Lebensjahr nicht mehr sehen.« Dankeschön! Auf Wiedersehen! Also, kein Grund zur Sorge, der Knoten kann gar nichts Böses sein!
»Hase, ich habe einen Knoten in der Brust!«
»Können wir erst mal singen?«
»Ach ja, klar … dann schmettert mal los!« Nicht schön, aber selten und vor allem laut ertönen die Stimmen meiner Kinder.
»Heute kann es regnen, stürmen oder schneien …« – oder wie Constantin singt: »Te ka nen, odä scheeee …« Ich verstehe jedes seiner Worte. Max besteht darauf, die Kerzen auszupusten, er kann das viel besser als seine alte Mutter.
»Constantin, der Kuchen gehört nicht dir!«
»Dooooch!!«
»Nein! Mama, sag ihm, dass der Kuchen nicht ihm gehört!«
Also, im Prinzip ist alles wie immer, nur dass beide Kinder jetzt auch noch Schokoladenkuchen im Gesicht haben. Nach dem ausgiebigen Geburtstagsfrühstück, will sagen nach dreieinhalb Minuten, dürfen die Kinder, wie immer am Wochenende (ich weiß, es ist vielleicht nicht pädagogisch wertvoll, aber dafür gemütlich), endlich fernsehen. Mein Mann und ich trinken noch in Ruhe unseren Kaffee aus und schwärmen von den Jungs.
»Was meintest du vorhin mit Knoten?«
»Ach, ich habe was in der Brust gefühlt, hier …«
Ich lasse ihn fühlen, damit er sagen kann: »Hä? Ich fühle nichts!«
Stattdessen sagt er: »Ja, fühle ich auch!«
Männer! Wann lernen sie endlich, dass sie das zu sagen haben, was wir gern hören möchten? So wie: »Nein, wie sollte dein Hintern denn zu dick wirken? Wo nichts ist, kann auch nichts wirken!« Oder: »So ein paar Schuhe hast du aber noch gar nicht – kauf sie dir ruhig«. Und natürlich: »Knoten? Ich fühl da keinen Knoten!«
»Wie, fühlst du auch!?«, blaffe ich ihn doch recht barsch an.
»Ja, da ist was. Aber das ist bestimmt nichts Schlimmes.«
»Ach, bist du jetzt Arzt oder was?«
»Maus«, so nennt er mich immer, er ist nicht in der Lage, mich bei meinem richtigen Namen zu nennen, was ich eigentlich ganz süß finde, »du zeigst mir einen Knoten, ich sage ja, da ist was. Warum wirst du jetzt sauer? Das hattest du doch schon öfter. Gehst du morgen zum Arzt und alles ist gut.«
Genau! Alles ist gut!
»Wenn Mama nachher kommt, sag ihr bloß nichts, ja? Sie macht sich nur Sorgen!«
»Mama, ich habe einen Knoten in der Brust!«, sind die Worte, mit denen ich bei meiner Mutter Hilfe suche, so etwa zehn Minuten, nachdem ich ihre Geschenke ausgepackt habe.
»Wo denn? Schon lange? Ist ganz sicher nichts Schlimmes. Das kennen wir ja, ist harmlose Mastopathie.« So viel zu ihrer Reaktion.
Und damit ist das Thema eigentlich vom Tisch. Seit meinem Hautkrebs bin ich ängstlich geworden. Bei den letzten Halsschmerzen war ich fest davon überzeugt, einen Tumor in der Speiseröhre zu haben. Damit will ich nicht sagen, dass meine Familie mich nicht ernst nimmt, aber es ist eben schon öfter vorgekommen, dass Frau Doktor Schlagfertig bei sich einen erneuten Krebs diagnostiziert hat.
Wochen später sagten mir Freunde, dass ich mich am Telefon bei den üblichen Gratulationen schon sehr merkwürdig verhalten hätte.