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Ich begegnete Engellena Schmidt das erste Mal in einer osteuropäischen Stadt. Es war Zufall, wer hätte das alles ahnen können.

Eine Klassenreise kurz vor dem Abitur brachte viel Alkohol, ein wenig Auslandsbildung und viel Staunen über den Ostblock mit sich.

Sie gehörte zu einer Klasse aus der DDR, die im selben Hotel war, wir trafen uns zufällig mehrere Tage nacheinander auf dem Flur, sie blieb einmal an ihrer, dann ich einmal länger als nötig an meiner Zimmertür stehen, und hatte geguckt, sie einmal mehr als ich, bildete ich mir ein, bevor wir in unsere Zimmer gingen.

Und dann, eines Abends, als ich eigentlich meiner nach einem ausführlichen und dennoch spottbilligen Essen satten und angesäuselten Klasse über die nächste Straße hätte folgen müssen, da sprang die Fußgängerampel auf Rot um. Autos fuhren an, setzten ihren unterbrochenen mehrspurigen Strom fort. Engellena Schmidt trat zu mir an die Fahrbahnkante.

Ich sprach ein tonloses Hallo, sie ebenfalls. Wir guckten geradeaus. Ich seufzte, deutete erst mit dem Kopf, dann, größer, mit Hand und Arm meiner besoffen selig abrauschenden Klasse hinterher. Man wollte nach dem Gelage noch weiterziehen.

»Die sind weg.«

»Ja, das denke ich auch.«

»Ist eh nicht der Weg ins Hotel.«

»Nee, die gehen auch noch nicht ins Hotel, die gehen noch weiter.«

»Und du?«

»Ich weiß nicht.«

»Ist ganz leicht.«

»Was?«

»Na, der Weg ins Hotel.«

»Ja, hier am Ufer entlang, oder? Und dann über eine der Brücken.«

»Weißt du auch welche?«

Wir gingen zusammen, sie rechts, dahinter der Fluss, der golden blinkte, links von mir die Straße, also nichts. Wir liefen lange, wunderbar lange. Ich hielt ihre Hand fest, als sie auf der Mauer balancieren wollte. Ließ sie nicht mehr los. Dann balancierte ich, und sie hielt mich fest. Sie spielte mit meinen warmen Fingern. Wir bogen ein, auf eine der Inseln, die im Fluss lagen, als seien sie dort, mitten in der Stadt, eingefangen worden und mit einer Brücke ans Land vertäut. Ich zog sie an mich, wir küssten uns.

Engellena Schmidt war schmal und schön. Sie hatte dunkle, wehende, ein bisschen lockige Haare, die in die Augen fielen. Ein kleiner Sehfehler irritierte mich. Ein roter, spöttischer Mund. Im ersten Moment dachte ich, dass ihre kräftige dunkle Stimme gar nicht zu ihrem Äußeren passte.

Am nächsten Abend trafen wir uns wieder. Es war, als müsste es so sein. Verabredet hatten wir uns nicht. In dem Haus auf der Insel waren alle hohen Fenster erleuchtet. Musik schwebte mit dem goldenen und weißen Licht nach draußen. Engellena saß auf einer der Mauern am Fluss und schaute. Und ich kam dazu.

Grosse Fahne West

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