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Derlei Ausfälle waren selten, kamen aber immer mal wieder vor. Meistens ärgerte sich meine Tante aber ebenso sehr über die kleinen Dinge, wir dagegen, Frerk und ich, amüsierten uns königlich über jede Anekdote des Großvaters. Einmal hatte er versucht, mit einer Kerze den Kühlschrank abzutauen. Glücklicherweise dann aber die Tür geschlossen, so dass die Kerze ausging. Ein anderes Mal hatte er nachts vor seinem Haus miauende Katzen mit brennenden Wunderkerzen beschossen, um sie zu vertreiben. Trudi musste anschließend stets die Nachbarschaft oder die Polizei, vor allem aber ihre eigenen Nerven beruhigen.

Also langsam, sagte sie daraufhin stets, mache sie das nicht mehr mit. So langsam.

Die Geschichten über den Großvater gehörten zu jedem ihrer Besuche dazu.

»So etwas macht der immer mit mir. Mit mir. Verstehst du? Dabei ist er noch nicht einmal mein eigener Vater!«

Tante Trudi faltete das Geschirrtuch auf Kante und legte es passgenau in das Muster der Wachsdecke. »Lange gucke ich mir das nicht mehr mit an. Lange nicht mehr!« Sie legte die Decke immer auf, wenn sie kam, um zu putzen. Wir machten auch sauber, aber in ihren Augen und unter ihren Fingern nicht gründlich genug. Sie dieselte einen gelben Wolllappen mit der gleichen Möbelpolitur ein, die in der Flasche nicht weniger wurde, und wischte über alles, was für die kleine Frau erreichbar war, Holz oder nicht.

»Aber er hat doch nur noch dich.« Es waren die immer gleichen Worte, wie in einem unsterblichen Sketch.

»Schwiegervater gut und schön, aber alles kann er auch nicht mit mir machen.«

»Wie alt ist er inzwischen?«

»76.«

»Na, also!«

»Ja, na also!«

Ich hatte die Gewohnheit auch in der Oberstufe noch nicht abgelegt, am Küchentisch meine Schularbeiten zu machen. Wörterbücher, Lexika, Mappen und ein Stiftebecher lagen und standen im offenen Fach des Küchenschrankes. Beschwert hatten sich Frerk und Vater nicht, wahrscheinlich war es ihnen noch nicht einmal aufgefallen.

Tante Trudi kochte Tee, Kaffee war schlecht für Heranwachsende. Sie guckte in die Porzellandose, auf der in Sütterlin »Mehl« stand und wo das Haushaltsgeld aufbewahrt wurde, und schnalzte.

»Müsst morgen noch einkaufen.«

»Ja, ich weiß.«

»Ist wichtig, Peter. Und kauft keinen Fisch bei Dorlemanns, der ist immer so alt. Und denk dran, dass ihr genug Brot habt, das kann man einen Tag liegen lassen.«

»Dann bekommt es einem auch besser.«

»Dann bekommt es einem auch besser.« Trudi goss das heiße Wasser aus dem Kessel in den Becher, schwenkte den Früchteteebeutel umher und stellte mir das Ganze zwischen Heft und Buch.

»Hier. Bis bald.«

»Ja, danke. Bis bald.« Ich stand auf, die kleine Tante Trudi drückte mich an ihre Brust, riss sich dann melodramatisch los, nahm ihre zusammengelegte Plastiktüte und ging zur Küchentür hinaus.

Ich wartete einen Moment und goss dann den Früchtetee weg.

Grosse Fahne West

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