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Die Mauer fiel pfennigweise. Frerk, Vater und ich frühstückten stets einsilbig. Als Viertes sprach das Radio am Tisch, es sprach für alle mit und wusste auch überhaupt die besseren Neuigkeiten. Am Morgen des zehnten Novembers erst recht. Peer Leversen, mein Vater, setzte seine Kaffeetasse ab und sagte: »Donnerschlag!« Wir guckten und hörten. Wie alle.

Ich hatte in den folgenden Tagen und Wochen damit zu tun, alles mitzubekommen, saß bis nachts vor dem Fernseher, kaufte Zeitungen, auch auswärtige, Wochenblätter, Magazine, um ja alles mitzubekommen. Ich kannte in wenigen Tagen die Mitglieder des Politbüros und die Dissidenten mit Namen und Lebenslauf. Sie wurden für mich zu Hauptdarstellern in einem täglich fortgeschriebenen Stück, ich verliebte mich in Bärbel Bohley, wofür nun wirklich niemand etwas konnte, auch die kleine Isa Vonderbül nicht mit ihrer abweisenden Art, die mich sonst so mitnahm.

Was mich faszinierte, ja berauschte? Wann ändert sich schon die ganze Welt, wann ändern sich Vorzeichen, Landkarten, Wahrnehmungen – und dann auch noch zugleich? Im Nachhinein denke ich, dass es das war, was sich jeder Neunzehnjährige insgeheim oder offen eingestanden wünscht: Endlich. Es war, als könne ich der Welt beim Drehen zusehen.

Grosse Fahne West

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