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Seit neuestem hatte meine Tante Leni einen Mann aus Dänemark. Er war einem Mathematiklehrer aus Kiel gefolgt, einem kurz vor dem Durchbruch stehenden Bluesgitarristen und einem einsamen Apotheker von einer Nordseeinsel. Der Däne schrieb für die Grenzlandseite unserer Zeitung, hatte einen eckigen Kopf und einen müden Blick. Er lachte viel, sie lachten viel zusammen, ein schönes Paar: meine rotflammige Tante und ihr sonnenverbrannter Däne. Grieg, wie der Komponist hieß er, nur mit Vornamen, er brachte mich dazu, zu bekennen, was ich arbeiten wollte.

»Leni hat gesagt, ich soll dich fragen. Aber das mache ich nicht. Nicht ohne ein kaltes, deutsches Bier.« Grieg lachte keuchend und zeigte auf unseren Kühlschrank.

Ich lief rot an, holte zwei eisige Flaschen heraus und winkte ihn hinaus zur Bank im Garten. Die zwölf Apostel wiegten sich im Westwind.

»Willst du für die Zeitung schreiben?«

Ich nickte.

»Was willst du schreiben?«

Ich wusste, dass ich jetzt, wo mich 18-Jährigen endlich, erhofft und gefürchtet, ein Erwachsener ernsthaft fragte, was ich mit meinem Leben zu tun gedenke, nicht schweigen durfte. Nicht mit den Achseln zucken und in die Landschaft gucken sollte.

»Ich wusste das nie, was ich wollte. Ich weiß es bis heute nicht. Ich mache nur das, was übrig ist, alles andere will ich noch weniger, verstehst du?« Grieg trank schlürfend. »Ich gucke, was passiert. Und dann erzähle ich das. So mache ich das. Den Rest kann man lernen. Wichtig ist nur, dass man etwas sieht.« Er beendete sein Bier erstaunlich schnell, ließ die Flasche an meine klingeln.

»Ja, Prost.« Ich versuchte meine Stimme.

»Nein, nicht Prost. Lass uns die Flaschen tauschen. Du willst das doch gar nicht trinken.« Er gab mir die Flasche und nahm meine.

»Aber für die Zeitung schreiben, das will ich.«

»Na, also!«

Grieg vermittelte mir den monatlichen Job bei der Zeitung, über neue Schallplatten zu schreiben. Die Pakete mit neuen Alben stapelten sich an manchen Tagen im Apfelhäuschen, zur Freude von Frerk, der so auf mancher Party glänzen konnte.

Es gelang mir, machte sogar Spaß, außerdem freute ich mich über meinen Namen in der Zeitung. Der Schifferpastor war, neben meinem abnehmenden Redakteur, mein schärfster Kritiker. Eines Dienstagabends holte er einen Zeitungsauschnitt aus seiner genarbten, schmalen Ledertasche und verlangte, ich möge ihm die beschriebene und bewertete Schallplatte vorspielen, er könne sonst nicht sagen, ob das, was ich geschrieben habe, gute Arbeit oder aufgeblasenes Gewäsch sei.

Ich ließ die Nadel ein bisschen zu heftig auf die Rille stoßen.

Heinrich Hebarth Neutonsen reagierte heftiger, als wir alle erwartet hatten, auf die Nachricht, dass zwischen Ungarn und Österreich der Eiserne Vorhang geöffnet wurde. Er kaufte diesmal Sahne, wieder einen gesamten Einkaufswagen voll. Nach Tschernobyl hatte er einen großen Vorrat an Nüssen angelegt. Das greise Eichhörnchen von Feddering-Feld, hatten Frerk und ich damals gespottet. Vorher bei der Schneekatastrophe war es Backschokolade gewesen, die er gehortet hatte, der Energie wegen. Nun also die Sahne. Das Ereignis schien uns allen, auch meiner Tante, die die Becher schließlich unter Schimpfen und Drohen in der ganzen Straße verschenkte, zu gering zu sein für einen derartigen großen Ausfall seinerseits. Wir sollten uns getäuscht haben.

Grosse Fahne West

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