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Anna und ich wurden von Openhagen, »wie K’, nur ohne«, kurz nachdem er in die Gemeinde gekommen war, gefragt, ob wir »liiert« seien. Ich musste das Wort erst einmal nachschlagen, Anna aber antwortete, nein, ich und sie, wir seien »eine Schicksalsgemeinschaft«.

So war es. Wir teilten und halfen, alles auszuhalten.

»Kannst du dich nicht wenigstens zu Hause mal nicht benehmen?«, fragte sie mich. Ich wolle mir Mühe geben, antwortete ich. Genau das tat ich. Aber auch zu Hause änderte sich manches durch Annas Einfluss. Mein Vater wunderte sich eines Morgens, als er, aus dem Küchenfenster in den Himmel schielend, am Fahnenmast nicht nur die übliche Friesenflagge, sondern auch eine lange weiße Unterhose flatternd vorfand. Anna und ich hatten am Abend vorher eine »Doofe-Hosen-Soirée« begangen, bei der jeder von uns beiden je drei besonders dämliche Exemplare in einer Modenschau im Garten vorstellen musste. Dazu hissten wir passend die lange Unterhose, und Anna sang eine selbsterfundene, schaurige Ballade.

Als meine Tante Leni eines Sommers einen Gartenball gab, zu dem man, sie hatte es extra geschrieben, in festlicher Kleidung erscheinen sollte, hatten Anna und ich uns Kostüme aus dem Hausbestand gefertigt. Sie trug die Übergardine aus dem Wohnzimmer, wie ich fand, elegant gerafft und gebunden. Tante Lotti schrie spitz auf und beruhigte sich den gesamten Abend kaum wieder. Ich trug meinen viel zu kurzen Konfirmationsanzug, den Anna und ich mit Hilfe vieler angetackerter Geschirrhandtücher in ein weißkariertes Ungetüm verwandelt hatten. Wir tanzten wie im Märchenfilm mit viel Verbeugen und Knicksen und hatten, wie die Gastgeberin Leni im Übrigen auch, mächtig viel Spaß miteinander.

Anna genoss überhaupt einen zweifelhaften Ruf, Lotti und auch Trudi warnten mich mehrfach vor dem Umgang mit ihr. Spätestens da wusste ich, wie wunderbar unsere Freundschaft war.

Anna las zum Beispiel mehrere Wochen an einem Buch über berühmte Mörderinnen. Sie bestand darauf, in sämtliche Rollen zu schlüpfen, um die Tiefe der Tat, wie sie es ausdrückte, zu begreifen. Schauplatz war wie meistens unser Garten, manchmal im Morgennebel, einmal nachts im Fackelschein, dass die Nachbarn beinahe die Feuerwehr gerufen hätten. Mehrere Wochen starb ich unter theatralischen Monologen verzweifelter, bösartiger und verrückter Frauen, die sie sich halb angelesen, halb ausgedacht hatte. Ich starb unter den Händen von Charlotte Corday, Lucrezia Borgia und Bonnie Parker. Einsamer und eiskalter Höhepunkt war die schaurige Meucheltat in einer Kuhtränke Richtung Sagebucher Forst bei Vollmond, in die ich als »Marat beim Bade« steigen musste, um mich erstechen zu lassen.

Grosse Fahne West

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