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1. Durch Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (§ 224 Abs. 1 Nr. 1)

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a) Danach müsste A als Tatmittel – ein im Gesetz exemplarisch hervorgehobenes –[3] Gift oder einen anderen gesundheitsschädlichen Stoff verwendet haben. Als Stoff ist jede feste, flüssige oder gasförmige Materie zu verstehen (vgl. die Beispiele Rn. 6).[4]

Merke:

Gift ist jede Substanz, die im konkreten Fall geeignet ist, durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu schädigen.[5] Andere gesundheitsschädigende Stoffe sind dagegen solche, die mechanisch, thermisch oder biologisch auf den Körper des Opfers einwirken.[6]

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Je nach den konkreten Tatumständen kommen bei entsprechender Verwendung auch an sich unschädliche Stoffe „des täglichen Bedarfs“ als Tatmittel in Betracht, z.B. Kochsalz[7] oder Zucker.[8] Eine Eignung zur Gesundheitszerstörung ist im Unterschied zur insoweit anders lautenden Vorgängervorschrift (§ 229 a.F.) nicht erforderlich.[9] Jedoch bedarf es im Hinblick auf den Strafrahmen des § 224 (bei erhöhter Mindeststrafe Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren) einer restriktiven Interpretation der möglichen Stoffe (Tatmittel). Deshalb muss die durch sie in Betracht kommende Gesundheitsschädigung – wie beim § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. Rn. 18 ff.) – erheblich sein.[10]

Beispiele:

(für Gift) Arsen, Blei, Leuchtgas, Pilz- und Schlangengift, Zyankali; (für andere gesundheitsschädigende Stoffe) Bakterien, brandbedingte Rauchgase;[11] Krankheitserreger (HI-Virus, Coronavirus),[12] Materialsplitter,[13] radioaktiv kontaminierte Substanzen, nicht jedoch elektrischer Strom sowie Gamma-, Röntgen- und radioaktive Strahlen, da diese keine Stoffe i.S. der Nummer 1 sind; insoweit kommt aber § 224 Abs. 1 Nr. 5 in Betracht (vgl. Rn. 31).

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Bei der von A verwendeten Salzsäure handelt es sich um ein Gift.[14] Die damit verursachte körperliche Beeinträchtigung des B lag oberhalb der Erheblichkeitsgrenze. Das verwendete Messer zählt dagegen nicht zu den Tatmitteln des § 224 Abs. 1 Nr. 1, denn es ist als „Stoff“ nicht zur Gesundheitsschädigung durch eigene Wirkungskraft in der Lage.

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b) Als spezifizierte Körperverletzungshandlung bezeichnet § 224 Abs. 1 Nr. 1 das „Beibringen“. Dafür ist es erforderlich, dass der Täter das Tatmittel derart mit dem Körper des Opfers in Verbindung bringt, dass es seine gesundheitsschädigende Wirkung entfalten kann.[15] Typischerweise wird der schädigende Stoff dabei in das Körperinnere gelangen, etwa durch Einspritzen, Schlucken- oder Einatmenlassen. Nicht zweifelsfrei ist es dagegen, ob auch das Herstellen eines lediglich äußeren Kontakts (z.B. durch Auftragen auf die Haut) ein Beibringen darstellen kann.[16]

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(1) Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass das Beibringen auch äußerlich wirkende Gifte und Stoffe erfasst.[17] Dafür sprechen folgende Argumente:

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Die Ansicht, dass ein Beibringen das „Verinnerlichen“ der gefährlichen Stoffe erfordere, ist von einem Teil der Literatur zum § 229 a.F. vertreten worden. Mit diesem Ansatz sollten die als weniger gefährlich erscheinenden Fälle nur äußerer Verwendung der Stoffe aus dem Anwendungsbereich der als Verbrechenstatbestand ausgestalteten Vorschrift ausgenommen werden. Infolge der herabgesetzten Mindeststrafe ist diese restriktive Auslegung nicht mehr geboten.

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Stoffe, die zwar gesundheitsschädigend, aber im konkreten Fall nicht gesundheitszerstörend sein konnten und deshalb nicht unter § 229 a.F. fielen, wurden vielfach als gefährliches Werkzeug gemäß § 223a a.F. (= § 224 Abs. 1 Nr. 2) angesehen (z.B. siedendes Wasser).[18] Insofern wurde ein Eindringen in das Körperinnere nicht verlangt. Es gibt keinen Grund dafür, dass dies nun bei der Prüfung der mit demselben Strafrahmen wie § 224 Abs. 1 Nr. 2 ausgestatteten Nummer 1 erforderlich sein soll.

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(2) Nach anderer Ansicht ist ein Stoff nur dann i.S. des § 224 Abs. 1 Nr. 1 „beigebracht“, wenn seine Wirkung im Innern des Körpers eintritt.[19] Ins Feld geführt werden diese Argumente:

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Der Wortlaut des § 224 Abs. 1 Nr. 1 weicht von den Qualifikationen der Nummern 2, 3 und 5 ab. Er lässt nicht schon die Begehung der Körperverletzung „mittels“ eines Gifts oder anderen gefährlichen Stoffs genügen, sondern verlangt deren Beibringung. Diese unterschiedliche Fassung muss ernst genommen werden. Ihr kann am plausibelsten dadurch entsprochen werden, dass aus ihr die Notwendigkeit eines besonders engen Kontakts zwischen Tatmittel und Körper des Opfers dergestalt hergeleitet wird, dass das Tatmittel im Körperinnern wirkt.

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Diese Auslegung erlaubt nicht nur eine trennscharfe Abgrenzung zwischen § 224 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (Gifte und andere gesundheitsschädliche Stoffe müssen im Innern des Körpers wirken, gefährliche Werkzeuge i.S. der Nummer 2 können nur solche Gegenstände sein, die von außen auf den Körper einwirken), sondern sie erhält § 224 Abs. 1 Nr. 1 seine eigenständige Bedeutung. Diese wäre anderenfalls zweifelhaft, weil die Vorschrift als spezielle Ausgestaltung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 verstanden werden könnte.

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(3) Stellungnahme:

Die zweite Auffassung verdient den Vorzug. Sie wird der Gesetzessystematik und der von den übrigen Qualifikationen der gefährlichen Körperverletzung abweichenden Fassung des § 224 Abs. 1 Nr. 1 am ehesten gerecht.

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Die Ansicht ist jedoch zu präzisieren. Da es nach ihr allein auf die besonders gefährliche Wirkung des Mittels im Körper ankommt, kann es keine Rolle spielen, auf welchem Weg diese Wirkung herbeigeführt wird. Tritt sie beispielsweise allein schon dadurch ein, dass ein Gift auf die Haut des Opfers aufgetragen wird, so liegt darin ein „Beibringen“. Die Grenze des möglichen Wortsinns wird durch ein solches Verständnis nicht überschritten. Denn der Begriff des „Beibringens“ enthält zwar eine Komponente des heimlichen, unmerklichen Vorgehens, das gerade im Einflößen eines Gifts bestehen kann.[20] Sein Sinngehalt wird damit aber nicht ausgeschöpft. Das Wort kann ebenso i.S. des äußeren Versetzens eines Hiebs, Stoßes oder auch einer Wunde verwendet werden.[21]

Merke:

Beibringen ist danach jedes Herstellen eines Kontakts zwischen gesundheitsgefährdendem Stoff und Körper des Opfers, sofern der Stoff im Anschluss – in Abgrenzung zu § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. Rn. 20) – zumindest auch im Innern des Körpers schädigend wirksam wird.

Beispiel:

A begießt die Kleidung des B mit einer alkoholhaltigen Flüssigkeit und entzündet diese; infolge der thermisch verursachten Verletzungen der Hautschichten bleiben großflächige Narben zurück.[22]

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Zwischenergebnis:

Im Beispielsfall hat A somit die Salzsäure dem B beigebracht, da diese infolge des Kontakts mit dem Auge zu dessen Verätzung führte. Da A vorsätzlich gehandelt hat (vgl. Rn. 33), ist er einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 schuldig.

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