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b) Verlust oder dauernde Unbrauchbarkeit eines wichtigen Körpergliedes (§ 226 Abs. 1 Nr. 2)
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Das Vorgehen des A könnte weiterhin dazu geführt haben, dass B ein wichtiges Glied ihres Körpers verloren hat (Niere; § 226 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt.) oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann (Hand; § 226 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt.).
Merke:
Glied des Körpers ist nach h.M. jeder Körperteil, der mit dem Rumpf oder einem anderen Körperteil durch ein Gelenk verbunden ist,[13] also beispielsweise nicht die Nase.
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Im Beispielsfall erfüllt die Hand diese Voraussetzung.[14] Innere Organe gehören dagegen nach zutreffender h.M. nicht dazu. Allerdings können ihr Verlust oder ihre dauerhafte Funktionsunfähigkeit den Verletzten ebenfalls schwerwiegend beeinträchtigen. Jedoch würde man, wollte man ein inneres Organ als „Glied“ bezeichnen, die Grenze zulässiger Wortauslegung (Art. 103 Abs. 2 GG) überschreiten. Zudem bedürfte es dann (zumindest teilweise) des § 226 Abs. 1 Nr. 1 nicht mehr.[15] Der Verlust der Niere der B im Beispielsfall wird daher durch § 226 Abs. 1 Nr. 2 nicht erfasst.
Merke:
Wichtig i.S. des § 226 Abs. 1 Nr. 2 ist ein Glied, wenn es für den Gesamtorganismus allgemein bedeutsam ist.
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Entsprechend der Schutzrichtung der Vorschrift (vgl. Rn. 2) ist dies der Fall, wenn der Verlust oder die dauernde Gebrauchsunfähigkeit des Glieds regelmäßige menschliche Verrichtungen wesentlich beeinträchtigt.[16] Das ist schon für einen Finger, insbesondere für Daumen und Zeigefinger, erst recht aber (wie im Beispielsfall) hinsichtlich einer Hand als „zentralem“ Glied des menschlichen Körpers zu bejahen. Insofern können individuelle Körpereigenschaften des Opfers berücksichtigt werden, etwa diejenige als Rechts- oder Linkshänder.[17]
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Für die Beurteilung der Wichtigkeit will eine in der Literatur vertretene Ansicht darüber hinaus auch sonstige individuelle Verhältnisse des Opfers heranziehen. Vor allem sollen berufliche Fähigkeiten (z.B. Stenotypistin, Berufspianist) zu berücksichtigen sein.[18] Dieser Ansatz erscheint auf den ersten Blick plausibel. Gegen ihn spricht aber entscheidend das Erfordernis der Rechtssicherheit und -klarheit. Denn er würde in der Praxis u.U. Beweiserhebungen notwendig machen, ob ein Glied – für den Täter zudem zumindest erkennbar (vgl. Rn. 26) – gerade für das konkrete Opfer wichtig ist.
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Im Beispielsfall hat B den verletzten Arm zwar nicht verloren (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt.). Dafür wäre dessen Lostrennung vom Körper erforderlich gewesen.[19] Das Gesetz stellt einem derartigen Substanzverlust aber den dauernden Funktionsverlust gleich (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt.). Für diesen ist es nicht erforderlich, dass das verletzte Glied überhaupt keine Funktion mehr erfüllt. Es reicht entsprechend der Auslegung des § 226 Abs. 1 Nr. 1 (vgl. Rn. 6) aus, dass es im Wesentlichen nicht mehr verwendet werden kann,[20] also so viele Funktionen ausgefallen sind, dass es weitgehend unbrauchbar geworden ist,[21] etwa infolge einer Gehirn- oder Rückenmarksverletzung.[22]
Beispiele:
Versteifung des Kniegelenks, auch wenn das Opfer noch unter Nachziehen des verletzten Beins laufen kann, nicht aber schon eine eingeschränkte Beuge- und Tragefähigkeit[23] oder das Gefühl, Daumen und Zeigefinger wären „eingeschlafen“
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Diese Voraussetzung ist auch bei einer steifen Hand zu bejahen. Der erforderliche Unmittelbarkeitszusammenhang (vgl. Rn. 7 f.) liegt im Beispielsfall ebenfalls vor.
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Zwischenergebnis:
Der objektive Tatbestand des § 226 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. ist durch die verursachte Handverletzung erfüllt.