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Interaktionen

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Wie lassen sich die Interaktionen zwischen Natur und Kultur theoretisch fassen? Diesbezüglich sind die modellhaften Überlegungen interessant, wie sie in der Wiener Schule der Sozialen Ökologie entwickelt und von Verena Winiwarter für die Umweltgeschichte (re-)adaptiert wurden.12 Hier lege ich sie in einer leicht angepassten Variante dar (vgl. Abb. 1). Natur und Kultur werden als zwei eigenständige Felder vorgestellt, die eine Schnittmenge bilden, in der sich die Menschen und ihre Artefakte befinden. Menschen wirken zum einen auf die Natur ein, indem sie physische Arbeit an ihr verrichten. Je nach Werkzeugen, Technologien und sozialer Organisation, die sie entwickelt haben und anwenden, hinterlässt ihre Arbeit feinere oder tiefere Spuren in der Natur. Zum anderen nehmen Menschen über ihre Sinnesorgane Natur wahr. Sie sehen, hören, riechen, schmecken und spüren Natur, wobei auch hier technische Hilfsmittel eine bedeutende Rolle spielen. Jene Natur, die Menschen physisch bearbeiten und sinnlich wahrnehmen, verwandeln sie in ihre Umwelt. Die sinnlichen Wahrnehmungen können an andere Menschen weitergegeben werden. Sie können aber auch direkt in die eigene Arbeit einfließen. In diesem Fall spricht man von tacit knowledge, implizitem Wissen, das von Akteuren nicht verbalisiert wird. Unter Umständen sind sie auch gar nicht fähig, dieses Wissen weiterzugeben. In diesem Fall schließt sich der Kreis von Arbeit und Wahrnehmung. In jenen Fällen, in denen die Wahrnehmung weitergegeben wird, sei es über Worte, Gesten oder Symbole, findet eine Repräsentation der Wahrnehmung statt. Mit ihrer Kommunikation wird die Wahrnehmung zugleich gesellschaftlich relevant und kann im kulturellen System zu Programmen weiterverarbeitet werden. Solche Programme können dann für Individuen, einzelne soziale Gruppen oder ganze Gesellschaften handlungsleitend werden. Sie werden damit auch gesellschaftsbildend und können zudem auf die Formen einwirken, in denen zum einen Arbeit an Umwelt und Natur vorgenommen und zum anderen Umwelt und Natur wahrgenommen wird. Neue Programme können aber auch direkt zu neuen Repräsentationen führen oder ältere Repräsentationen in neuem Licht erscheinen lassen.

Der Soziologe Niklas Luhmann hat in seinen system-^^ und kommunikationstheoretischen Überlegungen gerade den Austausch zwischen Umwelt und Gesellschaft problematisiert, wobei er Gesellschaft als „das umfassende soziale System aller aufeinander Bezug nehmenden Kommunikationen“ versteht. „Der Zusammenhang von System und Umwelt wird […] dadurch hergestellt, dass das System seine Selbstreproduktion durch intern zirkuläre Strukturen gegen die Umwelt abschließt und nur ausnahmsweise, nur auf anderen Realitätsebenen, durch Faktoren der Umwelt irritiert, aufgeschaukelt, in Schwingung versetzt werden kann.“13 Ins Schema übertragen kann man mit Luhmann festhalten, dass sich Gesellschaften über Repräsentationen und Programme kulturell reproduzieren. Auch gravierende Veränderungen in Natur und Umwelt lösen nicht automatisch gesellschaftliche Reaktionen aus. Hierfür müssen sie erst gesellschaftlich repräsentiert und in gesellschaftlich wirksame Programme übersetzt werden. In Luhmanns prägnanter Formulierung: „Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnitts-temperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen.“14 Andererseits kann sich der gesellschaftliche Umgang mit Umwelt vergleichsweise rasch ändern, wenn sich die gesellschaftliche Kommunikation zur Umweltthematik intensiviert. Wir können gar einen Schritt weitergehen und aufgrund dieser theoretischen Überlegungen erwarten, dass die gesellschaftlichen Repräsentationen und Programme sich nicht kontinuierlich an die Veränderungen in der Umwelt anpassen, sondern diskon-tinuierlich, in Phasen intensivierter gesellschaftlicher Kommunikation, größere Veränderungen erfahren.15

Abb. 1Interaktionen zwischen Menschen, Natur und Kultur.

Quelle: Modifiziert nach Weisz, H., Gesellschaft-Natur Koevolution. Bedingungen der Möglichkeit nachhaltiger Entwicklung, Diss. Humboldt-Universität zu Berlin 2002, S. 41.

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