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Solare und fossile Zeitalter und Epochen

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Bei einem materialistischen Zugriff bietet sich Energie als Größe an, um umwelt-historische Epochen zu bestimmen. Als Grundlage dient die allgemeine Definition von Energie als Kapazität, Arbeit zu verrichten. Wieviel Energie eine Gesellschaft verbraucht, gibt eine erste grobe Auskunft darüber, wieviel Arbeit sie verrichtet. Damit ist die Menge an Energie, die eine Gesellschaft zu mobilisieren weiß, zugleich ein guter Indikator für das Vermögen dieser Gesellschaft, ihre Umwelt zu bearbeiten, sie zum einen nach ihren Vorstellungen zu gestalten, sie zum anderen aber auch darüber hinaus zu verändern. Die Analyse lässt sich maßgeblich verfeinern, wenn neben der bloßen Menge an mobilisierter Energie differenziert erhoben wird, welche Energieressourcen unterschiedliche Gesellschaften wie zu nutzen wussten und welche Technologien sie hierzu entwickelten und zum Einsatz brachten. Lassen sich dominante Muster der Energienutzung ausmachen, die über längere Zeit bestimmend blieben, läßt sich von Energieregimen sprechen, die sich wiederum heranziehen lassen, um energie-^^ und zugleich umwelthistorische Epochen und Umbrüche zu definieren.38

Rolf Peter Sieferle und andere haben vorgeschlagen, in universal-^^ und umwelt-historischer Perspektive zwischen solaren und fossilen Energieregimen zu unterscheiden.39 Erstere beruhen zur Hauptsache auf der Nutzung von Biomasse, letztere auf der Nutzung von fossilen Brennstoffen. Die große umwelthistorische Zäsur bildet der Übergang von den solaren zu den fossilen Energieregimen, welcher mit der Industriellen Revolution verknüpft war. Sowohl die solaren als auch die fossilen Energieregime lassen sich weiter unterteilen. So können im Solaren Zeitalter verschiedene Epochen oder Stadien von Jäger-und-Sammler-Gesellschaften und Agrargesellschaften unterschieden werden. Die Kunst des Feuermachens eröffnete den Menschen ganz neue Möglichkeiten, ihr Leben und dasjenige ihrer Gemein-schaften zu gestalten. Am Feuer konnten sich Menschen wärmen, und sie konnten nun Speisen kochen und backen, was ihr Nahrungsspektrum enorm erweiterte. Zudem konnte Feuer für die Bearbeitung von Werkzeugen und Waffen eingesetzt werden oder auch für die Treibjagd. Und schließlich spielte Feuer eine wichtige Rolle bei der Rodung und Kultivierung von Land.

Herausragende Bedeutung kommt sodann der Neolithischen Revolution zu. Der Ackerbau bedingte die Sesshaftigkeit und warf höhere Erträge als das Jagen und Sammeln ab. Dies erlaubte wiederum die Produktion von Überschüssen und die Anlage von Nahrungsreserven. In der Folge wuchsen die Bevölkerungen, was größere Ansiedelungen bis hin zu Städten möglich machte. Die zweite umwälzende Neuerung neben dem Ackerbau war die Domestizierung von Nutztieren, welche die verfügbare Arbeitskraft erheblich vergrößerte. Bis ins 19. Jahrhundert hinein lieferten das Sammeln von Holz und essbaren Pflanzen beziehungsweise der Anbau von Nahrungs-^^ und Futtermitteln den überwiegenden Teil der energetischen Ressourcen, die in der Form von Wärme sowie menschlicher und tierischer Arbeitskraft konsumiert wurden. Wind-^^ und Wasserkraft wurden seit der Antike in Mühlen genutzt und erleichterte beziehungsweise ermöglichte erst den Transport von Waren und Menschen über größere Distanzen. Gewässer waren bis zur Einführung der Eisenbahn die mit Abstand günstigste Reise-^^ und Transportmöglichkeit, zum Befahren mit (Segel-)Schiffen, aber auch zum Triften und Flößen von Holz. Auch wenn die eingesetzten Technologien über die Jahrhunderte etliche Fortschritte machten, blieb der Anteil von Wasser und Wind am gesamten Energieeinsatz vormoderner Gesellschaften gering und dürfte selbst in Ländern, in denen diese Technologien vergleichsweise weitverbreitet waren, wie den Niederlanden, unter zehn Prozent gelegen haben, in den meisten Gegenden wohl unter einem Prozent.40 Fossile Energieträger waren nicht unbekannt, insbesondere Torf und Kohle erlangten in einigen Regionen eine gewisse Bedeutung. Insgesamt fielen diese Energieträger jedoch nicht ins Gewicht, sodass die Bezeichnung der Großepoche als Solares Zeitalter ihre Berechtigung hat.

Energetischer Treiber des Fossilen Zeitalters war zunächst die Kohle, zu der sich zunehmend Erdöl und in jüngerer Zeit Erdgas gesellten. Eng mit der Kohle war die Dampfmaschine verbunden, die es erstmals erlaubte, Wärme in mechanische Energie umzuwandeln und sowohl den Aufstieg der Schwerindustrie als auch der Eisenbahn und Dampfschifffahrt im 19. Jahrhundert ermöglichte. Der Siegeszug des Erdöls war an die Erfindung und Verbreitung des Verbrennungsmotors gekoppelt, auf dessen Basis sich im 20. Jahrhundert der Personen-^^ und Güterverkehr revolutionierte. Erweitert wurden die fossilen Energieregime ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert durch die Elektrizität, die sich mit ihren vielfältigsten Anwendungs-möglichkeiten, von der Beleuchtung über den Antrieb für Motoren und Maschinen bis zur Übertragung von Signalen und als Wärmequelle, für moderne Gesellschaften bald unentbehrlich machte. Das Fossile Zeitalter hob sich in dreierlei Hinsicht vom vorangehenden Solaren Zeitalter ab. Erstens stieg der Energieverbrauch stark und von temporären Schwankungen abgesehen kontinuierlich an. Unter solarenergetischen Bedingungen waren gesellschaftliche Wachstumsprozesse immer wieder an Schranken gestoßen. Der massenhafte Einsatz fossiler Energieträger war maßgeblich an deren Beseitigung beteiligt. Zweitens beruhte der steigende Energieverbrauch wesentlich auf (in menschlichen Zeiträumen) nicht erneuerbaren Ressourcen. Damit begannen Gesellschaften endliche Lager fossiler Rohstoffe, die über Jahrmillionen entstanden waren, in rasantem Tempo abzubauen und zu verbrauchen, was zum einen in einer absehbaren, wenn auch nicht genau bestimmbaren und daher umstrittenen Zeitspanne zur Erschöpfung dieser Lager führen muss und was zum anderen enorme Mengen an gespeicherten Kohlenstoffen freisetzte, die wiederum den CO2-Gehalt der Atmosphäre global ansteigen ließen und weiter lassen. Drittens entkoppelte sich der Energieverbrauch tendenziell von den lokal vorhandenen Ressourcen. Größere, billigere und kompaktere Formen des Warentransports erlaubten es Gesellschaften, längerfristig mehr und andere Ressourcen zu verbrauchen, als das eigene Territorium produzierte. Das Fossile Zeitalter zeichnet sich daher durch eine Entwicklung aus, die weder in zeitlicher noch in räumlicher Hinsicht nachhaltig war.41

Bedeutsam für die Einordnung und Einschätzung historischer Umbrüche ist, ob sie als reversibel oder irreversibel und als additiv oder kumulativ zu bewerten sind.42 Bei den energiehistorischen Umbrüchen handelte es sich um stark gerichtete Prozesse, die kaum umkehrbar waren. So sind zwar wenige Fälle dokumentiert, in denen der Ackerbau wieder aufgegeben wurde. Dies geschah aber fast ausschließlich unfreiwillig und ging mit einem zivilisatorischen Kollaps und einem Bevölkerungs-einbruch einher. Ohne Ackerbau ließ sich die auf höherem Energieinput beruhende Lebensweise ebenso wenig aufrechterhalten wie die dichte Besiedlungsform.43 Das Fossile Zeitalter brachte eine irreversible Umgestaltung der Welt mit sich, welche den gegenwärtigen Gesellschaften die enorme Herausforderung bescherte, dessen verschwenderische und (selbst-)zerstörerische Entwicklungsrichtung zu brechen und in eine nachhaltige Entwicklung zu überführen. Wegen der laufenden Klimaerwärmung muss der Verbrauch von fossilen Energieträgern rasch und massiv gesenkt werden. Wenn von der derzeit realistischen Annahme ausgegangen wird, dass die erneuerbaren Energieträger trotz rascher Fortschritte die fossilen nicht vollumfänglich ersetzen können, ist mit der Abkehr vom Fossilen Zeitalter nicht nur das seit zweihundert Jahren anhaltende Wachstum des Energieverbrauchs zu stoppen, sondern eine historisch singuläre Transformation zu einem niedrigeren Energielevel zu schaffen.44

Diese umwelt-^^ und energiehistorische Chronologie mit Daten zu versehen, ist herausfordernd. Denn weder war das Aufkommen eines neuen Energieregimes ein plötzliches Ereignis, wie der ubiquitäre Gebrauch der Revolutionsmetapher glauben machen könnte, noch lösten Energieregime einander einfach ab. Vielmehr haben wir es mit mitunter sehr langfristigen, sich über viele Jahrzehnte, ja teilweise über viele Jahrhunderte hinziehenden Übergängen kumulativer Art zu tun. Zudem setzten diese Übergänge in verschiedenen Weltgegenden, aber auch innerhalb Europas, zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten ein, verliefen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Rhythmen und wiesen unterschiedliche Eindringungstiefen auf. Jäger-und-Sammler-Gesellschaften koexistierten über Jahrtausende mit Agrargesellschaften und sind bis heute nicht gänzlich verschwunden. Die fossilen Brennstoffe erfassten ländliche Gegenden in vielen Teilen Europas erst viele Jahrzehnte nach ihrem Durchbruch in den industriellen Zentren, und das Erdöl ließ die Kohle nicht etwa verschwinden, sondern verdrängte sie lediglich an bestimmten Orten und aus gewissen Anwendungen. So stieg der globale Kohleverbrauch auch nach 1945 weiter, die (Wachstums-)Dynamik ging aber auf den Erdölsektor über. Das Fortbestehen hergebrachter Regime ist daher stets ebenso mit zu berücksichtigen wie die geografischen Unterschiede, und es muss entschieden werden, zu welchem Zeitpunkt eines Übergangs die Zäsur gesetzt wird. Angemessen scheint jenen Augenblick zu wählen, zu dem ein neues Regime zur gesellschaftlichen Dominanz aufsteigt. Für das Kohleregime zum Beispiel geschah dies in Großbritannien in den 1830er Jahren, während es auf dem europäischen Kontinent erst im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte einsetzte. Die Anwendung von Erdöl verzeichnete zwar bereits im Europa der Zwischenkriegszeit eine dynamische Entwicklung, von einer Dominanz des Erdölregimes lässt sich aber erst seit den ausgehenden 1950er Jahren sprechen.45

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