Читать книгу Umweltgeschichte - Patrick Kupper - Страница 14
Methoden
ОглавлениеJe nach Fragestellung und Untersuchungsgegenstand kommen in der Umweltgeschichte unterschiedliche Methoden zur Anwendung. Insbesondere bei den materialistischen Zugängen können diese weit über das klassische historische Methodeninventar hinausgehen und etwa naturwissenschaftliche Methoden wie Dendrochronologie und Phänologie oder Erklärungsansätze aus der Geobotanik oder Evolutionsbiologie einbeziehen. Es werden aber auch quantifizierende Methoden der Wirtschafts-^^ und Sozialwissenschaften genutzt. Umweltgeschichte ist in den Worten John R. McNeills “about as interdisciplinary as intellectual pursuits can get”.29 An der Forschung beteiligen sich nicht nur Historiker, sondern ebenso Ökologinnen, Geografen und Ethnologinnen, um nur einige wenige der zahlreichen substanziell involvierten Disziplinen zu nennen. Die Methodenvielfalt und -kombination ist inzwischen so groß, dass sich hier eine auch nur überblicksartige Darstellung ausschließt.30 Es kann lediglich festgehalten werden, dass es gilt, sich spezielle Methoden mit der entsprechenden Fachliteratur gezielt anzueignen und so transdisziplinäre Kompetenzen aufzubauen, als auch den interdisziplinären Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu suchen. Solche Aneignungen und Zusammenarbeiten erfordern zwar einen hohen Arbeits-^^ und Zeiteinsatz, haben sich in der Umweltgeschichte aber als äußerst bereichernd und horizonterweiternd erwiesen. Darüber darf aber der Austausch in den Geschichtswissenschaften selbst nicht vernachlässigt werden: etwa mit der Wirtschafts-^^ und Sozialgeschichte, der Wissenschafts-, Technik-^^ und Medizingeschichte oder der Geschlechter-^^ und Globalgeschichte.31
Aufgrund dieser breiten Ausrichtung hat Uwe Lübken die Umweltgeschichte als im positiven Sinne „undiszipliniert“ charakterisiert.32 Tatsächlich dürften neben der hohen gesellschaftlichen Relevanz der Umweltthematik die vielfältigen wissenschaftlichen Anschlussmöglichkeiten zu jener akademischen Anziehungskraft beigetragen haben, welche die Umweltgeschichte seit Jahren ausübt. Andererseits scheint die ausgeprägte Interdisziplinarität des Fachs einer stärkeren Institutionalisierung an den Universitäten entgegenzustehen, deren Forschung und Lehre weiterhin größtenteils disziplinär ausgerichtet ist. Anders als in den USA ist die Umweltgeschichte an europäischen Universitäten bislang eine Randerscheinung geblieben. Umwelthistorische Professuren gibt es nur ganz wenige, zumeist und in zunehmendem Maße wird Umweltgeschichte nebenher gelehrt, etwa in Kombination mit Wirtschafts-^^ und Sozialgeschichte oder Technikgeschichte. International ist die Umweltgeschichte hingegen gut organisiert und vernetzt. Mit „Environmental History“, „Environment and History“ und „Global Environment“ bestehen gleich drei internationale Fachzeitschriften. Seit 1999 gibt es einen Kontinentalverband, die European Society for Environmental History, die alle zwei Jahre eine europäische Konferenz organisiert, die jeweils mehrere hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbringt. Im fünfjährigen Rhythmus finden seit 2009 zudem globale Umweltgeschichtskonferenzen statt. Diese Aktivitäten wie auch eine wachsende Zahl von Dissertationen und anderen Fachpublikationen zeugen von der ungebrochenen Dynamik der Umweltgeschichte und führten dazu, dass das Feld in seiner Gesamtheit heute kaum mehr zu überblicken ist.33
Methodisch hat sich eine umwelthistorische Arbeit drei Kriterien zu stellen:34 erstens dem Kriterium der Wissenschaftlichkeit, das verlangt, dass die Ausführungen nachvollziehbar sind, wozu insbesondere der Anmerkungsapparat dient. Zweitens muss sie sich der kritischen historischen Methode bedienen, die in der quellenkritischen Arbeit begründet ist. Drittens, und erst dies unterscheidet sie von anderen historischen Arbeiten, darf sie etablierten ökologischen Erklärungen nicht widersprechen, wobei zu beachten ist, dass sich diese Erklärungen selbst wandeln und weiterentwickeln, in einigen Fällen auch aufgrund umwelthistorischer Erkenntnisse.35 Auch dieses dritte Kriterium unterscheidet die Umweltgeschichte aber nicht kategorial von anderen historischen Zugängen, die sich ebenfalls an der Theoriebildung und dem Wissensstand von Fachdisziplinen orientieren, etwa der Soziologie, der Ökonomie oder der Medizin.
Neben diesen methodischen Anforderungen erkennt man eine umwelthistorische Arbeit zudem daran, dass sie Natur und Kultur eine eigenständige Wirklichkeit und ein unabhängiges Handlungsvermögen zuschreibt und somit weder radikal umweltdeterministisch noch radikal sozialkonstruktivistisch argumentiert, sondern einem kritischen Realismus oder begrenzten Konstruktivismus folgt, wie er auch im benachbarten Feld der Politischen Ökologie mehrheitlich vertreten wird.36 Sie akzeptiert, dass Natur auch außerhalb von Kultur besteht und Kultur ihrerseits auch außerhalb von Natur. Sie interessiert sich letztlich aber für die Schnittmenge, die sozionaturalen Verhältnisse (auch wenn sie eine andere Bezeichnung dafür verwendet), in denen Natur und Kultur unauflöslich verbunden und geschieden sind, und sie sucht zu verstehen und zu erklären, wie und warum sich diese sozionaturalen Verhältnisse historisch wandelten.