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Raum als Kategorie der Geschichtswissenschaften

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Die Geschichtswissenschaften etablierten sich im 19. Jahrhundert zugleich als Geisteswissenschaft und als staatstragende Wissenschaft. Aus dieser doppelten Festlegung ergab sich eine spezifische Thematisierung beziehungsweise Nicht-Thematisierung von Raum. Zum einen wurde Raum als nicht sinntragender Gegenstandsbereich von einer weitergehenden Betrachtung ausgeklammert. Raum wurde als Gegebenes aufgefasst, als die vorgefertigte Bühne, auf der die Geschichte sich abspielte beziehungsweise auf der der Historiker sie in Szene setzte. Zum anderen gab die Idee der Nation den Untersuchungsraum für historische Abhandlung vor: nämlich den Nationalstaat. Dessen Geschichte wurde in die Vergangenheit verlängert, wobei das nationalstaatliche Territorium die quasi natürliche räumliche Einheit für alle untersuchten Zeiten abgab. Der Raum wurde zu einem Container von fixer und genormter Größe, der die Geschichte aufnahm und in nationalistisch bestimmte Einheiten parzellierte. Die theoretische Auseinandersetzung der Geschichtswissenschaften mit der Kategorie Raum setzte nicht zufällig in einer Phase ein, in der die nationalgeschichtliche Rahmung an Plausibilität verlor.71 Als Startpunkt für die Raumdiskussion in den deutschsprachigen Geschichtswissenschaften wird meist der Deutsche Historikertag 1986 angeführt, der sich dem Thema „Räume der Geschichte – Geschichte des Raums“ widmete. Angefeuert wurde die Debatte durch die etwa zeitgleiche Ausrufung eines spatial turn in den Kultur-^^ und Sozialwissenschaften. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei eine Publikation des amerikanischen Humangeografen Edward Soja von 1989, in der dieser einen „third space“ proklamierte. Dieser „Drittraum“ verbindet einen ersten materiell verstandenen Raum mit einem zweiten mental verstandenen Raum zu einer beide Aspekte integrierenden dritten Einheit.72

Ob eine solche letztlich alles einschließende Kategorie die Erforschung des Raums voranbringt, wurde in der Folge bezweifelt.73 Entscheidend ist, auf theoretisch-methodischer Ebene Distinktionen zu treffen und diese in die Forschungspraxis zu übernehmen. Für umwelthistorische Raumbetrachtungen macht es Sinn, die materiellen und die symbolischen Dimensionen von Raum analytisch zunächst zu trennen, um daraufhin nach deren Verwobenheit und wechselseitiger Bedingtheit zu fragen. Räume sind also zum einen in ihrer Materialität zu erfassen, die naturgegeben und menschgemacht sein kann, in den allermeisten Fällen aber beides zugleich ist. Darauf hat Reinhard Koselleck schon am Anfang der Raumdebatte hingewiesen, als er 1986 vorschlug, Räume auf einer Skala einzuordnen, an deren einem Ende die „Naturvorgegebenheit jeder menschlichen Geschichte“ und an deren anderem Ende die von Menschen geschaffenen Räume zu stehen kämen.74 Neben materiellen Dimensionen sind zum anderen die gesellschaftlichen Raumwahrnehmungen, -diskurse und -praktiken zu rekonstruieren und zu ersteren in Bezug zu setzen.

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