Читать книгу Almas Rom - Patrizia Parolini - Страница 14

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IX

Alma lag im Bett und konnte nicht einschlafen. Sie betrachtete die Muster, die das Licht der Strassenlampe durch die Ritzen der Fensterläden an die Blümchentapete zeichnete. Sie hörte den Lärm der Bar durch das geöffnete Fenster und den leichten Atem ihrer Schwester von der anderen Seite des Zimmers her. Die Ankunft in Rom hatte sie sich anders vorgestellt. Den Vater nach einem Monat wiederzusehen, war ein Schock gewesen. Er war dünn geworden, und sein Gesicht war eingefallen. Zwar hatte auch er sich gefreut über das Wiedersehen und hatte die Kleinen in die Arme geschlossen. Doch nur kurz, dann hatte er sie alle ganz nervös aus dem forno und in die Wohnung hinaufgeschickt. Mutter war ihnen entgegengekommen. Sie hatte wenig gesagt und Tränen in den Augen gehabt. Irgendetwas war nicht in Ordnung.

Als Mammà sie an den Tisch gerufen hatte und die Kleinen mit lautem Gelächter aus dem Bubenzimmer gerannt waren, dann aber in die andere Richtung, in den hinteren Trakt der Wohnung, war Vater aus dem Badezimmer gestürzt und hatte zu schimpfen begonnen.

Noch nie war Alma seine Stimme so schrill vorgekommen. Er hatte die Kleinen, einen nach dem anderen, an den Ohren gezogen und sie dann am Angestelltenzimmer und an der engen wohnungsinternen Treppe, die direkt zur Backstube hinunterführte, vorbei durch die eine Wohnungstür ins Treppenhaus und von da durch die gegenüberliegende Wohnungstür wieder in den Flur in Richtung Esszimmer dirigiert.

Wimmernd hatten Pietro und Folco mit der Hand an ihr Ohr gefasst, Giacomo war weinend zur Mutter geflohen. Wieso Vater auch noch mit dem Stock gedroht hatte, konnte Alma nicht begreifen. Doch alle hatten sich sofort mucksmäuschenstill an den Tisch gesetzt, hatten das Tischgebet nachgemurmelt, das der Vater mit kurzatmiger Stimme vorgesprochen hatte, und hatten schweigend gegessen. Alma hätte beinahe gelacht, aber die Lage schien todernst.

«Ist schon gut», hatte er gebrummt, als er die erschrockenen Mienen bemerkt hatte, als hätte es ihm leid getan.

Das war nicht ihr Vater. Er war immer streng gewesen, aber nie jähzornig. Er konnte nachsichtig sein und auch lustig. Nun hatte er die Nerven verloren wegen nichts!

Finster hatte er da gesessen und einige maccheroni und etwas Gemüse hinuntergewürgt. Immer wieder hatte er unruhig hin- und hergeblickt, mit Augen, die tief in den Augenhöhlen lagen. Hastig hatte er sein Weinglas geleert und die Früchte stehen gelassen, was er sonst nie tat, und war aufgestanden. «Ich muss den Hefeteig vorbereiten.»

«Bleib nicht zu lange», hatte ihm Anna hinterhergerufen, vorwurfsvoll, weil alle noch am Essen waren, und gleichzeitig beunruhigt. Die Kinder hatten aufgeatmet und sich verstohlen angeschaut. Kaum war Vater weg gewesen, hatten sie zu erzählen begonnen.

Alma seufzte, drehte sich zur Wand und versuchte, zu schlafen. Ihr war heiss und die Sorge um den Vater schnürte ihr die Kehle zu. Vater sei sehr krank, hatte Mutter ihr beim Aufräumen in der Küche gesagt. Und auf ihre Frage, was denn los sei, hatte sie erwähnt, dass der Arzt von drei Monaten gesprochen habe.

Drei Monate wofür?

Drei Monate zu leben!

September, Oktober, November. Und dann? Dann sollte er nicht mehr da sein? Die Familie allein, ohne ihn? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Und was würde aus dem Geschäft?

Sie würden zurückkehren in die Heimat, hatte Vater ihnen erklärt, als er von der Backstube zurück im salottino, dem Eckzimmer im vorderen Bereich der Wohnung, vorbeigeschaut hatte, um ihnen eine gute Nacht zu wünschen. Er müsse! Das sage der Arzt.

Vielleicht will er auch, ging es Alma durch den Kopf.

Nur vorübergehend, hatte er beschwichtigt, als sie ihn entsetzt angeschaut hatte. Der rigorose Ton in seiner Stimme hatte weitere Fragen vom Tisch gewischt. Einige Monate in den Bergen würden ihm gut tun, hatte er beigefügt, als er hinausging.

Ob er damit sich selbst hatte Mut machen wollen? Zuversicht hätte anders getönt, fand Alma besorgt.

Wie gelähmt hatte sie dagesessen, während Attilio mit Begeisterung reagiert und die Kleinen damit angesteckt hatte. Er hatte einmal ein ganzes Schuljahr im Puschlav verbracht und schwärmte noch immer von jener Zeit voller Abenteuer, in der er viele neue Freunde gewonnen hatte.

Sie würde lieber bleiben, hatte Mutter zu Alma bemerkt, als die Kleinen im Bett waren. Sie hatte vage von einer Wohnung in San Saba gesprochen, auf dem Aventin.

Alma wollte auf jeden Fall bleiben. Die Wochen in Gavignano reichten ihr. Allein den Gedanken, die Stadt und mit ihr auch ihre Freundinnen zu verlassen und künftig in einem Bergdorf zu leben, fand sie unerträglich. Das konnte nicht sein! Doch je mehr sie versuchte, ihn zu verscheuchen, desto bedrängender wurde er. Sie betete darum, dass Vater so bald wie möglich gesund würde und dass alles nur ein böser Traum sei. Sie nahm sich vor, noch gehorsamer und fleissiger zu sein. Auf jeden Fall musste sie Rachele sehen und ihr alles erzählen.

Ein frischer Luftzug strich vom Fenster her über Alma hinweg. Schemenhaft sah sie die Umrisse des Waschkrugs auf der Kommode am Ende des Bettes. Sie schloss die Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Almas Rom

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