Читать книгу Almas Rom - Patrizia Parolini - Страница 15
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Cristoforo stand auf einer hohen Brücke, die Sonne stach, ihm schwindelte, er hörte jemanden von einem Mörder sprechen, Sturmglocken läuteten, ihm wurde wärmer und wärmer. Schweiss brach aus, er schreckte auf, streckte die Hand aus und brachte den Wecker auf seinem Nachttisch zum Schweigen. Sein Herz klopfte heftig. Es war ein Uhr morgens. Das Monster mit dem Feuermaul verwandelte sich in die Madonnenstatue mit dem Kerzenstummel, die zwischen dem Fenster und der Durchgangstür zum salottino stand. Er strampelte das Bettlaken von seinem Körper und streckte Arme und Beine von sich. Er hatte kaum geschlafen und fühlte sich zerschlagen. Wie immer in den letzten Wochen. Die ganze Nacht hatte er sich verzweifelt hin- und hergewälzt, und jetzt war ihm, als sei er eben erst zu Bett gegangen. Kaum war er wieder halbwegs bei Sinnen, brach die ganze Bedrohung der vergangenen Tage wieder über ihn herein. Ah, der Arzt! Er schauderte. «E-sau-ri-men-to. Aufhören. Zurückkehren. Basta!», hörte er dessen feste Stimme. «Sonst bist du in drei Monaten tot.»
Tot, tot, echote es in seinem Kopf. Nein, es ist zu früh zum Sterben, versuchte er, schwach und voller Angst, dem Echo entgegenzuhalten. Zitternd quälte er sich aus dem Bett und zog sich an.
Anna drehte sich vom Rücken auf die Seite und murmelte etwas im Schlaf.
Sie ist gut gebaut und von robuster Gesundheit, dachte Cristoforo mit einer Mischung aus Stolz und Verzweiflung. Über dem Bett hing das holzgerahmte Hochzeitsfoto. Er war einunddreissig gewesen, Anna dreiundzwanzig. So jung damals! Er dachte an Alfredino, der mit eineinhalb Jahren viel zu früh gestorben war, an die kleine, süsse Amelia, auch sie, mit drei Jahren gegangen vor ihrer Zeit. Seither war das schüttere Haar an seinen Schläfen grau und die Stirn kahl.
Aber seine Anna war stark. Unermüdlich erledigte sie die endlose Hausarbeit, kümmerte sich liebevoll um die Erziehung der Kinder und half klaglos im Laden mit. Sie war gutmütig mit allen und umgänglich mit den Kunden. Selten wurde sie laut, nur dann, wenn jemand sie übers Ohr hauen wollte oder wenn die Kinder vor lauter Übermut gar nicht mehr gehorchten.
Traurig wandte sich Cristoforo ab. Er war müde. Müde in Kopf und Körper. Leise verliess er das Zimmer und schleppte sich in die Backstube hinunter, wo die Bäcker bereits mit der Arbeit begonnen hatten.
Als es dämmerte, strömten die Händler und die Bauern in die Grossstadt. Sie kamen von den Dörfern und den landwirtschaftlichen Gehöften ausserhalb der Stadtmauern. Auf den von Pferden gezogenen Gefährten stapelten sich Kisten und Körbe mit Gemüse und Früchten, Fisch- und Fleischwaren. Obenauf duftende Blumensträusse in allen Farben. Es begann mit dem Rattern der Karren auf der gepflästerten Strasse, dem Widerhall der Hufe zwischen den Häuserfassaden und den ersten Morgengrüssen, die bald in ein fröhliches Stimmengewirr übergingen. Die frühmorgendliche, fast heilige Stille verwandelte sich unversehens in das laute hektische Treiben der Marktfahrer.
In Cristoforos forno wurden die Brote der ersten Ofenbleche auf fahrbaren Kisten in den Laden gebracht, während einer der Kellner in der Bar nebenan die saracinesche – die Rollgitter – hinaufschob. Tiziano füllte die Regale, Cristoforo und der Verkäufer hetzten zwischen Ladentisch und Regal hin und her, streckten sich zu den obersten Tablaren und duckten sich zu den Körben am Boden. Pagnotte und pagnottelle, sfilatini, ciriole und cuscinetti, marchigiani und napoletani. Nach allem wurde verlangt. Clemente sass an der Kasse, auf einem Podest neben einer der drei weit geöffneten Flügeltüren, und tippte ununterbrochen. In der heissen Backstube arbeiteten die Bäcker mit Hochdruck, alle mit entblössten Oberkörpern. Sie brüllten und fluchten, während der Duft der frisch gebackenen Brotwaren auf die Strasse hinausströmte und auch Unschlüssige und Verspätete herbeilockte.
Nach diesem ersten Ansturm lehnte sich Cristoforo an den Türrahmen, sog die morgendlich kühle Luft ein und zündete eine Zigarette an. Es würde die einzige bleiben, nahm er sich vor, hatte ihm doch Dottor Venditti das Rauchen strikt verboten. Er rief den Zeitungsausläufer der Frühschicht herbei und wechselte einige Worte mit Vorbeigehenden. Immer wieder zwirbelte er seinen Schnurrbart nach oben. Sorgen und Beschwerden waren vorübergehend vergessen.
Später füllte Cristoforo ein Stoffbündel mit Brot. Wenn manchmal maritozzi übrigblieben, die weichen, mit Rosinen und Orangenschalenstückchen versehenen Brötchen, mit Rahm gefüllt und Zucker bestäubt, nahm er sie mit in die Wohnung, dann freuten sich die Kinder ganz besonders. Der lange Tisch im Esszimmer war gedeckt, Nazzarena hatte dampfenden Kaffee, Milch und heissen Kakao aufgetischt.