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aa) Die französische Konzeption der Gewaltenteilung
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Ausgangspunkt der post-revolutionären Errichtung eines Verwaltungsrechts ist die Bekräftigung des Grundsatzes der Gewaltenteilung und seiner „französischen“ Ausprägung. Diese ist bis heute für den Conseil constitutionnel (Verfassungsrat) Bezugspunkt für die Annahme eines von den Gesetzen der Republik anerkannten grundlegenden Rechtsprinzips: „In Anbetracht dessen, dass die Vorschriften der Art. 10 und 13 des Gesetzes vom 16. und 24.8.1790 und des Dekrets vom 16. Fructidor des Jahres III [2.9.1795], die das Prinzip einer Trennung von Verwaltung und ordentlicher Gerichtsbarkeit allgemein festgeschrieben haben, selbst keinen Verfassungsrang haben; dass aber dennoch entsprechend der französischen Konzeption der Gewaltenteilung zu den ,grundlegenden Rechtsprinzipien der Gesetze der Republik‘ auch das Prinzip gehört, dass mit Ausnahme der Sachen, die ihrem Wesen nach der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten sind, für die Aufhebung oder Veränderung von Entscheidungen, die die zur Ausübung exekutiver Gewalt berufenen Behörden, ihre Beamten, die Gebietskörperschaften der Republik oder solche öffentlichen Einrichtungen, die deren Befehlsgewalt oder Kontrolle unterworfen sind, in Ausübung der Vorrechte öffentlicher Gewalt getroffen haben, die Verwaltungsgerichte zuständig sind.“[8]
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Im Rahmen der Gewaltenteilung beschränkten die Revolutionäre die Rolle der Verwaltung auf den Vollzug der Gesetze. Sie verfügte daher nicht über eine eigene Rechtsetzungsbefugnis. Dennoch ist der aus der Trennung von Verwaltung und ordentlicher Gerichtsbarkeit resultierende Grundsatz, dass die Gerichte nicht über Streitfälle mit Bezug zur Verwaltung entscheiden dürfen, grundlegend für die Entstehung eines spezifischen Verwaltungsrechts. Obwohl das Gerichtsorganisationsgesetz vom 16. und 24.8.1790 in Art. 13 betont, dass „die Funktion der ordentlichen Gerichtsbarkeit und die Funktion der Verwaltung verschieden sind und immer getrennt bleiben“ und „die Richter unter Androhung von Strafe weder die Tätigkeit der Verwaltung in irgendeiner Weise stören noch die Verwaltungsbeamten wegen ihrer Amtsausübung vorladen dürfen“, will es der ordentlichen Gerichtsbarkeit keineswegs die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten entziehen; es soll sie vielmehr nur dazu anhalten, ihre rechtsprechende Funktion zu wahren, und ihr die Beteiligung an der vollziehenden Gewalt durch Vornahme von Verwaltungsmaßnahmen untersagen. Nichtsdestotrotz haben die historischen Umstände doch zu einem Entzug der verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten geführt: Das Gesetz vom 6., 7. und 11.9.1790 überträgt den gewählten lokalen Verwaltungsbeamten (administrateur locaux élus) die Zuständigkeit für zahlreiche Verwaltungsbeschwerden, und das Gesetz vom 7. bis 14.10.1790 behält dem König als Chef der allgemeinen Verwaltung „die auf die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörden gestützten Beschwerden“ vor. Auf Grundlage dieser Regelungen hat sich während des gesamten 19. Jahrhunderts die Idee einer französischen Konzeption der Gewaltenteilung entwickelt, nach der „das Richten über die Verwaltung immer noch Verwaltung ist“.[9]
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Die Anwendung dieses „Prinzips“ macht den Verwaltungsrechtsstreit zum bloßen Anhängsel der aktiven Verwaltung und lässt den Gedanken aufkommen, die Verwaltung sei (einzige) Richterin in eigener Sache. Anders ausgedrückt: Die Bedingungen und der Grad der Unterwerfung der Verwaltung unter das Recht ändern sich in einem Maße, das an Willkür grenzt. Ausgehend von dem genannten Prinzip wird daher ein Kompromiss angestrebt, der einerseits die Kontrolle der Verwaltung gewährleistet und andererseits ihre Handlungsfreiheit wahrt. Er führt zu einer weiteren Trennung innerhalb der Verwaltung selbst, nämlich jener zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und aktiver Verwaltung.[10]