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bb) Unterordnung und Unabhängigkeit

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Zwei Grundsätze, die auf den ersten Blick in einem paradoxen Verhältnis zueinander zu stehen scheinen, bestimmen die Stellung der öffentlichen Verwaltung in Frankreich: auf der einen Seite die Unterordnung der Verwaltung unter die Regierung, auf der anderen Seite die Unabhängigkeit der Verwaltung von der politischen Gewalt.

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Tatsächlich befindet sich die Verwaltung in einer untergeordneten Position, wie die Verfassung vom 4.10.1958 in Art. 20 deutlich zum Ausdruck bringt: „Die Regierung verfügt über die Verwaltung“. Sie dient den öffentlichen Interessen, die ihr zugleich von außen und von oben durch die politische Gewalt vorgegeben werden. Die Vorstellung, dass die Tätigkeit der Verwaltung alleine auf das allgemeine Interesse ausgerichtet ist, muss insoweit relativiert werden, als es sich um das allgemeine Interesse handelt, wie es hier und jetzt, in einem bestimmten historischen Kontext, in einem bestimmten Staat und in einem bestimmten politischen System, durch die im Amt befindliche Regierung definiert wird. Mit anderen Worten und abgesehen davon, dass die Bedeutung des Begriffs „Gemeinwohl“ variabel und flexibel ist, wird das Gemeinwohl, das die Grundlage des Verwaltungshandelns bildet, alleine von der politischen Gewalt bestimmt: Die einzelnen Gemeinwohlbelange hängen vom Willen der Regierenden ab; maßgeblich sind die Belange, für deren Übernahme sich die politischen Entscheidungsträger aussprechen. Dass die Verwaltung an der Vorbereitung und Durchführung dieser Entscheidung teilhat, ändert nichts daran, dass die Verwaltung unabhängig ist. Letzteres garantiert die Wirksamkeit der Verwaltung und erlaubt es ihr, ihre Fachkenntnisse bestmöglich einzusetzen. Das wird dadurch verstärkt, dass die öffentlichen Bediensteten wie alle Bürger an einem System des Freiheitsschutzes teilhaben, zu dessen wesentlichen Inhalten die Meinungsfreiheit gehört. Auch das Konzept eines dem Leistungsprinzip verpflichteten öffentlichen Dienstes begünstigt die Verwirklichung dieser Unabhängigkeit.

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Auch wenn ein Ausgleich zwischen den Prinzipien der Unterordnung und der Unabhängigkeit nicht ausgeschlossen ist, gibt es doch verschiedene Ansätze, diese Prinzipien in Frage zu stellen. So wird das Prinzip der Unterordnung praktisch beschränkt durch die Einmischung von Verwaltungsangehörigen in die Politik (starke Repräsentation in Parlament und Regierung, Präsenz in den Ministerialkabinetten), durch die zunehmende Ausweitung administrativer Rechtsetzungsbefugnisse und durch die Entwicklung unabhängiger Verwaltungsbehörden, die gerade darauf zielen, sich dem Zugriff der gewählten Organe zu entziehen.[21] Die Politisierung des höheren öffentlichen Dienstes und die Entwicklung eines französischen Systems der Ämterpatronage tragen zusätzlich zur Relativierung des Prinzips der Unabhängigkeit bei. Vor diesem Hintergrund und infolge ihrer Aufgaben, die sie innerhalb des rechtlich definierten Rahmens erfüllen muss, ist die öffentliche Verwaltung keineswegs souverän.

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