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aa) Öffentliche Gewalt, Gesetzmäßigkeits- und Verantwortlichkeitsprinzip
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Das Verwaltungsrecht verleiht den Verwaltungsbehörden wichtige Befugnisse (la puissance publique), die es ihnen ermöglichen, das allgemeine Interesse zu befriedigen (le service public). Aus diesem Grund scheint es einer richterlichen Wendung nach „vernünftiger- und gerechterweise unmöglich, den Staat mit einem einfachen Individuum gleichzusetzen“.[25]
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Das Verwaltungsrecht ist für den Betrachter ein Recht der Ungleichheit und der Vorrechte. Die Verwaltung verfügt über Immunitäten, die sie vor bestimmten Angriffen schützen. So unterliegt die Verwaltung nicht der Kontrolle der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Auch ist die Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeschlossen. Überdies und vor allem genießt die öffentliche Verwaltung Vorrechte. Bei diesen handelt es sich um Mittel, die ihr an die Hand gegeben sind, um das allgemeine Interesse zu befriedigen, darunter die Befugnis zu einseitigem Handeln (pouvoir d’action unilatérale), Befugnisse im Zusammenhang mit dem Vollzug von Verwaltungsverträgen und die Befugnis zur Verwaltungsvollstreckung (pouvoir d’exécution forcée). Immunitäten und Privilegien sind es, die für die Verwaltungsgewalt charakteristisch sind und sie von Einzelnen unterscheiden. Diese Gewalt, die als solche gerichtlich nicht angreifbar ist, muss relativiert werden aufgrund der Entwicklung von Verfahren und Techniken, die dem Konsensprinzip, das eigentlich für privatrechtliche Beziehungen charakteristisch ist, nahestehen. Jedenfalls führt die Stellung der Verwaltung nicht dazu, dass sie dem Recht entzogen ist: Die Befugnisse werden vielmehr im Rahmen der Rechtsnormen ausgeübt, die die Freiheitsrechte vor der Willkür der Verwaltung schützen.
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Das Verwaltungshandeln ist tatsächlich ständig von gerichtlicher Kontrolle „bedroht“. Diese ist jederzeit möglich, weil jeder Betroffene Maßnahmen, die die Befugnisse einer Behörde überschreiten, gerichtlicher Kontrolle unterwerfen kann. Die Verwaltung ist zudem verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen tätig zu werden, wenn dies für die Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich ist; auf der Grundlage des Gesetzmäßigkeitsprinzips (principe de légalité ou juridicité) muss sie dabei entsprechend den unterschiedlichen Bestimmungen der Rechtsordnung handeln und den Schutz der rechtlich eingeräumten Grundrechte gewährleisten. Wenn ein Regelverstoß zu einer Sanktion führt, ist der durch die Verwaltung verursachte Schaden zu ersetzen. Die Entwicklung des Gesetzmäßigkeitsprinzips geht einher mit der zunehmenden Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung. Heute ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichkeit der öffentlichen Gewalt umfassend ist: Jede juristische Person des öffentlichen Rechts ist für jede ihrer Tätigkeiten verantwortlich. Dennoch gilt das Prinzip der Verantwortlichkeit der öffentlichen Gewalt nicht absolut. Es bedarf vielmehr eines Ausgleichs zwischen den unterschiedlichen Anforderungen an das Verwaltungshandeln – darunter die Verpflichtung auf das allgemeine Interesse, das Grundlage des Verwaltungshandelns ist. Aus diesem Grund enthalten die einzelnen Rechtsregime meist komplexe Regelungen über das Verhältnis zwischen der Verwaltung, den Beamten und den Betroffenen.[26]