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6.

BJO BREISKOLL

»Nur diese eine kurze Begegnung«, sagte Osmund Solemani. »Und dann war der Geist weg.«

Sie saßen einander an einem runden Tisch gegenüber, dessen Platte schwarz poliert war. Darüber drehte sich ein Holo, das nach Oberleutnant Solemanis Erinnerungen gestaltet worden war.

»Ein Geist. Soso.« Perry Rhodan schloss kurz die Augen und atmete durch. Dann sah er Osmund Solemani wieder an. »Oder doch nur jemand, der durch Wände gehen kann?«

»Äh. Ja. Richtig.« Der Oberleutnant nickte unbehaglich und starrte auf das Holo eines alten Mannes. »Der durch Wände gehen kann. Sonst keine Geisterähnlichkeit. Glaube ich.«

»Für Holos stellen Wände ebenfalls kein Hindernis dar. Bist du sicher, dass du kein Holo gesehen hast? Dass deine Nerven dir keinen Streich gespielt haben?«

»Vollkommen sicher.«

»Die Aufzeichnungsgeräte deines SERUNS waren desaktiviert, weil du ein paar Minuten für dich allein sein wolltest. Ich muss nicht eigens darauf hinweisen, dass das vollkommen verantwortungslos und leichtsinnig war, oder? Und ausgerechnet in dieser Situation taucht dieser ... Geist auf?«

Nun wirkte Solemani empört. »Was kann ich dafür?«

»Das ist die entscheidende Frage. Verrückt bist du jedenfalls nicht. Ebenso wenig in einer Weise beeinflusst, die wir bemerken könnten. Albertina Barré hat dich untersucht. Es gab keinen Hypnoblock, keine biochemische Störung, keine Nanomaschinen. Nichts. – Kam dir der Mann bekannt vor?«

Solemani schüttelte den Kopf. »Dir?«

»Jedenfalls erkenne ich ihn in deinem Holo nicht.« Rhodan lächelte knapp. »Ich habe nur deswegen gefragt, weil es sein könnte, dass du familiäre oder persönliche Verluste durch unseren Zeitsprung verarbeitest. So haben es mir jedenfalls Psychologen gesagt. Aber auch, dass du dafür im Grunde nicht der Typ bist.«

»Schön zu wissen. Aber was war es dann, was ich gesehen habe?«

»Mir sind in meinem Leben etliche Wesen begegnet, die durch Wände gehen können. Nur haben sie hier nichts zu suchen, und sie sehen dem alten Mann dort auch nicht im Mindesten ähnlich. Bist du dir sicher, dass es sich um keine aktive Kontaktaufnahme handelte?«

»He, Perry, ich bin zwar nicht als Erstkontakter oder so was ausgebildet, aber ich erkenne, wenn jemand etwas von mir will. Nein, es wirkte nicht, als wäre ich irgendwie interessant für den alten Mann. Geist. Was auch immer.«

Rhodan winkte. Schwaches weißes Licht kam von der Decke und ersetzte den blauen Lichtschein des Holos. »Entweder wirkt bei dir eine Form von Beeinflussung, die wir nicht erkennen – oder du sagst die Wahrheit. Meiner Meinung nach trifft die zweite Möglichkeit zu. Aber ich habe keine Ahnung, was sie zu bedeuten hat.«

Solemani atmete tief durch, seine breiten Schultern fielen ein Stückchen nach vorne. Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen. Bis gerade eben schien er davon ausgegangen zu sein, dass niemand ihm glaubte.

Er selbst zweifelte offenbar bereits genug. Und auch das war ein Mosaiksteinchen, das Rhodan darin bestärkte, ihm zu glauben.

»Danke.«

»Nichts zu danken. Wenn dir etwas einfällt ...«

»Klar.« Osmund Solemani stand auf. »Ich nehme an, ich soll mich wieder in die Medoabteilung begeben?«

Unwillkürlich musste Rhodan grinsen. »Ja, sofern du dich krank fühlst oder gerne mit Albertina plaudern möchtest. Ansonsten eher nicht. Du bist so gesund wie irgendwer.«

Der Oberleutnant wusste offenbar nicht, wann er sich auf einen Scherz einlassen durfte. Jedenfalls nicht, wenn der unsterbliche Perry Rhodan diesen Scherz gemacht hatte. »Mit Albertina plaudern. Gute Idee.«

Mit steifen Bewegungen verließ er den Besprechungsraum.

Perry Rhodan ging zurück in die Zentrale.

»Hast du etwas Genaueres herausbekommen?«, fragte Farye.

»Es war jedenfalls kein Geist. Deswegen müssen wir aufmerksam bleiben. Von Geistern droht keine Gefahr. Aber die Lebenden ...«

Ein kurzer, lauter Alarmton erklang.

»Ein schiffsinterner Zwischenfall«, erklang OXFORDS unaufgeregte Stimme. »Roter Alarm.«

»Was genau ist geschehen?«

»Eine Entführung«, antwortete OXFORD, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, wenn jemand aus einem Raumschiff im Nirgendwo verschwand. »Ich stelle durch.«

Ein Gesichtsholo von Siad Tan erschien. Die Kosmopsychologin war derzeit in erster Linie für die Betreuung Zemina Paaths zuständig.

»Ich habe so etwas noch nicht erlebt«, sagte die Frau mit rauer Stimme. »Wenn ich nicht wüsste, dass es so etwas nicht gibt, würde ich sagen, Zemina Paath ist von einem Geist entführt worden.«

*

Perry Rhodan und Farye standen in der Kabine, die Zemina Paath bewohnt hatte. Auf dem Bett saß Siad Tan, daneben hockte wie ein gewaltiger achtbeiniger Frosch mit Raubtiergebiss und Facettenaugen ihr Okrill Phylax.

»Es ist ganz allein meine Schuld ...«, sagte die Oxtornerin leise und rieb sich das Kinn.

»Davon kann keine Rede sein. Als Kosmopsychologin weißt du das im Grunde auch. Trink erst einmal etwas.« Farye reichte ihr einen Humpen mit stark gesüßtem Tee aus Rinturablättern, wie sie auf Oxtorne geerntet wurden. Pur wäre ein Gebräu daraus nichts weiter als bitter gewesen, aber durch den Zucker reagierte der Sud und wurde zu einem Beruhigungs- und Stärkungsmittel für bestimmte umweltangepasste menschliche Völker, allen voran Oxtorner und Ertruser. Bei Terranern verursachte er hingegen Schwindelgefühle und Würgereiz, bei Siganesen sogar Durchfall. Perry Rhodan hatte Rinturatee einmal anlässlich eines Staatsbesuchs auf Oxtorne getrunken und vermied das Getränk seitdem erfolgreich.

Siad Tan nahm den Tee sehr gerne an und stürzte ihn herunter. Phylax warf ihr einen anklagenden Blick zu. Auch Okrills schienen ihn zu mögen.

»Okay, also alles von vorne!«, forderte Rhodan.

»Ich hätte in Zeminas Kabine bleiben sollen. Aber es gab keine Anzeichen für eine Gefährdung ... oder?«

Rhodan schüttelte den Kopf. »Keine. Was genau hat sich zugetragen?«

Die Oxtornerin tätschelte den mächtigen Schädel ihres Okrills, der gerade mit den Klauen seines rechten Vorderbeins die Bettdecke bearbeitete. Rrrritsch, riss der Stoff, und Phylax legte fragend den Kopf schief, als verstünde er gar nicht, dass das hatte passieren können.

»Ich habe Zemina Paath begleitet, ganz wie es meine Aufgabe war. Ich blieb an ihrer Seite, ob sie nun in der Zentrale mit dir sprach, durch das Schiff streifte oder einfach nur dasaß. Ich habe selten jemanden getroffen, mit dem ich so gut gemeinsam schweigen konnte.«

»Ihr habt euch nicht über ihre Herkunft oder ihre Ziele unterhalten?«, fragte Farye Sepheroa.

»Ich wurde nicht zur Befragung abgestellt, sondern zur Betreuung und allgemeinen Einschätzung«, antwortete Siad Tan barsch. Farye schien sie an einem empfindlichen Punkt getroffen zu haben. »Wenn sie reden wollte, war ich für sie da.«

»Und wie genau ist sie nun verschwunden?«, brachte Rhodan sein Gespräch wieder auf Kurs. Seit dem Alarm waren schon über zehn Minuten vergangen, und es gab keine Spur der Verschwundenen.

»Zemina wollte sich zur Ruhe begeben, das ist etwa zwei Stunden her. Ich habe ihren Raum kontrolliert, nichts Auffälliges. Ihr Koffer stand in der Ecke, ungeöffnet und inaktiv.«

»Nennen wir ihn lieber Paau, solange wir nicht mehr über ihn wissen«, tadelte Rhodan mild. Er selbst war oft genug in Versuchung, diese Bezeichnung zu verwende. »Er ist jedenfalls mehr als ein Gepäckstück.«

»Also schön, ihr Paau«, verbesserte Tan. »Jedenfalls stand er inaktiv in einer Ecke. Es gab nichts, das mich hätte beunruhigen können. Nachdem ich den Schutzschirm eingeschaltet hatte, ging ich in meine Kabine nebenan und meditierte.« Sie schnaufte. Ihr schmales, schönes Gesicht verzog sich. »Ich habe nicht einmal geschlafen, nur meditiert. Als der Überwachungsalarm erklang, war ich sofort am Monitor.«

Phylax gähnte laut und entblößte dabei seine messerscharfen Zähne.

»Vor der Kabine stand ein halb durchscheinender, bläulich schimmernder Mann in fortgeschrittenem Alter. Es sah aus, als hätte er gerade den Schutzschirm abgeschaltet. Dann ging er durch die Wand. Ich verließ sofort meine Kabine und eilte hinüber, aber da war es schon zu spät.«

Wieder gähnte Phylax und kratzte sich dann mit einem langen, muskulösen Hinterbein hinter dem Kopf. Tans Blick glitt zur Wand, wo das Metall seltsam eingebeult wirkte und ein schwarzer Fleck prangte.

Perry Rhodan hatte es bereits beim Eintreten bemerkt und wusste, worum es sich handelte: Der Okrill musste mit seiner Zunge nach dem Eindringling geschlagen haben. Die Zunge des oxtornischen Raubtiers konnte im Umkreis von acht Metern wie eine Peitsche treffen und dabei elektrische Schläge verteilen, die – wie hier – sogar Terkonitstahl zum Schmelzen brachten. So gesehen waren Klauen und Zähne des Okrills die geringste Gefahr, die von dem Tier ausging. Zumindest, solange man sich nicht in den Nahkampf begab.

»Präzisiere das bitte«, forderte Farye die Kosmopsychologin auf. »Beschreib uns, wie du das alles erlebt hast. Das Holo können wir uns nachher noch einmal ansehen. Aber deine Eindrücke sind jetzt noch frisch.«

»Zemina Paath kauerte in meditierender Haltung in einer Nische ihrer Kabine. Dieser seltsame alte Mann hatte sich über sie gebeugt und berührte sie gerade an den Schultern, als Phylax und ich hereinkamen. Phylax ließ seine Zunge auf den Alten zuschnellen, aber da verschwammen er und Paath bereits vor meinen Augen. Ich konnte keine Konturen mehr erkennen, die Körper der beiden waren wie von einem Weichzeichner gemalt.«

»Und die Zunge fuhr hindurch?«, vergewisserte sich Farye.

Tan nickte. »Nicht nur sie. Ich war keine Sekunde später direkt an der Nische und griff nach den beiden, aber auch meine Hände fuhren ins Leere. Ich spürte nichts, nicht einmal einen energetischen Schauer. Der Greis sah mich lediglich mit einem leeren Blick an. Er wirkte hoch konzentriert, aber auch irgendwie schadenfroh.«

»Wie reagierte Phylax? Kam er dir zu Hilfe?«

»Das ist das Seltsame: Er war nach seinem fehlgeschlagenen Angriff ruhig und tat gar nichts mehr. Als könnten wir auf die Entwicklung keinerlei Einfluss nehmen und er hätte bereits mit der Entführung abgeschlossen.«

»Er ist oft phlegmatisch und gleichgültig«, warf Farye ein.

Phylax gähnte wieder und drehte den Kopf, bis er in Faryes Richtung wies. Dann schnaubte er. Es klang wie ein Pistolenschuss.

Tan verteidigte ihren Okrill. »Wenn ich ihn brauche oder gar in Gefahr gerate, ist er der schnellste Okrill, den ich kenne.«

Rhodan hatte keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln. Er kannte das besondere Verhältnis zwischen Oxtornern und ihren Okrills. Auf tausend Oxtorner kam einer, der zu einem Okrill ein besonderes Verhältnis aufbauen konnte. Die beiden verschmolzen auf nach wie vor wissenschaftlich nicht zufriedenstellend geklärte Weise zu einem Team. Welche Faktoren dazu beitrugen, war bestenfalls ansatzweise validiert. Ein derartiges Team blieb unauflösbar bis zum Tod eines der Partner verbunden, wie die beiden Seiten einer Münze.

Siad Tan machte einen tiefen Atemzug, wie es Oxtorner alle ein bis eineinhalb Minuten taten. »Ich beobachtete, wie die Geistergestalt und Zemina aus der Realität verschwanden. Nach einigen Sekunden waren sie weg.«

»Aber es war keine Teleportation?«, bohrte Farye nach.

»Jedenfalls keine im herkömmlichen Sinne. Hier, sieh dir die Aufzeichnung an!« Tan rief die Holowiedergabe auf.

Perry Rhodan und Farye betrachteten die Szene: Alles war exakt so, wie die Oxtornerin es beschrieben hatte. Ihr besonderes Augenmerk richteten die beiden dabei auf das Verschwinden des alten Mannes.

Er verschwindet aus der Realität, dachte Rhodan. Das hat Siad Tan völlig zutreffend so beschrieben.

Alles, das der alte Mann tat, wirkte langsam und träge. Es wirkte, als versickerte er aus der Wirklichkeit.

Eine kurze Nachricht traf ein. Farye rief sie über den Kommunikator an ihrem Handgelenk ab. »Bestätigt. Die Holoaufzeichnung zeigt denselben Mann, den auch Oberleutnant Solemani gesehen hat.«

Rhodan nickte. »Ist das Einsatzteam bereits unterwegs?«

»Die Shifts sind unterwegs. Sie werden in ... Moment ... in zwei Minuten den Zugang zur HEROLD erreichen. Diesmal mit schwerem Gerät, zwei Dutzend Einsatzkräften und ebenso vielen TARAS.«

»Ausgezeichnet. Ich wette, er wird Paath an Bord des Schiffs bringen. Dort werden wir ihn stellen. Er muss zumindest einige materielle Phasen haben, sonst hätte er weder den Schutzschirm desaktivieren noch Paath berühren können. – OXFORD, halt uns über alles auf dem Laufenden, was an Bord der HEROLD vor sich geht!«

»Alles, was mich an Nachrichten erreicht«, bestätigte die Bordpositronik.

Rhodan rief noch einmal das Holo auf, das die Entführung zeigte. »Isolier den Alten, maßstabsgerecht vergrößern, hierher in den Raum damit. Ich will ihn mir genauer ansehen.«

OXFORD bestätigte nicht, sondern projizierte umgehend das gewünschte Holo.

Der alte Mann war etwas kleiner als Rhodan, maß vielleicht einen Meter und siebzig. Auffällig waren der weiße Haarkranz und die buschigen Augenbrauen sowie die zahlreichen Falten an Hals und Händen. Er stand leicht gebückt da und trug ein dunkelblaues, wallendes Gewand mit ausgefransten Rändern, als legte er nicht besonders viel Wert auf den Erhalt seiner Kleidung. Die Füße steckten in grellroten Stiefeln mit einer Metallkappe am spitz zulaufenden Zehenteil.

»Den Datenbanken ist er vollkommen unbekannt«, sagte OXFORD.

»Mir auch«, gab Rhodan mit Bedauern zu. Irgendwie hatte er seit Solemanis Bericht die irrationale Hoffnung gehegt, bei dem Alten könnte es sich um eine Projektion von ES gehandelt haben. Aber der Alte, der Wanderer, die Superintelligenz, der Mentor Rhodans und der Menschheit, war nicht mehr da und würde vielleicht nie mehr zurückkehren.

»Gab es weitere Reaktionen auf die Desaktivierung des Schutzschirms?«, fragte er.

»Selbstverständlich«, antwortete die Bordpositronik.

»Ich habe umgehend das Personal der zuständigen Überwachungszentrale angesprochen und zeitgleich drei TARAS zu Zemina abkommandiert.«

»Sie sind kurz nach dem Verschwinden des Alten aufgetaucht«, bestätigte Siad Tan, an deren Bein sich Phylax gerade zusammenrollte, als wollte er ein Schläfchen machen.

»Zeig uns noch einmal das Überwachungsholo!«, forderte Rhodan. »Kurz vor Desaktivierung des Schutzschirms. Beginne vor der Kabine und blende dann über ins Innere, sobald der Alte durch die Wand geht.«

Eine Zeitanzeige flimmerte durch die Aufzeichnung. Ihr zufolge hatte der ganze Spuk nicht länger als eine Minute gedauert.

»Das war beeindruckend präzise, findet ihr nicht?« Rhodan sah von Tan zu Farye. »Er bewegte sich vollkommen zielgerichtet, als wüsste er ganz genau, was zu tun war.«

»Was ist, wenn er und Zemina Paath zusammenarbeiten?«, fragte Farye.

»Ich hatte denselben Gedanken«, antwortete Rhodan. »Die Frau hat ihre Geheimnisse, einige sogar vor sich selbst, wenn sie uns die Wahrheit gesagt hat.«

Siad Tan räusperte sich. »Würde sie verschwinden, ohne den Paau mitzunehmen? So, wie ich sie kennengelernt habe, wohl nicht.«

Rhodan drehte sich zu dem Paau um. »Da stimme ich dir zu.«

»Ja, das würde sie nicht«, bestätigte auch Farye. »Der Paau ...«

»Achtung!«, unterbrach OXFORD. »Ich messe hochenergetische Aktivitäten an Bord der GAMARAM HONAMS HEROLD an. Das Schiff setzt sich in Bewegung.«

»Was ist mit unseren Shifts?« Rhodan war sofort in Gedanken bei dem Einsatztrupp.

»Sie haben den Raumer nicht rechtzeitig erreicht. Alle sind wohlauf.«

»Sollen wir die HEROLD verfolgen?«, kam Ninasomas Stimme über den Lautsprecher. Der Kommandant hatte sich durch OXFORD von den Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten.

»Schieß ihr vor den Bug!«, rief Farye. »Ehe sie verschwindet!«

»Das halte ich für keine gute Idee. Der Entführer könnte ... nervös werden.«

»Egal! Er entführt niemanden, um ihn dann umzubringen.«

»Nicht schießen! Beschleunige, damit wir die HEROLD einholen. Die Shifts sollen an Ort und Stelle bleiben. Wir nehmen sie wieder auf, sobald wir Zemina befreit haben.«

»Das ist nicht dein Ernst!« Farye wurde rot. »Wir lassen unsere Einsatzkräfte hilflos zurück, statt dieses wehrlose Schiff zu stoppen?«

»Von wehrlos kann keine Rede sein. Aber wir werden nicht einfach drauflosballern, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Ich verstehe dich sehr gut, Perry. Du horchst mal wieder in dein Inneres. Deinen Instinkt, dein Gefühl. – Atlan hätte die HEROLD bereits lahmgeschossen.«

»Ich bin aber nicht Atlan.«

Siad Tan hob eine Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. »Sowohl Atlan als auch dein Großvater leben noch, und das nach vielen Tausend Jahren. Es führen beide Wege zum Ziel.«

Rhodan verkniff sich jedes weitere Wort. Die Kosmopsychologin hatte vielleicht nicht den besten Zeitpunkt ausgesucht, aber mit jedem Wort recht gehabt. Viel zu oft hatten Menschen die Handlungsweisen von ihm und Atlan verglichen, diskutiert und auseinanderdividiert. Aber Tatsache war nun einmal, dass er und Atlan unterschiedlich in der Vorgehensweise, aber einheitlich im Ziel waren. Das mussten sie beide ebenso akzeptieren wie alle anderen, Perry Rhodans Enkeltochter eingeschlossen.

»Die HEROLD hat 59,6 Prozent Lichtgeschwindigkeit erreicht«, meldete OXFORD.

»Und wir?«, fragte Farye schnell.

»40,2 Prozent.«

Zu spät. Rhodan schloss die Augen und wartete auf die Meldung, die nun kommen musste.

»Die HEROLD ist transitiert«, meldete OXFORD.

»Haben wir sie in der Ortung?«

»Problemlos«, antwortete die Schiffspositronik. »Der Sprung ging über knapp vier Lichtjahre.«

»Hinterher!«, befahl Farye.

»Augenblick«, sagte Rhodan, den sein Bauchgefühl warnte. »War das alles, was du anmessen konntest?«

»Nur eines, aber das ist durchaus interessant. Unmittelbar vor dem Sprung gab es eine energetische Spitze, die nicht zum Rest der Messungen passte. Wenn wir sie nicht als Fehler herausrechnen, lässt sich ihr eine bestimmte Bedeutung zuordnen.«

»Mach's nicht so spannend, OXFORD!«, forderte Rhodan.

»Meiner Meinung nach sollte die Transition lediglich die Aktivierung eines Transmitters übertünchen. Wer immer an Bord war, hat unmittelbar vor dem Sprung das Schiff verlassen.«

*

Keine fünf Minuten später befanden sich Rhodan und Farye wieder in der Zentrale. Auch Solemani war dort eingetroffen, nachdem er kurz über die Vermutung in Kenntnis gesetzt worden war, dass der gefundene Transmitter aktiviert worden sein könnte.

»Minimal zwei, maximal fünf Lichtjahre«, behauptete Osmund Solemani. »Das ist die Reichweite des Transmitters, den ich gesehen und untersucht habe.«

»Wie kannst du dir so sicher sein?«, fragte Farye.

»Ich beschäftige mich seit meiner Rückkehr mit nichts anderem als der Funktionsweise dieses verdammten Dings. Möchtest du, dass ich dir Details zur Anwendung des Eherngesetzes oder die Vierte Dissonanzenergetische Gleichung erzähle? Oder über die Transdegressiven Spannungsregeln?«

»Nein, Osmund. Aber ich will Sicherheit haben. Hat OXFORD deine Ansätze gecheckt und gegengecheckt?«

»Die Positronik ist gerade an der Arbeit. Ich erwarte die Ergebnisse in der nächsten halben Stunde.«

Farye sah zu Ninasoma, der den Kopf schüttelte. »Wenn OXFORD derart lange rechnet, kann das nur bedeuten, dass er sich der Ergebnisse nicht sicher ist.«

»Gehen wir also vorläufig davon aus«, mischte sich Rhodan in die Unterhaltung ein, »dass Osmund recht hat und unser Geist gemeinsam mit Paath den Transmitter benutzt hat. Und dass er nicht von einem Raumschiff zu einem anderen flieht, sondern direkt in ein bewohntes Sonnensystem. – Wie viele Zielgebiete kommen infrage?«

»Zwölf Sonnensysteme. Liste folgt«, antwortete OXFORD.

Farye seufzte. »Wie gehen wir vor?«

Ninasoma lachte leise auf. »Ich überwache den Einschleusungsvorgang unserer Shifts und lasse unser Team per Fernmessung Informationen über die HEROLD sammeln, ob sie weiterfliegt, wie ihre energetische Signatur ausfällt und alles andere. Solemani unterstützt mich dabei und tritt in Dialog mit OXFORD, sobald Fragen zum Transmitter aufkommen. Du, Farye, sichtest die Unterlagen zu den Sonnensystemen, und Perry ...«

»Ja?« Rhodan hob den Blick zum Kommandanten.

»Ich wette, du hast bereits etwas vor.«

»Wie hast du das nur erraten?«

Solemani sah verblüfft von einem zum anderen. »Ist hier jemand Telepath?«

Farye grinste. »Du kennst Perry eben noch nicht so gut.«

Perry Rhodan erhob sich. »Ich werde eine Unterhaltung mit einem Möbelstück führen. Ich möchte wissen, ob der Paau etwas zur Entführung seiner Besitzerin zu sagen hat.«

*

»Das Feuer entflammte und brannte,

von Stern zu Stern.

Die Menschheit entfloh und rannte,

von Stern zu Stern.

Die Nachricht flog weit und davon,

von Stern zu Stern.

Vom weitesten Rand zum Sternenbaron,

von Stern zu Stern.

Retten konnte sie nichts weit und breit,

Nur Feuer brennt am Ende der Zeit:

Das Sternenweh nahm seinen Lauf,

Und löschte mit Feuer die Menschheit aus.«

aus: Chroniken der Zuflucht:

Gesänge des Untergangs

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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