Читать книгу Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1) - Perry Rhodan - Страница 93

Оглавление

10.

Honams Verborgenheit: Die Ruine

»Das ist unglaublich«, sagte Climba Ossy-Benk, wie sie es in beinahe jedem Raum getan hatte.

»Ja«, pflichtete Okeno ihr bei, und auch diese Antwort war mittlerweile wie eine lieb gewonnene Gewohnheit.

Sie drehten sich im Kreis, um das Zusammenspiel der einzelnen Elemente dieses Saals zu begreifen – und scheiterten bei allem, was über eine grobe Zuordnung hinausging.

Unter der kuppelförmigen Decke, die mit lichtschluckender Farbe bestrichen schien, lief ein mannshohes türkisfarbenes Band mit gelben Symbolen, die den beiden Wissenschaftlern vollkommen unbekannt waren. Darunter spannen sich Drähte oder Seile, die von verkapselten Aggregaten verbunden wurden.

Ein Spinnennetz mit Kokons, dachte Climba, die sich an Bilder aus dem Sichtraum erinnerte und versuchte, eine Analogie zu finden, die ihr das Verständnis dieser Anlage erleichterte. Aber sie fand nichts außer diesem Bild.

»Da oben könnten Aufnahmen projiziert worden sein«, vermutete Okeno.

»Warum sollten sich die Erbauer aber den Blick durch diese Kokons verbauen?«, hielt Climba dagegen. Nichts, was sie sah, erschien ihr vollkommen schlüssig.

Dreizehn Halbsäulen trugen die Kuppel, und jede war mit kleinen Laibungen und Balkonen versehen, zu denen es allerdings keinen erkennbaren Zugang gab. Waren das Beobachtungslogen? Oder war darin etwas aufbewahrt worden, wie in einem Archiv?

Climba betrachtete den Boden genauer. Auch er war schwarz, jedenfalls in einem sechs Meter breiten Außenkreis. Diesem schloss sich ein nachtblauer und diesem ein grauer Kreis an, der den wiederum schwarzen, drei Meter durchmessenden Mittelpunkt umschloss. All das überzog ein Netz aus silbernen Drähten, die in das Material – Metallplast, wenn sie sich nicht täuschte – eingelassen war. Wozu dienten sie?

»Weiter!«, sagte Okeno. »Ich habe alles aufgezeichnet und vermessen.«

Climba seufzte. »Es ist zu schade, dass sich uns die Geheimnisse dieser Anlage nicht sofort erschließen.«

*

Sie gingen weiter durch das Observatorium, von Raum zu Raum. Eine Halle wie die gerade besuchte fanden sie zwar nicht, aber Climba schien überall etwas Neues zu entdecken, das ihr rätselhaft vorkam. Nach der ersten Scheu vor dem Neuen genoss sie nun immer stärker den Zauber des Augenblicks.

Schließlich kehrten sie wieder in die zentrale Halle zurück und sichteten die Aufnahmen grob.

»Das ist keine Form der Technik, wie wir sie kennen oder benutzen«, sagt Climba mit heiserer Stimme. »Sie ist älter, sehr viel älter.«

Okeno nickte abwesend. »Wenn du dir das alles im Vergleich anschaust, bemerkst du Hinweise, die ein Bild der Schöpfer dieser Anlage ergeben. Sieh nur: Um die Geräte zu bedienen, braucht man sechs bis sieben Finger, vermutlich sogar mit zwei Daumen. Und wenn sie die gleichen Proportionen wie Menschen hätten, wären sie im Schnitt mindestens zwanzig Zentimeter größer als wir.«

»Wir wissen, dass es außerhalb von Honams Verborgenheit unzählige Völker gegeben hat.« Climba bemühte sich, nüchtern und pragmatisch zu erscheinen. An Okenos Blick bemerkte sie, dass es ihr völlig misslang. Trotzdem machte sie weiter. »Wir hatten immer schon die Vermutung, dass die Unbekannten Forschungsstationen errichtet hatten, um unsere Welt zu erforschen.«

»Jaja.« Okenos Blick irrte bereits wieder ab. »Sieh mal dort! In der untersten Loge der Säule dort! Sieht das nicht wie ein Einschaltknopf aus? Haben wir den vorhin nicht beachtet?«

Sie lächelte. »Doch. Aber wir wollten nichts anfassen«, erinnerte sie ihn. »Und warst nicht du selbst es, der gesagt hat, dass wir keine vorschnellen Analogien bilden sollten?«

»Richtig. Aber ...« Er steckte sein Aufzeichnungsgerät wieder ein und ergriff sie am Arm. »Was haben wir zu verlieren?«

»Unser Leben?«, schlug sie vor. »Wenn hier etwas schiefgeht, hat uns das Triumvirat im Nullkommanichts am Schlafittchen.«

»Schlafittchen?«, wiederholte er und zog sie weiter. »Dein Wortschatz antiker Begriffe irritiert mich immer wieder.«

Dann waren sie an der Säule. »Die gebührt die Ehre, es zu versuchen«, bot er an.

»Keinesfalls«, lehnte Climba ab und dachte an Melstein, der so ganz anders, so erdig und solide war, nicht luftig und sprunghaft wie Okeno.

»Dann nicht«, sagte Okeno mit einer Fröhlichkeit, die sie beinahe erschreckte, und drückte auf den Knopf.

*

Zunächst geschah nichts.

Climba Ossy-Benk schloss die Augen und atmete tief durch. »Was hast du dir ...?«, begann sie, brach aber ab, als sie unter ihren Füßen ein Vibrieren spürte. Es war nur ganz leicht. Bildete sie es sich nur ein?

»Sieh doch!«, flüsterte Okeno.

Sie öffnete die Augen und blickte automatisch in die Mitte des Saals: Dort glitt das schwarze Mittelstück wie eine Irisblende auseinander. Ein schwarzer Zylinder fuhr langsam empor, der das Rund vollkommen ausfüllte. Er schob sich fünf Meter in die Höhe, dann endete die Bewegung.

»Was ist das?«, flüsterte sie.

Okeno zuckte die Achseln. »Eine Sensation.«

Als Nächstes öffnete sich der Zylinder wie eine Blüte und enthüllte den Zapfen, den er bisher verdeckt hatte. Summend hob sich der Zapfen und schwenkte von oben nach unten und wieder zurück wie an einem Gelenk. An seiner Spitze wurde ein in sich gedrehtes metallisches Gebilde sichtbar.

Die Blütenblätter bildeten nun so etwas wie Rampen, über die sich der Sockel des Zapfens erreichen ließ.

»Lass uns herangehen«, schlug Climba vor.

Vorsichtig näherten sich die beiden Wissenschaftler dem Gebilde und gingen eine Rampe hoch. Sie streifte mit den Fingern über den Ansatz des riesigen Zapfens. Er ähnelte jenen, die sie in den anderen Observatorien in Rumpfform entdeckt hatten. Bislang hatten sie es bloß geahnt, nun hatten sie Sicherheit: Der Zapfen war das Futteral eines Bohrkopfs. Das Bohrinstrument ragte über ihnen hoch, es hatte einen Durchmesser von mehr als einem Meter. Rings um den Kopf zeigten sich Düsen feiner Abstrahlöffnungen. Vermutlich gehörten sie zu Präzisions-Desintegratoren, die den Vortrieb der Maschine steigerten.

Oder handelte es sich nicht so sehr um einen Bohrer, sondern um etwas anderes, eine Antenne womöglich? Das ergäbe durchaus Sinn, wenn es sich wirklich um eine Beobachtungsstation handelte. Wer wusste schon, was die Fremden vorgehabt hatten? Vielleicht waren sie lediglich von wissenschaftlichem Forschungsdrang getrieben worden und kannten weder Not noch Mangel.

»Die Energiemeiler könnten sich in unzugänglichen oberen Ebenen des Observatoriums befinden«, behauptete Okeno und blickte sie unvermittelt an. »Dann müssten wir sie nur noch anzapfen. Stell dir nur vor, wenn wir hier eine neue Energiequelle entdeckt haben, mit der wir Honams Verborgenheit füttern könnten? Kannst du dir vorstellen, was das bedeuten würde?«

»Unseren Tod«, antwortete Climba.

»Wie bitte?«

»Du hast richtig gehört. Was meinst du, wie das Triumvirat der Ewigen auf eine derartige Entdeckung reagieren würde? Sie würden die Geräte abbauen, sie für sich selbst nutzen oder sich dafür feiern lassen, dass sie sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Die eigentlichen Finder aber, also wir, dürften nicht weiterleben. Wir stellen eine zu große Gefahr dar. Wir könnten die Wahrheit ausplaudern.«

»Was ist denn so gefährlich an diesem Fund? Jedermann in Honams Verborgenheit weiß, dass es uralte Relikte gibt. Wir wissen auch, dass ein Außerhalb existiert.«

»Uns wurde erzählt, dass dieses Außerhalb zerstört wäre und wir hier den kümmerlichen Rest terranischen Lebens in der Milchstraße darstellten. Wir hätten mittlerweile dank der weisen Lenkung durch das Triumvirat neue technologische Gipfel errungen. Uns geht es bekanntermaßen jeden Tag ein kleines Stückchen besser.« Climba Ossy-Benk lachte und schüttelte den Kopf. »Sieh dich doch um! Unser Fund ist im Wesentlichen nichts anderes als ein Beleg dafür, wie rückständig wir tatsächlich sind, wie armselig unsere Existenz.«

Sisual Okeno starrte blicklos an ihr vorbei. Sie konnte sehen, wie etwas in ihm zerbrach. Die Hoffnung auf ein besseres Leben, die er für wenige Minuten gehegt hatte, war dahin.

»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«, fragte er.

»Wir werden in den nächsten Tagen alles vermessen. Wir werden so viel wie möglich lernen und Aufzeichnungen machen. Um anschließend das Observatorium zu zerstören. Wir werden das Wissen für uns behalten und es eines Tages an stärkere Leute, als wir es sind, weitergeben.« Leise fügte sie hinzu: »Wir sind keine Kämpfer, du ebenso wenig wie ich.«

»Das ist völlig verrückt! Wir können nicht ...« Okeno blickte sie verwirrt an. »Hast du das eben gehört?«

»Ja«, sagte sie. »Hört sich so an, als wäre noch jemand im Observatorium.«

*

Sie hatten nichts bei sich, das sich als Waffe verwenden ließ. Und selbst wenn: Was konnten sie tun, falls ein Mitglied der Meldestelle ihnen gefolgt war? Wenn entdeckt wurde, was sie getan hatten?

Ihre Gedanken flatterten von Okeno zu Melstein. Was würde er denken? Was würde ihm geschehen, wenn ...?

Eines nach dem anderen!, ermahnte sie sich. Noch ist nichts verloren.

Langsam und leise gingen sie auf die Quelle der Geräusche zu. Es klang nach Fußtritten und nach einer menschlichen Stimme, die vom Hall verzerrt wurde. Nach jemandem, der sich mit ungewöhnlichem Selbstbewusstsein bewegte.

Die Geräusche kamen aus einem Bereich über ihnen. Hinter den Zugängen zur Halle führten Treppen mit schmalen, niedrigen Stufen wendelartig nach oben.

»Das ist der Wächter der Meldestelle«, behauptete Okeno mit Flüsterstimme. »Er ist uns gefolgt.«

»Wieso sollte er oben sein?«, entgegnete Climba. »Nein, das halte ich für ausgeschlossen.«

Climba wunderte sich über ihren eigenen Mut, als sie die Stufen zur oberen Ebene hochstieg. Sie umringten etwas, das sich Antigravschacht nannte. Da und dort existierten in der Zuflucht ähnliche Röhren. Doch die Wissenssammler aus dem Parlour konnten sich ihrer Funktion nicht sicher sein. Nicht mehr. Sie dienten oftmals als Getreidesilos oder Kühlräume.

Okeno ging ihr hinterher. Er war viel zu laut. Am liebsten hätte sie ihn gebeten, zurückzubleiben.

Der nächste Treppenabsatz war erreicht. Auch dort war alles klinisch sauber und erleuchtet.

Das Geräusch kam von rechts, sie ging mit laut klopfendem Herz darauf zu.

Da! Ein Schatten hinter einer Gangbiegung. Ein Mensch!

Aller Mut verließ Ossy-Benk, ihre Knie wurden weich. Es war gewiss doch ein Wächter der Meldestelle. Kein anderer hatte hier Zugang.

Sie wollte sich umdrehen und weglaufen, aber sie blieb stehen wie angewurzelt und hoffte verzweifelt, der Augenblick würde vorübergehen und der Wächter verschwinden.

Dann bog der Wächter um die Ecke.

Der ... Wächter?

Nein. Er trug keinen Meldeprügel und keine Uniform.

Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen. War das überhaupt ein Wächter? Welcher Abteilung der Überwachung gehörte er stattdessen an?

Der Fremde stand wie erstarrt da.

»Also schön!«, sagte er mit grässlichem Akzent. »Wo, zum Geier, bin ich hier?«

*

Einblicke (1)

Zanosh verließ den Medotrakt und betrat die Lounge. Dort wartete bereits der Zweite. Er war jenes Mitglied des Triumvirats, das die Zeit am besten überdauert hatte. Sein Körper war gut erhalten, die alabasterne Haut längst nicht so porös und papieren wie die seiner beiden Kollegen. Er betrieb Sport, er schätzte die Unterhaltungen mit den führenden Mitgliedern der Meldestelle, er pflegte seinen Ruf als Verführer.

»Werden wir unseren geliebten Anführer denn bald wiedersehen?«, fragte Blaise O'Donnell.

»Die Operation ist gut verlaufen, das Plasma stabilisiert ihn«, antwortete Zanosh. Er schenkte sich ungefragt ein Glas Dörtelschnaps ein, ein Blocker würde die trunken machende Wirkung lindern. »Leider sind meine Mittel beschränkt. Daher wird der Heilungsprozess zwei bis drei Tage dauern.«

»Erfreuliche Nachrichten, Heiler. Das gefällt mir.«

Zanosh wusste, dass O'Donnell und Schmitt einander nicht mochten. Sie duldeten einander, weil sie lange miteinander bekannt und aneinander gebunden waren durch die Übereinkunft des Triumvirats. Wenn man unsterblich war, nutzte sich Freundschaft ab, hatte Schmitt einmal während ihrer Gespräche anvertraut.

»Ich lebe, um zu heilen«, sagte er.

»Ein Hoch auf die Aras!« O'Donnell hob seinerseits ein Glas. »Und ein doppeltes Hoch auf den Dörtelschnaps!«

Zanosh hob eine durchscheinende Augenbraue. »Wie kommen der Schnaps und ich zu dieser Ehre?«

»Schmitt ist nur einer von dreien«, sagte der Terraner mit den schwarz geschminkten Lippen leise. »Was, wenn deine Kunst eines Tages nicht mehr reicht? Wenn er stirbt? Wem wirst du dann dienen?«

Zanosh ließ sich nichts anmerken. Er hatte beinahe vergessen, welch feiner Beobachter O'Donnell war. »Dem Triumvirat, natürlich. Wie ich es bereits tue.«

O'Donnell schüttete den Schnaps auf den Boden. »Dann tu das, Zanosh! Ich durchschaue deine Lügen.«

Zanosh schüttelte den beinahe kahlen, lang gezogenen Schädel. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«

»Tatsächlich? Nimm dich in Acht. Du denkst, dass wir drei heillos zerstritten wären und du uns gegeneinander ausspielen könntest. Du irrst dich. Wir mögen einander vielleicht nicht, aber du wirst uns nicht auseinanderbringen. Wir sind das Triumvirat der Ewigen. – Ich wünsche dir einen schönen Tag, Zanosh.« O'Donnell deutete ein Kopfnicken an und verließ die Lounge.

»Ja, du Narr«, sagte Zanosh und stellte sein geleertes Glas ab. »Das ist genau das, was du glauben sollst.«

Er blickte auf seine Uhr. Es war Zeit, Cappleshorts Biowerte zu messen und danach wieder zu Schmitt zurückzukehren.

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

Подняться наверх