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8.

Honams Verborgenheit: Ruine

»Nur eine winzig kleine Pause.« Okeno atmete schwer. Die Luft war gewitterrein, aber kalt und dünn. Der Wind pfiff kalt. »Sieh dir unsere Welt an.«

Sie waren beinahe am Ziel.

Climba Ossy-Benk stützte ihren Begleiter, obwohl sie sich selbst schwach fühlte. Der Weg war anstrengend. Aber er war garantiert jeden einzelnen Schritt wert.

Die Ruine des Observatoriums lag nun lediglich noch ein Dutzend Schritte entfernt, etwa fünfhundert Meter oberhalb der letzten Gebäude der Zuflucht in der Kaverne einer schwer zugänglichen Schlucht.

»Was siehst du?«, fragte er, während er zugleich versuchte, seinen Atem zu kontrollieren.

Sie sah die Zuflucht, die große Siedlung von Honams Verborgenheit. An den Hängen des Talkessels, den die Zuflucht mit Wohn- und Industriekomplexen bis zu einem Viertel der Höhe füllte, klebten im zweiten Viertel vereinzelte Gebäude, die von fahlgrünen oder ockerfarbenen Flächen umgeben wurden. Das waren die Gehöfte, die die Nahrung lieferten, Getreide oder Fleisch.

Die Bauern pendelten Tag für Tag von ihren Gehöften hinab ins Tal und wieder zurück. Auf serpentinenreichen Wegen, die kaum breit genug für ihre Fahrzeuge waren.

Wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge. Mit einer robusten und einfachen Mechanik. Weil uns die Energie für jene wenigen Gleiter fehlt, die noch intakt sind. Und weil das Wissen über die darin verarbeitete Technik verloren geht.

Je höher ihr Blick wanderte, desto weniger Leben konnte sie erkennen.

»Ich sehe unser Gefängnis«, antwortete sie.

Okeno lachte heiser. »Das meinte ich nicht.«

»Komm, wir sind gleich da! Oder hast du Angst vor deiner eigenen Courage?«, ermunterte sie Okeno. Der verdrehte die Augen, grinste aber und stand wieder auf. Ein kleiner Stein löste sich unter seinen Schuhen und kullerte den Weg hinunter.

»Ich muss nur nach drüben sehen, dann weiß ich wieder, warum ich es tue«, sagte er. »In der Wut liegt die Kraft.«

Sie brauchte seinen ausgestreckten Finger nicht, um zu wissen, wovon er sprach: Auf der gegenüberliegenden Seite, von Schmutzwolken weitgehend verschont, lag der Palast des Triumvirats in strahlendem Weiß und Silber. Dort residierten die drei Ewigen: Cappleshort, der Wundersame; Blaise O'Donnell, der Hungrige; Spartakus Schmitt, der Gierige.

Aber niemand nannte sie so.

»Die Ewigkeit wird enden«, versprach sie ihm. »Aber dazu müssen wir etwas beitragen. Komm!«

Gemeinsam näherten sie sich nun dem abgesperrten Gelände. Ein mürrisches Mitglied der Meldestelle wartete auf sie. Er trug ein blaues Cape, das schon bessere Tage gesehen hatte, und suchte den Schutz der Felswand vor dem Wind.

»Wird es lange dauern, bis ihr eure Untersuchungen abgeschlossen habt?«, fragte der Mann. »Zeit ist Leben. Hier oben soll ein Schweinezuchtbetrieb entstehen. Dank des Triumvirats der Ewigen können wir zuversichtlich in die Zukunft blicken. In eine Zukunft mit vollen Mägen.«

»So ist es.« Climba deutete eine Geste an, die ihr Wohlwollen dem Triumvirat gegenüber ausdrücken sollte. »Aber du wirst verstehen, dass wir unsere Arbeit gründlich erledigen wollen. Diese Relikte sind sehr wichtig. Womöglich befinden sich im Inneren der Ruine verwendbare Rohstoffe.«

»Ich dachte, das wäre geklärt? Die Arbeiter behaupten, dass das Gebäude verfallen sei und Einsturzgefahr bestehe. In seinem Inneren gebe es nichts, das von irgendwelchem Interesse wäre.«

»Was sollen Bauarbeiter sonst sagen? Frag lieber die Fachleute. Uns beispielsweise. Im Boden einer Zwischenebene, spröde und schmutzbedeckt, sind vielleicht Stahlträger verbaut. Du weißt, wie wertvoll Metalle sind. Und soll ich dir etwas über Wandstrukturen, über Ziegel und über Leitungen erzählen?«

»Schon gut, schon gut.« Der Mann winkte ab. »Ihr seid die Fachleute. Nehmt euch Zeit. Heute Abend erwarte ich einen präzisen Zeitplan für die weiteren Untersuchungen. Aber das oberste Zeitlimit liegt bei einer Woche, mehr nicht.«

»Womöglich geht es sogar schneller. Zeit ist Leben, wie du selbst gesagt hast.« Climba deutete eine Verbeugung an und kletterte über die Absperrschnur. Sie musste sich gegen den Wind stemmen, der in dieser schwindelerregenden Höhe besonders stark pfiff.

Ihr Herz klopfte laut, als sie ins Dunkel der Felspassage trat und der Kerl von der Meldestelle hinter ihr zurückblieb. Nun zählte ausschließlich das Relikt.

»Wir sind gleich da«, flüsterte sie ergriffen. »Ein echtes Observatorium.«

»Hoffen wir's!«, flüsterte Okeno zurück.

Niemand wusste, wer die Observatorien errichtet hatte. Sie stammten aus einer Zeit lange vor der Besiedlung von Honams Verborgenheit durch Terraner. Die Technik war der ihren ähnlich, aber nicht identisch. Die Werkstoffe, die Legierungen, die technischen Lösungen – alles war irgendwie anders.

Climba kurbelte ihre Stirntaschenlampe an und ging vorsichtig in die Dunkelheit hinein. Wasser tropfte von der Decke, etwas knirschte unter ihren Fußsohlen.

»Rechts!«, sagte Okeno.

Ja. Sie sah die Zeichen ebenfalls. Spuren von glasiertem Gestein. Solche, die sie bei den drei anderen Observatorien ebenfalls entdeckt hatten. Die Schalen der Gebäude waren unter großem Druck in den Felsen gepresst worden.

Climbas Herz klopfte immer lauter. Der Boden war glatt, wie bearbeitet. Rechts von ihr lagen ein Hammer, ein Meißel und ein Pinsel. Ihr Verbindungsmann war bei seinen Arbeiten bis hierher vorgedrungen und keinen Schritt weiter.

Sie tastete über die Wand vor sich. Das glasierte Gestein war porös. Sie brauchte bloß mit den Fingern daran zu kratzen, schon löste es sich, kleine Körnchen kullerten zu Boden.

»Sieh dir die Wand dahinter an«, sagte Okeno mit Ehrfurcht in seiner Stimme. »Sie ist so sauber. So frisch. So heil.«

Sie nahm Hammer und Meißel zur Hand und bearbeitete die glasierte Felsschicht.

Nach ersten zögerlichen Schlägen drosch sie immer fester zu, bis ihre Handgelenke schmerzten.

»Lass mich mal!« Okeno nahm ihr ganz sanft Hammer und Meißel ab. Die Berührung war sehr angenehm und beruhigend. Ganz anders als die von Melstein.

Melstein ... Sie liebte ihn so sehr, dass es schmerzte, aber ständig lag diese Liebe unter der Lupe von Fremden, wurde von Klammern gehalten und mit Skalpellen seziert. Sie wusste nicht, wie sie das überleben sollte. Mit Okeno war dagegen alles so ... unkompliziert, weil niemand davon wusste außer ihnen. Er lebte sein Leben, sie lebte ihr Leben, dazwischen liebten sie einander ohne Worte, ohne Verstehen, nur im Moment des Hier und Jetzt, dann arbeiteten sie wieder, gemeinsam oder allein.

Die Momente der Liebe waren so kostbar ...

Manchmal fragte sie sich, wie es sein konnte, zwei Menschen so rückhaltlos zu lieben, jeden auf eigene Weise. Dann dachte sie an ihre Kinder – auch die waren so unterschiedlich, und auch die liebte sie, jedes einzelne, jedes unabdingbar. Obwohl auch diese Liebe stets nur unter dem Blick des Triumvirats gedeihen durfte.

Der Klang des abspringenden Gesteins endete.

Sie sah den zufriedenen Ausdruck auf Okenos Gesicht. »Sieh nur!«

Dort, wo die beiden gehämmert hatten, war eine größere zusammenhängende Fläche des Gesteins freigelegt. Und dort war nun ein haarfeiner Riss zu sehen.

Nein – kein Riss, erkannte Climba. Dafür war die Linie zu gerade. War es möglich ...

Okenos Gesicht strahlte geradezu vor Aufregung. Er war ebenso besessen von dem Gedanken, ein erhaltenes Observatorium zu finden wie sie. Vor ihnen lagen womöglich Antworten auf die größten Geheimnisse von Honams Verborgenheit.

Er nahm ihre Hand und führte sie zu dem Riss. Flach lag ihre Handfläche auf dem Fels, seine Hand wie eine warme, schützende Schicht darüber.

Dann ertönte eine Art Klicken – und der Fels vor ihnen gab zögerlich nach. Ein bislang unsichtbares Tor öffnete sich nach innen in einen kurzen Gang, die glasierte Schicht zerplatzte, Steinbröckchen prasselten zu Boden. Aber das waren auch die einzigen Geräusche, die zu hören waren.

Licht flammte auf, sodass Climba gegen die plötzliche Helligkeit anblinzeln musste, und leuchtete den kurzen Gang aus, der nun vor ihnen lag.

Türen gingen nach beiden Seiten. Alles war klinisch sauber, alles schien noch zu funktionieren.

Wie für die Ewigkeit gebaut ...

»Komm«, sagte sie und betrat ein Gebäude, das es gar nicht geben durfte ...

*

»Ewiges Leben ... ja, was wäre schon ewig ohne die Medizin?

Siehst du mich?

Siehst du, was ewiges Leben aus mir gemacht hat?

Es fesselt mich an sich.

Es ist wie eine Sucht. Ich weiß, wie schlecht es ist, aber es ist großartig.

Ich werde sie alle überleben, diese Niederen, die nichts als ihren verwelkenden Körper haben, während meiner immer größer und lebendiger wird. Nichts und niemand hat Bedeutung. Ich lebe schon so lange, aber bin noch immer so jung, verglichen mit jenen Zellaktivatorträgern, die von ES selbst die Unsterblichkeit erhielten. Wahrscheinlich würde ich neben ihnen nur die zweite Geige spielen, träte ich ins Licht. Sie würden mich nie als gleichberechtigt anerkennen; das würde ich schließlich auch nicht, wenn ich an ihrer Stelle wäre.

Anfangs dachte ich, als Unsterblicher wäre man ... beliebt. Unsterblichkeit wird schließlich nicht jedem verliehen. Es käme darauf an, ein Leben zu füllen, dessen Gaben auszuschöpfen. Wie bitter wurde ich enttäuscht!

Die Menschen kamen nicht zu mir, weil sie mich liebten. Sie kamen nicht, um meine Geschenke anzunehmen.

Sie kamen, weil sie neidisch waren. Weil sie mich aussaugen wollten. Wenn ich so weitergemacht hätte, wäre ich längst vertrocknet, eine blutleere Hülle, ein wandelnder Leichnam.

Es war gut, dass ich die Augen geöffnet habe. Dass ich sie alle durchschaue, wie sie da sind. Die, die mir so unendlich unterlegen sind. Die, die mit mir um Macht streiten könnten. Die, denen ich mich nicht offenbare. Selbst dich, dich durchschaue ich. Für dich bin ich ein Prestigepatient. Leugne es nicht! Und doch bist du mein Freund, mein einziger loyaler Freund. Das ist selten, weißt du? Glaub nicht, dass dir das Privilegien verschafft außer dem einen, wertvollsten von allen: mich zu erhalten, mich tagtäglich sehen zu dürfen.

Und die anderen Unsterblichen ... ja, sie haben größere Reiche, über die sie gebieten. Reginald Bull. Oder Vetris-Molaud. Sie könnten meine kleine Kupferwelt mit ihren Titanstahlhänden zerquetschen. Sie sind es einzig und allein, die zu fürchten wären ...

Wie? – Ja, was du sagst, hat seine Berechtigung. Ich muss ihnen nichts beweisen, ich muss sie überflügeln. Das ist mein Weg. Mein Gemenator mag schlechter sein, aber ich bin besser. Ich werde es schaffen. Das alles ist nichts anderes als ein Wettbewerb, bei dem es nur einen einzigen Sieger geben kann.

Schau mich nicht so an!

Und jetzt frag nicht länger, sondern tu deine verdammte Pflicht! Ich weiß, dass es wehtun kann.«

aus: Zanoshs Protokolle der Unsterblichen:

Buch der Triumvirn: Spartakus Schmitt

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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