Читать книгу Perry Rhodan Neo Paket 22 - Perry Rhodan - Страница 17
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Thora Rhodan da Zoltral
Sie wusste auf den ersten Blick, dass ihre schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren. Jemand war ihr zuvorgekommen – irgendwie hatte Perry von ihrem Plan erfahren, ehe sie Gelegenheit gehabt hatte, mit ihm zu reden. Am Vortag war sie an den störrischen Ärzten gescheitert – danach waren sie und Bull zu beschäftigt gewesen, die Besatzung der FANTASY zu informieren und alle zum Stillschweigen zu verpflichten.
Nun hatte ausgerechnet der wichtigste Mann in ihrem Plan vorzeitig Wind von der Sache bekommen. Ihr war klar gewesen, dass sie Perry Rhodan behutsam darauf vorbereiten musste, was sie beabsichtigte. Wahrscheinlich glaubte er, dass sie ihn hintergangen hatte – das hieß, sie hatten ein Problem.
Schweigend betraten sie ihre Kabinenflucht. Bloß keinen Streit vor der Besatzung – zumindest in dieser Hinsicht waren sie sich einig. Dennoch hasste sie es, in die Rolle der Schuldigen gedrängt zu werden, der man die Leviten las. Besser war es, in die Offensive zu gehen.
»Du weißt es also«, sagte Thora, kaum dass sich das Schott zum Wohnbereich hinter ihnen geschlossen hatte. Ihr Quartier war eine schlichte, aber vollwertige Wohnung mit Küche, Büros, Bädern und Schlafzimmern. Ihr zweites Zuhause neben dem auf dem Archipel.
»Kommt darauf an«, erwiderte Perry Rhodan, augenscheinlich nicht gewillt, sein Blatt offenzulegen. »Wie wäre es, wenn du mir erklärst, was genau du die vergangenen vierundzwanzig Stunden getrieben hast?«
Sie schürzte die Lippen, versuchte, sich nicht wie eine Figur aus einer terranischen Sitcom zu fühlen, die wegen eines Seitensprungs zur Rede gestellt wird.
»Perry.« Sie bemühte sich um einen versöhnlichen Ton. »Ich suche keinen Streit.«
»Klar«, höhnte er. »Du suchst Zustimmung, wie immer. Solange du deinen Willen kriegst, gibt es auch keinen Streit.«
»Es geht hier nicht um mich!«, rief sie. Wenn er unbedingt einen Ehekrach wollte – er konnte ihn haben.
»Ganz genau! Es geht um mich – und genau deshalb bin ich es auch, der in dieser Sache entscheidet ...«
»Perry, hör mir zu!« Sie wollte ihn zu den Sesseln am Esstisch führen, doch er packte nur die Lehne und machte keine Anstalten, sich zu setzen. »Ich weiß nicht, was genau ich deiner Meinung nach getan habe, aber vielleicht solltest du mir erst mal zuhören. Wer auch immer dir etwas erzählt hat ...«
»Der Oproner ... Merkosh sagte, dass wir nach Lashat fliegen.«
Na großartig. »Wenn irgendjemand ernste Probleme damit hat, Menschen und ihre Motive zu verstehen, dann Merkosh! Er war nicht mal bei der Besprechung dabei. Glaub ihm kein Wort!«
Rhodan breitete entnervt die Hände aus. »Gut, dann erklär mir, was unser opronischer Freund falsch verstanden hat. Es gab also eine Besprechung?«
»Ein Treffen«, berichtigte sie. »Unter Freunden. Deinen Freunden.«
Er presste kurz die Lippen zusammen. »Wer alles?«, fragte er tonlos.
»Deine Kinder und Patenkinder. Reg. John. Conrad und Gabrielle ... und die restliche Besatzung der FANTASY.«
Sie war nie die Sorte Frau gewesen, die lange an einem Pflaster herumspielte, ehe sie es abriss.
Rhodan aber verzog das Gesicht, als litte er Schmerzen.
»Das Treffen dauerte nicht lange«, fuhr sie fort, ehe er zu neuen Vorwürfen anhob. »Denn wir waren uns alle ziemlich schnell einig: Der Beschluss der Vollversammlung und des Rats war ein Fehler und wir fühlen uns nicht an ihn gebunden. Nur auf Lashat kann dir geholfen werden. Davon abgesehen stellt diese Reise zugleich die beste Chance dar, mehr über das Dunkelleben an sich zu erfahren und uns dieses Problem langfristig vom Hals zu schaffen. Deshalb werden wir fliegen – genau, wie es geplant war«.
»Und wie genau wollt ihr das anstellen?«, fragte er ruhig. Immerhin erkannte er eine Tatsache, wenn man ihn vor eine stellte.
Also erzählte sie es ihm: Dass Ngata ihnen Blankocodes für die Lunar Research Area besorgte und Bull zum Schein dort eine Party gab. Sie schilderte, wie sie mithilfe der Mutanten und Bulls Töchtern die Sicherungssysteme des Hangars überwinden würden und dass Ronald Tekener sich um das Wachpersonal kümmern sollte, während zeitgleich Merkoshs Nest an Bord der FANTASY gebracht wurde. »Deshalb war Merkosh eigentlich hier«, schloss sie. »Er hätte den Abtransport vorbereiten, nicht mit dir plaudern sollen.«
»Das heißt, ihr seid schon mitten in der Umsetzung?«
»Die erste Fähre mit Partygästen ist auf dem Weg zum Mond«, bestätigte sie. »Die NATHALIE steht abflugbereit auf Port Hope und hält sich bereit.«
Rhodan nickte, sagte aber nichts. Ihr sonst so für seine Reaktionsschnelle bekannte Mann starrte ins Leere wie jemand, der gerade von einer tödlichen Krankheit erfahren hatte.
Seltsam, dachte Thora noch. Als er wirklich erfuhr, dass er nicht mehr lange zu leben hat, da hat er nicht so ausgesehen.
Dann platzte Perry Rhodan der Kragen.
»Ich fasse es einfach nicht!«, rief er. »Ihr plant das hinter meinem Rücken und glaubt noch, mir einen Gefallen zu tun? Du und deine Bande von Verrückten! Von Reg hätte ich vielleicht nichts anderes erwarten sollen, aber dass du mich hintergehst, bloßstellst vor meinen Freunden, der gesamten Crew ...«
»Ach, dein bester Freund darf sich dir also widersetzen, aber deine Frau hat zu gehorchen?«, schoss sie zurück.
»Reg ist ein Kindskopf!«, schrie er. »Wahrscheinlich macht ihm die Befehlsverweigerung noch Spaß. Du aber hättest es besser wissen sollen. Aber du hast einfach keinen Respekt vor den terranischen Institutionen, weil sie dich keinen Kopf kürzer machen wie ein arkonidischer Imperator das täte ...«
»Nenn mich noch einmal feige, und wir setzen dieses Gespräch auf getrennten Seiten der Luftschleuse fort.«
»Ich lasse mir von dir nicht drohen, und ich lasse mich nicht behandeln wie ein unmündiges Kind! Du kannst dich nicht über alles hinwegsetzen, an das ich glaube und das ich zu schützen geschworen habe! Das erlaube ich dir nicht!«
»Hör endlich auf, das zu einer Sache zwischen dir und mir zu machen. Und steig bitte von deinem hohen moralischen Ross herunter! Ich tue das nicht nur deinetwegen. Die Menschheit braucht dich! Gerade jetzt! Und wenn das ein paar Politiker deiner heiß geliebten Institutionen nicht verstehen können oder wollen, dann ist das nicht mein Problem ...«
»Aber du kannst diese Entscheidung nicht für mich treffen. Es ist mein Leben und gehört verdammt noch mal mir! Und ich lasse nicht zu, dass andere das ihre für mich aufs Spiel setzen!«
Ihr Mann und seine verdammten Prinzipien! Vielleicht würde sie ihn tatsächlich nie verstehen. Für ihn war jeder Mensch ersetzbar – auch er selbst. Und deshalb wog sein Leben nicht schwerer als das der hundertzwanzig Menschen, die darauf drängten, sich mit der FANTASY ins Abenteuer zu stürzen.
Dass auch diese ihre Entscheidung aus freien Stücken getroffen hatten und keine Bevormundung brauchten, bedachte er nicht.
Müde schüttelte Rhodan den Kopf. Das Schlimmste war, er wirkte nicht länger wütend – eher enttäuscht. Und diese Enttäuschung ekelte sie an.
»Ich kann und will für diesen Wahnsinn nicht die Verantwortung übernehmen«, beschied er. »Die FANTASY ist nicht bereit, das Risiko für einen neuen Unfall viel zu hoch. Ein Verletzter ist schon schlimm genug. Wenn ich zulasse, dass noch mehr Menschen meinetwegen ihr Leben riskieren, bin ich nicht mehr als ein scheinheiliger Heuchler. Ginge es um ein einfaches Besatzungsmitglied, würde ich genauso entscheiden. Ich werde keine anderen Maßstäbe an mich selbst anlegen als an alle.« Er seufzte. »Vielleicht wäre es das Beste, diese Verschwörung einfach öffentlich zu machen. Dann kann der Rat sich darum kümmern, und ihr behaltet vielleicht eure Jobs, ehe man euch wegen Verrats den Prozess macht.«
Da begannen ihre Augen zu tränen, und sie wusste nicht mehr, ob vor Zorn oder Verzweiflung.
»Du irrst dich, Perry. Dein Leben gehört nicht dir. Nicht dir allein. Du hast mir einen Teil davon überschrieben, erinnerst du dich? Mir und Tom und Farouq ... und Nathalie.«
Eine kaum merkliche Wandlung vollzog sich mit seinem Gesicht. Als wäre eine Wolke an der Sonne vorübergewandert.
»Du kannst mir vieles verbieten«, fuhr sie fort. »Aber nicht, um dich zu kämpfen. Wenn du dich aufgeben willst, einfach davonlaufen und auf einer Parkbank zusammenbrechen wie ein alter obdachloser Mann – nur zu. Aber ich werde das niemals tun, hörst du? Niemals!«
Zaghaft machte er einen Schritt auf sie zu.
Dann fielen sie einander in die Arme.
»Es tut mir leid«, sagte er und streichelte ihren Rücken. »Hörst du? Es tut mir leid.«
Sie tastete nach seinem Gesicht, und sie küssten einander.
»Ich bin einverstanden«, sagte er dann unvermittelt.
Sie glaubte erst, sie hätte sich verhört.
»Wirklich?«
»Um die Sache abzublasen, scheint es ja ohnehin zu spät.«
Sie widersprach nicht, denn er hatte recht. Dennoch ...
»Ich habe aber eine Bedingung«, ergänzte er. »Und die ist nicht verhandelbar.«
Sie löste sich von ihm. Typisch Perry Rhodan! Im entscheidenden Moment änderte er blitzschnell die Strategie – weil er begriffen hatte, dass er nun praktisch alles dafür fordern konnte.
»In Ordnung«, sagte sie und versuchte, sich nicht wie die Verliererin am Verhandlungstisch zu fühlen. »Was ist deine Bedingung, Perry?«
»Meine Bedingung ist, dass ich – und nur ich! – als Drahtzieher dieses Plans gelten werde.«
»Wie soll das gehen? Reg und ich ...«
»Notfalls müssen entsprechende Beweise fingiert werden. Und diese Beweise werden glaubhaft sein. Schließlich bin ich derjenige mit dem Motiv: Ich will nicht sterben!«
»Das wirst du auch nicht«, versprach sie. »Und wenn du unbedingt willst, wirst du eben die nächsten Jahre deiner Unsterblichkeit in einem Militärgefängnis zubringen ...«
»Ich bin noch nicht fertig!«, fiel Perry Rhodan ihr ins Wort. »Weder du noch Tom oder Farouq werden den Flug der FANTASY mitmachen. Reg ebenfalls nicht. Das wäre viel zu auffällig. Es gehen nur die an Bord, die für die Reise unentbehrlich sind – wer das sein wird, das bestimme ich. Und jedem Einzelnen muss klar sein, dass er gute Chancen hat, von dieser Mission nicht lebend zurückzukehren. Das sind meine Bedingungen. Wenn du ein Problem damit hast, kannst du den Flug hier und jetzt abblasen – denn ich werde nicht an Bord sein.«
Thora ballte die Hände. Der verdammte Dickkopf erpresste sie. Stieß sie von sich. War das seine Strafe dafür, dass sie sich über seinen Willen hinweggesetzt hatte?
Doch letztlich tat sie all das seinet- und nicht ihretwegen. Und vielleicht brauchte es tatsächlich nicht die Kommandantin des Protektorenschiffs und den Systemadmiral, um mit der FANTASY nach Lashat zu fliegen. Sie wurden in der Solaren Union gebraucht.
Ihr blieb keine Wahl – wenn er unbedingt seinen Märtyrerkomplex ausleben wollte, sollte er das. Solange er nur am Leben blieb.
»Einverstanden«, sagte sie. Und ein altes terranisches Sprichwort fiel ihr ein: Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, wenn beide Seiten damit unzufrieden sind.
Sie umarmten einander erneut, doch diesmal war es eher ein Ausdruck ihres Einvernehmens als von Zuneigung.
Dann machten sie sich an die Arbeit.