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3.

Perry Rhodan

Das Dunkel war tief und allumfassend. Und irgendwo in diesem Dunkel glomm Perry Rhodans Bewusstsein, ein schwacher Lebensfunke. Er spürte die Last des Dunkels wie ein Taucher den Druck auf den Ohren. Doch das Dunkel war nicht bloß außerhalb. Es durchdrang ihn, erfüllte ihn. Es drängte nach draußen, nach oben, voran; doch gleichgültig, in welche Richtung es drängte, es sah sich eingesperrt. Irgendetwas hielt es an Ort und Stelle, wann immer es versuchte, dem Gefängnis seiner Existenz zu entkommen. Das Dunkel war allein und alles, was es kannte, und es gab keinen Ort, an den es gehen konnte. Dabei wünschte es sich nichts sehnlicher, als auszubrechen. Das war seine Bestimmung, sein einziger Daseinszweck, doch dieser wurde ihm verwehrt.

Rhodan verspürte Zorn. Es war der Zorn des Dunkels darüber, gefangen zu sein, doch er spürte es wie seinen eigenen. Es war die Wut und Verzweiflung, diesem dunklen Meer nicht entrinnen zu können. Irgendwo dort oben war anderes Leben – es musste so sein –, mit dem es galt, sich zu vereinen. Doch er war auf den Grund des Ozeans verbannt wie ein Verurteilter mit einem Gewicht an den Füßen.

Vage erinnerte er sich an das, was er zuletzt erlebt hatte: seinen Spaziergang am Rand des Goshunsees, die Begegnung mit der jungen Mutter auf der Parkbank. Dann der plötzliche Schwächeanfall. War er vielleicht tatsächlich in den See gefallen? War die Last auf seinem Verstand die Last der Tiefe, das Brennen in seiner Brust Salzwasser in den Lungen? Fühlte sich so das Ertrinken an? Hielt ihn der Zellaktivator irgendwie am Leben – oder dem, was das Gerät dafür hielt –, während der letzte Sauerstoff aus seinem Blut längst aufgesaugt war, sein Gehirn schon zu sterben begann?

Eine neuerliche Woge des Zorns schwoll in ihm an. Es war nicht rechtens, dass man ihn in diesen Kerker gesperrt hatte. Und getrieben von derselben evolutionären Kraft, die einen Sämling aus der Erde, einen Baum in die Höhe trieb, sprengte Perry Rhodan seine Fesseln und stieg zur Oberfläche auf. Dort oben war Raum, die Verheißung von Dasein ...

Ein diffuses Licht breitete sich über ihm aus und wurde rasch heller. Er glaubte nun wirklich, aus der Tiefe eines Sees oder Meers aufzuschießen, und er wusste, dass es gefährlich war, dies zu schnell zu tun, doch das Verlangen in ihm war zu unbändig. Es war nur natürlich, der Enge zu entkommen, in die Welt hinaus zu explodieren ...

Prustend, keuchend durchbrach Rhodan die Barriere aus Licht, schoss hoch und riss die Augen auf.

Zuerst war es so hell, dass er fast nichts erkannte. Er nahm nur Hände wahr, die fest seine Schultern griffen, und Stimmen, die beruhigend auf ihn einsprachen. Er kannte die Stimmen. Der Schmerz in seiner Brust flammte einige Sekunden noch heiß und wurde dann erträglicher. Langsam schälten sich Umrisse aus der Helligkeit.

Perry Rhodan sah in die ernsten Gesichter von Drogan Steflov, dem Chefarzt der CREST II, und Julian Tifflor.

»Julian!«

Sein alter Freund blickte auf ihn herab. Julian Tifflor lebte seit gut fünf Jahren im Ruhestand. Gelegentlich nahm er noch eine Gastprofessur an der Akademia Terrania wahr oder wurde als Berater für das Variable Genome Project auf Mimas tätig. Einen Posten als TU-Koordinator, wie ihn sein Vater William lange innehatte, hatte er abgelehnt, ebenso einen Winterschlaf-Aktivator. Vielleicht, überlegte Rhodan, war Tifflor weiser gewesen als er. Es war Wunschdenken gewesen, zu glauben, dass sie die Tür ins Creaversum schließen und gleichzeitig die Wunderwerke der Memeter und Liduuri weiterverwenden konnten, die genau auf diese Verbindung angewiesen waren. Und für seine vierundsiebzig Jahre war Tifflor noch überaus fit und aktiv.

Dennoch konnte Rhodan nicht anders, als hinter dem faltenzerfurchten Gesicht nach dem jungen, tatendurstigen Mann von einst zu suchen, und der Anblick schmerzte ihn.

»Du hast ziemliches Glück gehabt«, sagte Tifflor. »Was fällt dir ein, einfach so im Park umzukippen? Willst du unbedingt in die Schlagzeilen kommen?«

»Die Ansprüche sinken mit dem Alter«, scherzte Rhodan. »Früher brauchte es eine Pressekonferenz oder Raumschlacht, damit die Medien einem zuhörten. Heute reicht es also, wenn ich umfalle.« Er sah sich um. »Wo bin ich? Ist das die Krankenstation der CREST II?«

»Hier sind wir am besten darauf eingestellt, die Symptome des ZA-Syndroms zu behandeln«, bestätigte Steflov. »Und wenn ich das anmerken darf: In jedem anderen Krankenhaus hätten wir den Kampf schon verloren.«

Rhodan schluckte. So ernst war es also. Nun gut, es war immer von Vorteil, wenn man wusste, woran man war.

»Das ZA-Syndrom wird also schlimmer?«

»Ja und nein«, antwortete Steflov. »Wir sollten nicht vergessen, dass dieser Begriff nur eine Hilfestellung ist, die Gesamtheit Ihrer physiologischen Probleme zu erfassen: die partiellen Alterserscheinungen, das drohende Organversagen. Und diese Probleme nehmen zu. Die einzelnen Symptome interagieren auf komplexe Weise.«

Rhodan wusste, worauf Steflov hinauswollte: Der Ausfall seines Aktivators allein reichte nicht, alle Symptome zu erklären. Normalerweise konnte ein Aktivatorträger das Gerät durchaus eine Weile ablegen, ohne gleich einen Zusammenbruch fürchten zu müssen. Ein gelegentliches Stottern sollte an sich kein Problem sein.

»Was ist die Ursache?«, fragte er und dachte an die machtvollen Eindrücke von Finsternis und Zorn, die er empfunden hatte. »Liegt es am Dunkelleben?« War es möglich, dass er diese fremdartige Form von Existenz in sich gespürt hatte?

Tifflor schnaubte gutmütig. »Liegt es am Alter? Der Zeit? Dem Universum? Sicher, es liegt auch am Dunkelleben. Oder hast du gedacht, es wäre gesund, so was im Körper zu haben?« Er hob eine Braue. »Aber selbst ›Dunkelleben‹ ist ein sehr allgemeiner Begriff.«

»Dann wissen wir gar nichts?«, fragte Rhodan.

»Das würde ich so auch nicht sagen. Wir haben ein paar neue Tests durchgeführt, während du weg warst.«

Tifflor trat zum Positronikterminal am nächsten Arbeitsplatz und rief ein Holo auf, das Rhodans Körper in halb transparenten Umrissen zeigte.

»In dir kämpfen, wie du weißt, Dunkelleben und Lashat-Viren um die Vorherrschaft. Und die Waffen, mit denen dieser Kampf geschlagen wird, sind wirklich spannend.« Er vergrößerte einen Ausschnitt und startete eine Simulation. »Ich weiß, das willst du als Patient nicht hören, aber aus medizinischer Sicht bist du eine Fundgrube.«

»Immer gern«, murmelte Rhodan und verfolgte, wie ein Sturm schwarzer Punkte eine Wolke roter Partikel im Holo verjagte. Es sah aus wie ein Krieg zweier Vogelschwärme.

»Ich habe ein paar neue Programme entwickelt«, erläuterte Tifflor. »Das Dunkelleben zeigt virusähnliche Strukturen, aber bislang unbekannte Eigenschaften. So kann es andere Viren – in diesem Fall die Lashat-Viren – angreifen und zerstören.«

»Aber nicht komplett«, sagte Rhodan. »Was gut für mich ist ... Richtig?«

»In deinem Fall ja«, stimmte Tifflor zu. »Bemerkenswert ist, dass es Viren überhaupt zerstören kann. Gängige Medikamente wie unsere Virostatika hemmen lediglich die Vermehrung von Viren und geben dem Immunsystem Zeit, mit der Infektion fertigzuwerden. Ein Wirkstoff, der Viren wirklich vernichtet ... das wäre eine kleine Sensation.«

»Freut mich, dass ich behilflich sein kann.«

»Auf Aralon wären wir eine große Nummer«, stellte Tifflor in Aussicht. Sie lachten, bis Steflov sich räusperte.

»So verlockend das sein mag, Ihr gegenwärtiger Zustand steht einem Ausflug nach Aralon leider entgegen.«

»Glauben Sie mir«, beteuerte Rhodan. »Das ist mir bewusst.«

»Im Moment halten sich ausgelöschte und neu entstehende Lashat-Viren die Waage. Eine Pattsituation. Das Dunkelleben kann sich nicht ausbreiten, weil es von den Viren daran gehindert wird, und die Viren können sich nicht vermehren, weil das Dunkelleben sie immer wieder dezimiert.«

»Klingt anstrengend«, kommentierte Rhodan.

»Tatsächlich verschlingt dieser Kampf fast sämtliche Ressourcen Ihres Körpers.« Steflov wandte sich dem Holo mit den einander bekriegenden roten und schwarzen Pünktchen zu. »Deshalb auch die Erschöpfung, das Fieber, der geschwächte Kreislauf. Der Aktivator hält dagegen – wenn er jedoch ausfällt, setzen die entsprechenden Symptome schnell wieder ein.«

»Lassen Sie mich zusammenfassen«, bat Rhodan. »Der defekte Aktivator war das Einfallstor des Dunkellebens. Die Lashat-Viren halten das Dunkelleben in Schach. Und überleben tue ich diesen Kampf nur dank des Aktivators.«

»Die Situation ist nicht gerade optimal«, räumte Steflov ein.

Rhodan lachte.

»Die einzige Aussicht, die wir haben, wäre, dich auf Lashat zu behandeln«, schloss Tifflor. »So wie von Merkosh vorgeschlagen. Vielleicht verfügen die Oproner und die Forscher ihres Compariats über die Möglichkeit, dich dauerhaft zu stabilisieren – so wie sie es mit Ronald Tekener getan haben. Oder besser noch, dich zu heilen.«

»Sogar wenn das Compariat es schaffen sollte, mich von Dunkelleben und Lashat-Viren zu heilen«, widersprach Rhodan, »bliebe trotzdem das Problem des versagenden Aktivators bestehen. Ich sterbe an einem Stück Technik, das fehlerhaft funktioniert, seit ich die Große Ruptur geschlossen habe. Letztlich sterbe ich daran, dass ich alt bin, und längst hätte sterben sollen, bedenkt man meinen Lebenswandel.« Er grinste Tifflor an. »Ich bin alt, Julian. Älter als du. Ich lebe dank geborgter Zeit. Und davon kann mich auch das Compariat nicht heilen.«

»Perry ...«, hob sein Freund an.

»Selbst wenn ich mich an dieses Leben klammern, darum kämpfen wollte«, unterbrach Rhodan. »Es gibt keinen Weg für mich nach Lashat. Langstreckentransitionen würde ich nicht überleben, und für einen schonenderen Transport fehlt die Zeit. Die einzige Möglichkeit, Lashat in direktem Flug zu erreichen, wäre die FANTASY – und diese Möglichkeit haben die TU-Vollversammlung und der Unionsrat ausgeschlagen, aus gutem Grund.«

»Ich kenne eine Menge Leute, die das anders sehen«, sagte Tifflor. »Vergib mir, wenn ich mich selbst dazuzähle.«

»Du bist ein Arzt, da gibt es nichts zu vergeben. Es ist deine Aufgabe, um das Leben deiner Patienten zu kämpfen. Selbst wenn sie bereits mehr Leben gehabt haben als du.«

Tifflor schüttelte ratlos den Kopf. »Du klingst, als hättest du dich mit deinem Schicksal schon abgefunden.«

»Ob du's glaubst oder nicht«, sagte Rhodan. »Das habe ich.«

»Perry Rhodan hat sich mit etwas abgefunden?«, versuchte es der Arzt ein letztes Mal. »Wann ist das denn passiert?«

»Vorhin im Park«, antwortete er ernst. »Wann genau auch immer das war.«

»Vor knapp vier Stunden«, half Drogan Steflov aus. »Zum Glück hatten wir Ihre Vitaldaten über Ihr Armband überwacht. Rettungskräfte waren binnen weniger Minuten zur Stelle.«

Rhodan nickte. Viel Aufregung im Park also. Es war wirklich ein Glück, dass offenbar nichts davon an die Presse gelangt war.

Da kam ihm ein anderer Gedanke. »Weiß Thora schon, was passiert ist?«

Tifflor lachte und sah ihn an. »Rate mal. Hat Thora mitgekriegt, dass ihr Mann wider alle Vernunft allein davongewandert und prompt zusammengebrochen ist?«

»Oje«, sagte Perry Rhodan. »Wie schlimm ist es?«

»Damit musst du dich noch nicht belasten«, beruhigte ihn Julian Tifflor und zückte einen Nano-Injektor. »Weil du nämlich erst mal ausschlafen wirst. Und das ist mein Ernst – sonst tragen wir dich noch mit den Füßen zuerst raus.«

Perry Rhodan Neo Paket 22

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