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13.

Reginald Bull

Die Halle bot einen malerischen Blick über die Mondlandschaft und Teile der Lunar Research Area. Es war wenige Tage vor Vollmond, und die Region um den Asmodeuskrater war zur buchstäblich dunklen Seite des Monds geworden. Das Hügelland vor dem Panoramafenster war fast so schwarz wie der Himmel darüber, und wie der Himmel wurde es von einer Vielzahl kleiner Lichter erhellt, die in der Atmosphärelosigkeit des Monds keine Kegel warfen, sondern isoliert in der Schwärze brannten: eine Stadt und ein Himmel wie aus einem Stück Schneeflockenobsidian gemeißelt.

Reginald Bulls Blutdruck schoss in die Höhe, als Thora neben ihn trat.

»Deine Töchter«, sagte sie. »Sie sind bald da.«

»Gut«, brummte er, streckte seine Schultern in dem engen Sakko und begleitete Thora, die einen eleganten Hosenanzug trug, zurück ans Positronikterminal. Ihre improvisierte Einsatzzentrale prangte wie ein geisteskrankes Posbispielzeug zwischen Speisenwärmern, Blumengestecken und unausgepackten Geschenken: hastig gekoppelte Schirme, Holoprojektoren und Empfänger, über die sie dank eines kleinen Tricks, den Autum Legacy ihm gezeigt hatte, Zugriff auf die Laboratorien und Korridore der nächstgelegenen Sektionen hatten.

Alberto Pérez, der Funk- und Ortungsoffizier der FANTASY, hatte die Gerätschaften installiert. Und Laura und Sophie sorgten mit ihren Fähigkeiten, die Bull manchmal fast mystisch erschienen, dafür, dass niemand sie abhörte.

»Irgendwas Neues von Ihrem Bruder?«, fragte er Jessica Tekener, die in einem schwarzen Cocktailkleid mit ernstem Gesicht neben dem Technikgewirr stand.

Sie schüttelte den Kopf. »Sie können sich aber darauf verlassen, dass Ronald sein Bestes gibt.«

So was sagen Lehrer über ihre schwachen Schüler, ging es ihm durch den Kopf. Oder Arbeitgeber über den Versager im Betrieb. »Wenn er sich halb so viel Mühe gibt wie mit dem Scotch, bin ich zufrieden«, spottete er.

Die Privatermittlerin presste die Zähne aufeinander, und die übrigen Gäste wandten betreten den Blick ab. Gut fünfzig Männer und Frauen hatten sich mit ihnen eingefunden, alle in schicker Abendgarderobe, darunter der Kommandostab der FANTASY sowie ihre militärische Besatzung, alle unter falschem Namen agierend. Nur Bulls engste Freunde – wie Conrad oder John und natürlich auch Gucky, der sich gerade über die Kuchenauswahl hermachte – waren offiziell zum Mond gereist, um den Schein der exzentrischen Party zu wahren.

Allerdings war niemand wirklich in Feierlaune. Die angemietete Halle, die via Expresslift und -bänder nur zehn Minuten vom Hangar der FANTASY entfernt lag, bot ein kümmerliches Bild. Die einzige Dekoration waren ein Banner mit einem Tippfehler und eine blecherne Erde-Mond-Pendelfähre der Dreißigerjahre, die entfernt an die STARDUST erinnerte und vor allem bewirkte, dass sich Bull sehr alt vorkam.

Dass die beiden wichtigsten Gäste – seine Ehefrau und der Protektor – nicht zur Party erschienen waren, hatte seine Laune nicht unbedingt gehoben. Beide schoben Vernunftgründe vor, doch nach Bulls Meinung war es der reine Trotz – Autum weigerte sich, den Plan aktiv zu unterstützen, und Perry, seine Dankbarkeit dafür zu zeigen.

Ronald Tekener wiederum war in einem Zustand aufgetaucht, als hätte er die vergangene Nacht in der Gosse verbracht – Bull wusste, dass er die Sonnenbrille vor allem wegen seiner Narben trug, hatte aber den Verdacht, dass er auch gern seinen Kater dahinter versteckte. Tekener hatte sich als Erstes über den Whisky hergemacht, den Conrad Bull geschenkt hatte. Wenig später war er mitsamt der Flasche plötzlich verschwunden.

Bull seufzte schwer. Ein Gutes hatte diese Farce: Er wusste nun genau, wie er seinen tatsächlichen neunzigsten Geburtstag nicht feiern wollte.

Er setzte sich vor das Positronikterminal und nahm Funkkontakt mit den anderen auf.

»Ricci, sind Sie da?«

»Alle auf Position und warten auf Ihr Zeichen, Sir.« Giordano Ricci war einer der technischen Leiter, der sich mit seinem Personal ganz offen am Einsatzort bewegte. Spezialisten wie er wurden ständig in wechselnden Projekten in der Lunar Research Area beschäftigt; dass die FANTASY gerade auf Eis lag, spielte für sie keine Rolle. Im Gegensatz zum Führungsstab des Experimentalraumers konnten sie daher unverdächtig in ihre Laboratorien und Büroräume zurückkehren, ohne dass die Wachleute gleich witterten, dass etwas im Busch war.

»Prima«, sagte Bull. »Team Vitron landet gleich.«

»Verstanden.«

»Eins noch – ist Tekener bei Ihnen?«

»Nein«, antwortete Ricci. »Ich habe ihn vorhin kurz gesehen, dann ist er allein losgetigert.«

Bull fluchte. Das war das Problem mit diesen Underdogs und Einzelkämpfern. Sie funktionierten einfach nicht als Teamspieler. »In Ordnung. Halten Sie sich bereit.«

»Sollen wir loslegen?«, hörte er Guckys Stimme direkt am Ohr und zuckte zusammen.

Er drehte seinen Sessel und schaute in das Gesicht des Ilts, dessen spitze Schnauze fast Bulls Nase kitzelte. Hinter dem Mausbiber stand Josue Moncadas. Beide Mutanten trugen weiße Dinnerjacketts.

»Der Reihe nach«, sagte Bull wie zu einem ungeduldigen Kind. »Ihr legt los, sobald Laura und Sophie gelandet sind und euch unterstützen können.« Der Plan war, dass Moncadas und die NATHAN-Interpreterinnen die lokalen Sicherheitssysteme lahmlegten, ohne dass dadurch ein Alarm ausgelöst wurde.

»Meinetwegen«, maulte Gucky und watschelte zurück zum Buffet. »Aber wenn's noch länger dauert, bestellst du bitte mehr Karottenkuchen! Ich muss mit meinen Kräften haushalten.«

»Die NATHALIE landet«, meldete Pérez, der in weißem Hemd mit Fliege vor den Geräten saß. »Keine Auffälligkeiten, alle Sicherheitssysteme im Passivbetrieb.« Der kräftige Chilene grinste. »Sieht ganz so aus, als hätten Ihre Töchter die Hangarüberwachung an der Nase herumgeführt.«

»Sehr schön«, sagte Bull. »Geben Sie mir Bescheid, sobald ...«

»Sie rufen, Sir.«

»Durchstellen!«

Die vertraute Stimme seiner Tochter klang aus dem Akustikfeld. Natürlich war es schwierig, die Zwillinge nur an der Stimme zu erkennen – er hatte mehr als einmal mit Autum darüber gestritten –, aber er war sich ziemlich sicher, dass es Laura war.

»Sind am Zielort gelandet und beginnen mit der nächsten Phase des Plans.«

Das hießt, sie luden Merkoshs Vitron aus und suchten sich ein Positronikterminal für ihre weiteren Aufgaben.

»Großartig. Sehr gute Arbeit, Liebes! Macht weiter wie besprochen. Aber seid bitte vorsichtig.«

»Klar, Dad.«

Er warf einen zufriedenen Blick in die Runde: zu Thora, Jessica Tekener, Conrad Deringhouse, Gabrielle Montoya, John Marshall, Josue Moncadas. Sie alle brannten darauf, loszulegen. Sobald das Areal unter ihrer Kontrolle war, konnten sie sich auf den Weg zum Hangar der FANTASY machen, während Metscho, Ricci und die übrigen Techniker den Start vorbereiteten. Eine halbe Stunde maximal, um an Bord zu gehen, Merkosh und sein Nest einzuladen sowie die Triebwerke hochzufahren. Die Sicherheitsmitarbeiter der LRA würden gar nicht merken, wie ihnen geschah – sie würden nichts ahnend auf gefälschte Datenströme und Holos starren, und zur Not schlossen Laura und Sophie sie in ihrem Aufenthaltsraum ein. Bis sie sich daraus befreiten, würden Bull und seine Freunde mit der FANTASY schon über alle Berge sein.

»Sehr schön.« Er rieb sich die Hände. »Dann wollen wir mal ...«

»Alarm im Hangar der NATHALIE!«, rief Pérez unvermittelt, sein Akzent vor lauter Aufregung stärker als sonst. »Energieschirme werden aufgebaut!«

»Was ist da los?«, schrie Bull entsetzt. »Was geht gerade schief?«

»Können Sie den Alarm beenden?«, fragte Thora.

»Das ... Ich ...« Pérez' Hände flogen zittrig über eine holografische Bedienoberfläche, dann desaktivierte er sie mit einem verärgerten Ausruf und zog sich stattdessen eine altmodische Tastatur heran. »Un momento, por favor.«

Gebannt beobachteten Bull, Thora und die anderen die Holos und Monitore. Überwachungsbilder zeigten Sicherheitsleute auf Patrouille, verlassene Hallen, ruhig fahrende Roboter.

»Der Alarm ist nur eng lokalisiert«, verkündete Pérez dann zu ihrer aller Erleichterung. »Er wurde nicht weitergeleitet – jemand hat ihn unterdrückt. Aber wir haben ein Problem.«

»Nämlich?«, fragte Bull.

»Automatische Schutzschirme.« Der Chilene zeigte es ihnen im Holo. »Hier, hier und hier.«

Bull fluchte. »Das ist genau die Route, die Merkosh mit seinem Vitron nehmen muss, um von der NATHALIE zur FANTASY zu gelangen.« Er funkte seine Töchter an. »Laura? Sophie?«

»Uns geht's gut, Dad«, meldete sich Sophie – er war sich sicher, dass es Sophie war – nach kurzer Pause. »Wir waren nur gerade etwas ... überrascht.« Sie hustete. »Ich glaube aber, wir konnten die Systeme überzeugen, dass der Alarm niemanden außer uns hier was angeht.«

Bull stieß erleichtert die Luft aus. »Saubere Arbeit! Das war knapp. Was war überhaupt das Problem?«

»Dazzle glaubt, dass das Vitron womöglich einen xenobiologischen Detektor anschlagen ließ«, antwortete Sophie. »Was eine Art Quarantäneprotokoll ausgelöst hat«, fügte sie hinzu, als ihr Vater nicht gleich reagierte. »Vielleicht war es auch Merkosh selbst.«

»Das darf doch nicht ...«, murmelte Bull, aber eigentlich hätten sie damit rechnen sollen. Der Oproner und sein Nest waren fremdartiger als alles, was die Systeme der Lunar Research Area kannten – oder zumindest als das, was ihnen geheuer war. Eine einzige außerirdische Zelle in der Luft, eine einzige unbekannte Energiesignatur ... Die Sicherheitssysteme erachteten es in solchen Fällen als besser, die komplette Sektion abzuschirmen, ehe eine feindliche Invasionsstreitmacht die LRA überrannte.

»Es wird sich nicht wiederholen«, versprachen seine Töchter unisono. Einen verwirrenden Moment lang sah Bull sie als Kinder vor sich, wie sie sich für den explodierten Pudding entschuldigten. Autum und er hatten nie rausgekriegt, welche der beiden auf die Idee gekommen war, ihn in die Mikrowelle zu stellen.

»Das ist gut«, sagte er. »Die Frage bleibt, wie kriegen wir die Schirme wieder aus? Ich schätze mal, ihr seht sie auch?«

»Allerdings«, bestätigte Sophie. »Augenblick.«

»Kann Gucky nicht mit Moncadas runterspringen und sie desaktivieren?«, fragte Thora.

Pérez schüttelte den Kopf. »Nein. Sehen Sie, die lokale Steuerung für die Sperrschirme befindet sich hier ...« Er kennzeichnete die Sektion im Holo. »... und ist ebenfalls von einem Hyperenergieschirm umgeben. Ein Teleporter kommt da nicht rein.«

Bull schaute entschuldigend zu Gucky, der missmutig die Arme vor der Brust verschränkte und sich mit der Pfote Kuchenkrümel aus dem Barthaar strich.

»Wenn die Steuerung isoliert ist, wie kann man die Schirme dann ausschalten?«, fragte Jessica Tekener.

»Das Sicherheitspersonal könnte das«, antwortete Pérez. »Das heißt, wenn es von dem Zwischenfall wüsste. Was wir ja nicht wollen.«

»Dad«, meldete sich Sophie zurück. »Ich glaube, wir haben eine Möglichkeit.«

»Könnt ihr die Systeme hacken?«, fragte Bull hoffnungsvoll.

Fast glaubte er zu hören, wie seine Tochter die Augen verdrehte. »Dad, ich weiß nicht, wie oft ich das schon erklärt habe. Was wir tun, hat nichts mit ›Hacken‹ zu tun. Du stellst dir das falsch vor. Wir reden mit den Systemen. Überzeugen sie davon, zu tun, was wir wollen.«

»Ist klar«, beschwichtigte Bull, ohne den praktischen Unterschied zu erkennen. »Also könnt ihr sie überzeugen?«

»Nein«, sagte Sophie. »Nicht von hier aus. Wir brauchen einen internen Zugang – so wie es geplant war.«

»Na prima.« Natürlich hatte Sophie recht. Erst mussten sie die Kameras, Bewegungsmelder und anderen Sicherheitssysteme lahmlegen, dann konnten seine Töchter und die anderen vorrücken. Ohne Gucky und Moncadas saßen sie fest – die Sperrschirme verhinderten jedoch den Einsatz der Mutanten. »Und jetzt?«

»Wie gesagt«, antwortete Sophie. »Es gäbe noch eine andere Möglichkeit: Merkosh schaltet die Schirme aus.«

»Wie bitte?« Bull glaubte, sich verhört zu haben. »Ausgerechnet der? Er hat uns das alles doch eingebrockt!«

»Sophie hat recht«, widersprach ihm Thora und schnippte in einer sehr menschlichen Geste mit den Fingern. »Merkosh kann sich nicht nur unsichtbar machen – mithilfe seines Vitrons kann er sogar feste Materie durchdringen.«

Bull erinnerte sich. »Aber heißt das auch, dass er Energieschirme überwinden kann?«

»Er hat es bis in meinen Kleiderschrank geschafft«, sagte Thora trocken.

»Herzlichen Glückwunsch«, verkündete Bull über Funk. »Der Oproner hat sich gerade freiwillig gemeldet! Laura, Sophie – könnt ihr ihm erklären, was er zu tun hat? Ich meine, bevor er den nächsten Alarm auslöst ...«

»Wir kümmern uns darum, Dad.« Die Verbindung wurde beendet.

Pérez markierte in seinen Holos den direkten Weg vom Hangar der NATHALIE zur Schirmsteuerung. Es waren nur ein paar Hundert Meter durch verschiedene Korridore. Aber etwas schien dem Spezialisten zu missfallen, denn er wechselte hektisch durch die Ansichten verschiedener Kameras. »Mierda ...«

»Was noch?«, fragte Bull.

Da wurde Pérez fündig: zwei Sicherheitsleute auf ihrer Patrouille.

»Diese beiden hier«, antwortete er. »Die werden in den nächsten zehn Minuten ebenfalls an der Steuerung vorbeikommen. Und sie werden die Schirme auf jeden Fall bemerken.«

»Verdammt noch eins ...« Bull suchte nach dem materiellen oder holografischen Knopf, der bei einem normalen Interkom auf »schiffsweit« geschaltet hätte. »Geben Sie mir alle. Das komplette Team!«

Hastig schaltete Pérez mehrere Geräte zusammen und nickte Bull zu.

»Hier spricht das Partykomitee!«, meldete sich der Systemadmiral. »Wir haben Überraschungsgäste. Wer von Ihnen ist am nächsten an Position ...« Er schielte auf das Holo von Alberto Pérez. »... D elf bis D zwölf?«

Eigentlich machte sich Bull keine großen Hoffnungen. Schließlich hatte er die Wissenschaftler und Techniker angewiesen, an ihren Arbeitsplätzen zu warten, und diese befanden sich fast alle in Sektionen A und B.

Ein Knacken in der Leitung, dann hörte er eine undeutliche Männerstimme. »Ich bin bei D zehn.«

»Wer ...« Er sah Jessica Tekeners Augen groß werden.

»Tekener, sind das Sie? Was zum Teufel haben Sie ...« Er suchte nach D zehn im Holo. »Was bitte tun Sie in der Abfallentsorgung?«

»Mich verstecken«, kam die Antwort, als ob die Sache offensichtlich wäre. »Und die Sicherheitskräfte im Auge behalten, wie es verabredet war. Und Sie? Feiern Sie schön?«

»Ron!«, mischte sich Jessica Tekener just in dem Moment ein, in dem Reginald Bull so der Hals schwoll, dass er kein Wort mehr herausbekam. »Halt die Klappe und hör zu. Wir brauchen deine Hilfe!«

Perry Rhodan Neo Paket 22

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