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2.

Thora Rhodan da Zoltral

Der Klang der Stöcke hallte durch den Trainingsraum. Die Wucht der Schläge brachte Thoras Muskeln und Sehnen zum Singen, als wären sie gespannte Saiten, auf denen die Waffe ihres Trainers eine mitleidlose Melodie schlug. Dann endete der Ansturm so plötzlich wie Sommerregen. Thora atmete unter ihrer Maske durch und ging zurück in die Harr-Ghoult, die Ausgangsstellung des Dagor.

Normalerweise war Dagor eine Mischung aus Meditation und unbewaffnetem Kampf. Thora hatte es im Laufe ihres Lebens bis zur Großmeisterin gebracht und mit gemischtem Erfolg versucht, ihren Söhnen Thomas und Farouq etwas beizubringen. Aber da ihr Leben als Botschafterin, Mutter und Kommandantin stets aus mehr als nur Dagor bestanden hatte, brauchte es stetes Training und neue Impulse, um nicht abzubauen.

Matthew Zack war ein solcher Impuls. Vor allem war er ein hervorragender Sparringspartner zum Abreagieren.

Der junge Amerikaner war ein Halbarkonide wie Thomas. Sein Vater war ein einfacher Essoya, der während des Protektorats auf der Erde gedient und nach dem Ende der Besatzung geblieben war. Schon in jungen Jahren war Zack ein Kampfsportnarr gewesen, und im Gegensatz zu Thora hatte er sonst keine Interessen, was ihn zu einem fordernden Gegner machte. Die bescheidenen Künste seines Vaters hatte er aufgesogen und mit irdischen Techniken kombiniert. Das Ergebnis hatte nichts mehr mit den traditionsreichen Ursprüngen des Dagor gemein – war aber auf boshafte Weise effektiv.

Es war der Gang der Dinge, reflektierte Thora in den Sekunden vor dem nächsten Angriff, während sie die Reserven ihres Körpers aktivierte. Nichts blieb sich treu. Wer verlor, fiel dem Vergessen anheim, und den Gewinnern gehörte die Zukunft. War dies ein Mantra? Wenn nicht, dann sollte es vielleicht eins sein.

Mit einem wütenden Aufschrei griff sie ihren Partner an und ließ die angestaute Kraft aus sich herausströmen. Fast glaubte sie, einen Anflug von Furcht in Zacks Augen zu sehen. Ein seltener Anblick. Mit einer schnellen Folge von Hieben drängte sie ihn in die Defensive, dann wirbelte sie um die eigene Achse, verpasste ihm einen Drehkick gegen die Rippen und schickte gleich die nächste Salve Schläge hinterher.

Der Oberkörper war der arkonidischen Brustplatte wegen keine gängige Trefferzone, aber Thora hatte in ihrer Zeit unter anderen Humanoiden dazugelernt. Es sollte keiner sagen, der kulturelle Austausch führe zu nichts.

Zack sog scharf die Luft ein und parierte die Schläge. Nach den ersten Überraschungstreffern gelang es ihm, seine Deckung wieder hochzunehmen und einen geschickten Konter zu setzen. Thora aber schlug seinen Stab beiseite und hieb ihm den eigenen gegen die Schulter, direkt unterhalb des Helms.

Es fiel ihr schwer, die Genugtuung zu verbergen, als Zack vor Schmerz aufschrie. Eigentlich mochte sie den Jungen. Aber der Ausdruck der Verblüffung auf seinem Gesicht war einfach zu befriedigend. Einem schmächtigeren Gegner hätte ihr Schlag wahrscheinlich das Schlüsselbein gebrochen.

Keuchend nahm Zack die Maske ab und warf den Stock beiseite. »Ganz schön geladen heute, was?«

Thora tat es ihm gleich und befeuchtete sich die Lippen. Kurz überlegte sie, sich zu entschuldigen, dann entschied sie sich dagegen. Zack mochte erst in Thomas' Alter sein, aber sein Schrank war voller Pokale, und er brauchte keine Schonung.

»In einem Wald von Mauern war das die Pforte«, übertrug sie ein altes Mantra ins Englische, da Zacks Arkonidisch zu schlecht war.

»Ich werde mir Mühe geben, künftig besser abzuschließen«, scherzte er.

Thora ging an ihm vorbei und tat, als wolle sie ihm kameradschaftlich auf die Schulter klopfen, aber er wehrte die Geste mühelos ab. Wenigstens verstand er Humor, wenn er schon kein Arkonidisch verstand.

Sie hätte nie gedacht, dass solche Kleinigkeiten sie störten, aber manchmal machte es sie wütend, wenn sie sah, wie sorglos Halbarkoniden wie er mit dem Erbe ihrer Eltern umgingen. Zwar war die Besatzung nichts, worauf man stolz sein konnte, aber das hieß ja nicht, dass man Jahrtausende kulturellen Vorsprungs einfach über Bord werfen musste.

Doch auch das war wohl der Gang der Dinge. Die Menschen hatten gewonnen, die Arkoniden verloren. Zacks eigenen Kindern – zwei bezaubernde Mädchen, beinahe Teenager – sah man ihr Erbe kaum noch an.

Manchmal fragte sie sich, ob Toms Kinder eines Tages auch so aussehen würden.

Sie verabredeten sich wie immer für nächste Woche, dann verabschiedete sich Thora und trat nach kurzer Dusche hinaus aufs Dach, auf dem ihr privater Gleiter wartete. Ausgebreitet vor ihr lag die diesige Silhouette Terranias, das Glitzern des Goshunsees deutlich sichtbar zwischen den Hochstraßen und Türmen.

Sie öffnete die Glassitglocke, warf ihre Sporttasche auf die Rückbank und stieg ein. Der Gleiter war ein Privileg – keine Düsen, sondern echtes Antigrav, mit eigenem Reaktor für den immensen Energieverbrauch. Nur ein paar Tausend solcher Luxusgefährte existierten in der Metropole mit ihren hundertfünfzig Millionen Einwohnern, die überwiegend vom öffentlichen Verkehr und erneuerbaren Energien bewegt wurde. Auch die paradiesischen Zustände Terranias konnten nicht über die allgemeine Ressourcenknappheit hinwegtäuschen, unter der die Erde nach wie vor litt. Ein Privatgleiter wie Thoras, der noch dazu raumtauglich war, war die reinste Verschwendung.

Thora hasste es, sich zügeln zu müssen.

Mit Inbrunst hieb sie auf den altmodischen Schalter, der die Startsequenz einleitete, und fuhr den heulenden Reaktor hoch. Dann desaktivierte sie den Autopiloten, rief die holografische Steuerumgebung auf und lenkte den Gleiter in den Flugverkehr zwischen den Bürogebäuden, ohne sich um Leitstrahlen und die aufgeregten Funksprüche der Luftraumüberwachung zu scheren.

Bei den Sternengöttern – in einem früheren Leben hätte sie sich den Weg durch all die Drohnen und Flugtaxen schlicht freigeschossen!

Sie mäßigte ihren Flugstil, sobald sie sich dem Tosoma Islands Archipel näherte. Das Wohngebiet der terranischen Prominenz war gut gesichert, und sie hatte sich persönlich für die Installation einer Batterie von Boden-Luft-Raketen starkgemacht, deren Sprengkraft sie sehr genau kannte. Gehorsam wartete sie, bis die Bodenkontrolle ihren Autorisationscode akzeptiert hatte, dann steuerte sie den Gleiter auf den See hinaus.

Dort draußen lag ihre Insel. Ihr Refugium, das man ihnen zugestanden hatte. Ihr Gefängnis.

Thora fluchte. Dafür waren sie also noch gut genug. Sie durften gern in einem luxuriösen Domizil auf dem See im Herzen der Stadt leben, aber wehe, sie baten diese verdammte Regierung darum, ihnen Zugang zu medizinischer Hilfe zu gewähren.

Thora sah ja ein, was die Menschen an der Demokratie fanden: Man geriet nicht mehr ganz so oft an einen wahnsinnigen Herrscher – man musste erst so blöde sein, ihn zu wählen. Trotzdem standen die Ränke im Unionsrat dem Spiel der Kelche, wie es der arkonidische Hochadel spielte, in nichts nach. Manchmal wünschte Thora, Perry wäre Imperator. Dann würde sich die Sache sehr einfach darstellen: Der Imperator musste nach Lashat, dafür brauchte er die FANTASY – also nahm er sie, flog los und Ende der Debatte.

Aber nein, ihr Mann würde den Kristallthron selbst dann noch ablehnen, wenn er der einzige freie Sitzplatz in einem Symposium zu Vergleichender Politikwissenschaft wäre.

Manchmal verstand sie ihn wirklich nicht. Und dass er nicht bereit war, ihre Argumente anzuhören, ärgerte sie maßlos.

Sie funkte die Positronik ihres Bungalows an, damit diese wusste, wer zur Landung ansetzte.

Die Positronik reagierte nicht, und den Sensoren zufolge war der Bungalow verlassen.

Thora fluchte abermals. Das war der dritte Aussetzer in dieser Woche, und eigentlich hätte die Positronik in der Frühe repariert werden sollen. Aber schön – wenn sie immer noch nicht funktionierte, würde sie wenigstens auch nicht die Polizei rufen. Tag der offenen Tür im Hause Rhodan – sollte landen, wer wollte. Es war nicht das Einzige, was in ihrem Leben gerade schieflief.

Sie setzte den Gleiter unsanft auf das Landefeld. Dann nahm sie ihre Sporttasche und eilte hinüber zum Haus. Für arkonidische Verhältnisse war der Bungalow bescheiden – verglichen mit den Kabinen eines Raumschiffs war er geradezu prunkvoll. Zumindest betonten Thomas und Farouq das gern, als ob es irgendwas daran aussetzen gäbe. Ja, Thora mochte den Bungalow.

Aber was verdammt hatte sie davon, wenn sie bald allein darin wohnte?

Sie entriegelte die Vordertür manuell und trat ein. Das Haus begrüßte sie mit Stille. Und zum ersten Mal machte diese Stille ihr Angst.

Tom und Farouq führten längst ihre eigenen Leben. Nathalie war vermisst. Und Perry hatte vielleicht nur noch ein paar Wochen zu leben.

Thora hätte nie gedacht, dass sie einmal eine dieser Frauen sein würde ...

Nun, vielleicht würde es bei ihr auch nicht mehr lange dauern.

Sie warf die Sporttasche in den Flur und ging in die Küche, die einen prachtvollen Blick über den See bot. Sie wusste wahrhaftig nicht, was ihre Kinder daran auszusetzen hatten. War es vielleicht ihre Schuld, dass von den fünfzehn Milliarden Menschen, die inzwischen auf der Erde lebten, nicht jeder eine Küche mit Seeblick haben konnte? Die Menschheit brauchte einfach mehr Kolonien. Kolonien mit Seen ...

Sie kontaktierte den Kontrollpunkt am Festland über ihr privates Kom, denn der erste Versuch über die defekten Haussysteme blieb erfolglos.

»Ich bin ja so froh, dass Sie anrufen!«, meldete sich die alte McMasters.

Etwas an der Eröffnung und dem Tonfall der Frau machte Thora stutzig. »Wieso, was ist los?«

McMasters stockte. »Sie wissen es nicht? Ich dachte, Sie können uns vielleicht schon mehr ...«

»Wovon reden Sie?«, unterbrach sie.

»Der Protektor. Er hat den Kontrollpunkt vor drei Stunden verlassen, zu Fuß, und ist nicht ...«

Thora war, als wiche alles Blut aus ihrem Kopf. Ihr wurde schwindlig, und sie musste sich am Tresen festhalten. »Perry ist zu Fuß los? Allein? Verdammt, McMasters, wussten Sie denn nicht, dass er ... Wo steckt er?«

»Es tut mir leid«, sagte die ältere Frau. Die Panik in ihrer Stimme machte Thora mehr Angst als alles andere. »Ich wollte nichts andeuten! Ich habe nur gehört, dass es einen medizinischen Notfall am Friedenspark gegeben hat. Und vor einer halben Stunde kam ein Anruf von Ihrem Schiff ...«

»Der CREST II?«, schnappte sie. Als ob sie noch weitere Schiffe im Orbit geparkt hätte!

»Doktor Tifflor fragte, ob Sie schon wieder zu Hause sind. Ich sagte Nein und fragte, ob ich etwas bestellen solle, und er sagte Nein, aber er könne Ihre Wohnung nicht erreichen und wolle Sie nicht auf dem privaten Kom kontaktieren. Er wolle nur sichergehen, dass Sie sich keine Sorgen machen. Aber falls Sie nach Ihrem Mann fragten, solle ich sagen, dass alles in Ordnung sei.«

»Das war alles?«

»Das war alles«, bestätigte McMasters.

Thora starrte auf die Weite des glitzernden Sees hinaus. Einen Augenblick vergaß sie, wo sie war und mit wem sie gerade sprach. Alles, was sie sah, war Perrys Gesicht, in gestochener Klarheit, das Funkeln des Salzsees in seinen Augen.

Mit einer fahrigen Geste der Hand versuchte sie, ihr Raumschiff über das Hauskom zu kontaktieren.

Das Kom funktionierte immer noch nicht, so wie alles in ihrem Leben gerade nicht funktionierte.

Thora schrie. Und weil das noch nicht weh genug tat, schlug sie mit der Faust auf die Theke und schrie noch lauter.

Perry Rhodan Neo Paket 22

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