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KEGELN

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Kegelbrüder! Heute hat mal wieder einer von uns was zu feiern! Das ist zwar stief lange her, dass der Franz Geburtstag hatte, aber das macht nix, wir essen trotzdem gern dem seine Pizza.

„Kegelbrüder!“ (Alle erheben sich) „Wir trinken auf das Wohl vom Franz mit ein dreifaches ‚Gut-Holz! Gut-Holz! Gut-Holz!’“

„Holz! Holz! Holz!“, hallt es markig über die Kegelbahn, und ich schaue hinüber zu den beiden Ovambos, die am Ende des langen, schmalen Raumes, am Ende der Bahn gerade die durcheinandergepurzelten Holzkegel aufgestellt haben und, lässig an der Wand gelehnt, uns beobachten. Da stehen wir nun in der Runde und schütten uns aus Halbliter-Flaschen „Windhoek-Lager“ hinter die Binden, und auf dem Tisch steht schon das Blech mit der wohlriechenden Pizza.

Wir – das sind: Franz Wanninger, das überfällige Geburtstagskind, ganz „bayrisch“ sieht er aus mit Schnauzer, scharfkantiger Nase, dunklem Teint und schwarzen Haaren. „Zwille“ Bott, Werklehrer der PSK, der aus Schleswig-Holstein stammt und nicht mehr weit vom Pensionsalter entfernt ist. Helmut Jennermann, Bottle-Store-Besitzer, der das Bier für die Kegelabende heranschafft, kräftig und knackig von Figur, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ein „daar’s hy!“ (das ist es!) von sich gibt. Karl Fenske, unser Präsident, der mir so bärbeißig im Laden begegnete und hier so gutmütig aufgeräumt und in schauderhaft-lustigem Deutsch den Laden schmeißt. Und Tommi Waltz von der „Garage“ (was hier soviel bedeutet wie „Werkstatt“) mit seinen abgearbeiteten Händen und einem Gesicht voller Sonnenfurchen, der ohne schlechte Witze und dummes Zeug scheinbar nicht leben kann. Dieter Lenz, mein Kollege, von asketisch wirkender Gestalt, ein geschiedener Einsiedler, der sein Brot selbst backt und immer aussieht wie ein später Pfadfinder. Und natürlich meine Kollegen Werner Drechsler, Hubert Seitz und Jan Kolberg.

Wir nennen uns die „Rollkutscher“, und unser Wappentier ist der Mistroller, dieser große, schwarz schillernde Käfer, den es hier häufig gibt. Er ist in blassem Blau auf unsere weißen T-Shirts gedruckt, die wir alle tragen. An den Wänden hängen Pokale und alte Erinnerungen. An dem Mauersturz über den beiden Bahnen künden weiße Kreidestriche von besonders gelungenen Einzelleistungen. Der Kühler hinten unter der Theke, der auch bei Schulfesten genutzt wird, kühlt brummend unser Bier, und durch die leicht geöffneten Fenster kommentiert ein unsichtbarer Gecko die Ausführungen des Präsidenten.

„Kegelbrüder! Ich muss mit euch noch was besprechen, damit ihr nachher euch nicht beklagen tut, dass ihr das nicht gewusst habt. Also es geht nochmal um unsern Angelausflug ... Wir treffen uns ...“

Und während wir die köstliche Pizza verzehren und Franz eine Runde Bier ausgibt und auch den Ovambos eine Flasche zukommen lässt, wird das kommende Wochenende durchgesprochen. Vielleicht liegt das an den kurzen Hosen, dass ich mir ein wenig vorkomme wie in einer Runde großer Jungs. Vielleicht ist es auch die eifrige Planung „unseres Ausflugs“, bei dem „wir Männer“ mal ganz unter uns sein wollen: weg von zu Hause. Aber es ist auch der formale Zwang zu festgelegten Begrüßungsformeln, Aufnahmeriten und Umgangsformen, den ich noch nie ganz ernst nehmen konnte.

Bald rollt die Kugel wieder, aber bei mir häufiger neben der Bahn. Ich hätte es wohl auf den Ovambo abgesehen, ruft man mir zu. Es wird viel herumgeflachst, wir wollen schließlich Spaß haben. Auch die beiden Schwarzen, Elifas und sein Kumpel, kriegen dabei ihr Fett ab und man lacht auf ihre Kosten. Das meiste werden sie wohl nicht mitkriegen. Aber wehe, sie stellen die Kegel falsch auf, wenn wir „Abräumen“ spielen, oder sie klappen die falsche Anzeigetafel hoch – da fallen schon einmal Worte, für die mir der Humor fehlt. Richtig ärgerlich können einige meiner Kegelbrüder werden, wenn ein Schwarzer in aufreizend schleppendem Gang seinen Einsatzort verlässt, uns entgegen, an uns vorbei, um seine Notdurft auf der Straße zu verrichten. „Wollt ihr nicht arbeiten?“, heißt es dann. Oder: „Ihr seid doch erst eine Stunde hier, was wollt ihr jetzt schon pissen gehen!“ Oder: „Das kommt davon, wenn man den Kaffern Bier abgibt!“ Und wenn man denen kein Bier abgibt, heißt es: „Wir saufen, und die geh’n pinkeln!“

Das als blanken Rassismus abzutun, fällt mir dennoch nicht ein. Es ist zum guten Teil auch grobes Männergeschwätz, Stammtisch-Radikalität und Imponiergehabe. Ein Lehrling auf dem Bau als schwächstes Glied in der Kette hat unter Umständen die gleichen Grobheiten zu ertragen. Das Dumme ist nur, dass die Schwächsten in diesem Land zusätzlich auch noch alle schwarz sind...

Um 23.00 Uhr ist Schluss, und Karl, dessen Aufmerksamkeit keine Flasche Bier und kein Pudel entgangen sind und der alles penibel in das große Kegelbuch eingetragen hat, rechnet mit uns ab. Die beiden Kegeljungs dürfen den Rest Pizza verdrücken und erhalten jeder 4 Rand Lohn. Und wenn dann acht Autos in allen Richtungen durch das dunkle Karibib rattern oder schnurren, je nach Komfort, dann weiß jeder, der noch wach ist, dass die Rollkutscher nach Hause kommen.

Hoffnung auf Regen

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