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Der Automat

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Ich soll mit der Zeit gehen. Alle sagen das. Dass es leichter gesagt, als getan ist, sagt niemand. Unschlüssig stehe ich vor dem Automat, der auf meinen Eingabebefehl wartet. Ich habe ihn nicht dazu aufgefordert, aber er besteht darauf. Meine Fahrkarte rückt er heraus, wenn ich seinen Anweisungen folge.

Warum das so ist, sagt er nicht. Mit ihm reden kann ich nicht. Versteht er auch nicht. Den freundlichen Herrn am Schalter, der mir bisher den Fahrschein ohne Widerstreben aushändigte, ist nicht da. Auf ihn war Verlass, meistens. Dass er Punkt zwölf Uhr die Klappe herunterließ, weil er Mittagspause hatte, war unnötig. Dienstanweisung, sagte er.

Den Schalter, an dem er mich bediente, gibt es nicht mehr. Ein Opfer der Umstände. Warum die Schalterhalle noch Schalterhalle heißt, sagt niemand. Den Bahnhof gibt es noch. Es fahren Züge ab. Es kommen Züge an. Nicht pünktlich wie die Eisenbahn früher, aber sie kommen. Keine Züge wie früher, aber Züge. „Lösen Sie Ihre Karte bequem am Automat“, empfiehlt die große Leuchtschrift. Bahnreform nennen sie das. Sie nimmt Rücksicht auf meine Augen, die große Buchstaben leichter erkennen als kleine. Ein Service.

Dass der Service einen Notstand auslöst, weiß der Automat nicht. Er tut seine Pflicht. Pro-grammierte Zweckdienlichkeit. Anweisungen muss ich akzeptieren, widerspruchslos. Das ist das Problem. Ich kann ihn nicht fragen, ob er die Stadt kennt, wohin ich fahren will. Er ant-wortet nicht. Ich kann wählen zwischen zehn Zonen. Zu welcher Zone mein Fahrtziel gehört, sagt der Automat nicht. Ich muss es aber eingeben.

„Markieren Sie die zuständige Zone“, werde ich aufgefordert. Woher soll ich das wissen? Ich kann niemanden fragen. Früher war das anders. Zonen haben mit Entfernungen zu tun. Eine Zone umfasst zwanzig Kilometer. Das ist überschaubar und leuchtet mir ein. Wie viele Kilometer ist mein Fahrtziel vom Automat entfernt? Wenn ich die Kilometer-Angabe zu gering einschätze, liefert mir der Automat eine gültige Fahrkarte, aber eine Karte für die falsche Zone. Überziehe ich die Entfernungs-angabe, bedankt er sich für meine Großzügig-keit und druckt mir eine Fahrkarte aus, mit der ich tagelang Zug fahren könnte, obwohl ich längst ausgestiegen sein müsste. Ich verstehe nur Bahnhof.

Im Zweifelsfall entscheide ich mich für die Karte. Vielleicht gibt es nur noch Fahrkarten für diese Zone, weil der Automat für andere Zonen sein Soll erfüllt hat. Ich wollte zwar nicht so weit fahren, wie ich mit dem Fahr-ausweis fahren könnte, aber der Apparat er-muntert mich, meinen Fahrthorizont zu erweitern. Es soll Reisen geben, die kein Ende nehmen. Ich muss mit der Zeit gehen und mich ihrem Geleitzug anschließen.

Ich habe mich entschieden. Der Automat fordert mich auf zu zahlen. Das Kleingeld reicht nicht. Einen Geldschein soll ich in die dafür vorgesehene Öffnung einführen. Perfekte Technik. Dennoch habe ich Zweifel und sehe mich bestätigt: Der Schein wird nicht ange-nommen. Der Automat kennt ihn nicht. Niemand hat ihm mitgeteilt, dass es sich um ein gültiges Zahlungsmittel handelt, wenn auch erst seit einigen Wochen.

Der freundliche Herr, der mich bisher bedient hat und den ich fragen könnte, was zu tun ist, ist nicht da. Vielleicht tüftelt er an einem neuen Automat. Auch Automaten gehen mit der Zeit.

Auf dem Bahnhofsvorplatz halten Busse. Ein Angebot, wenn der Automat keinen Fahrschein herausrückt. Den Fahrer kann ich fragen. Der Fahrer antwortet. Ein Ansprechpartner. Ich hätte mich sofort für den Bus entscheiden sollen statt für den Automat.

Wo ist der Fahrer? Nicht zu sehen – nicht im Bus, nicht außerhalb des Busses. Er braucht nicht anwesend zu sein, weil der Bus heute nicht verkehrt. Er fährt zweimal wöchentlich: dienstags und freitags. Heute ist Mittwoch.

Ob der Automat es gewusst und eine zweite Chance verdient hätte?

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