Читать книгу UHRA - Göttlicher Auftrag - Peter Schwerthelm - Страница 17
KAPITEL 15
ОглавлениеDie Sonne brachte drückende Wärme. Obwohl es schon in den Spätsommer ging, war auf den weiten Ebenen rund um Raschangys noch nichts davon zu spüren. Die Felder, die sie an diesem Tag passierten, waren voll mit Flachs und Baumwollsträuchern. Die Ernte war in vollem Gange, Dutzende von Landarbeiterinnen waren auf den Feldern unterwegs. Große Wagen, auf denen der geschnittene Flachs gesammelt wurde und sich Baumwolle, zu Ballen gebunden, stapelte. Karawanen mit bunten Wagen, angefüllt mit Ballen feinster Stoffe, in grellen Farben, mit exotischen Mustern, kamen ihnen entgegen.
»Nehmen wir uns eine Herberge?«
»Ja, würde mir gut gefallen und ein Bad. Der Staub der Straße ist in jeder Ritze.« Der Halbelf klopfte gegen seine Hose, was eine kleine Staubwolke erzeugte.
»Wir sollten besser überlegen, welche Geschichte wir erzählen, wenn uns einer fragt. Nicht, dass wir alle etwas Anderes erzählen.«
»Stimmt, Uhra sag was dazu und überleg dir auch, ob du deine Robe ablegst!«
»Ich soll was tun?« Uhra konnte als letzter in der Reihe reitend nicht alles mitbekommen, was gesprochen wurde, aber dass er seine Robe, die ihn als Priester Artemeseas ausgab, ablegen sollte, hatte er gehört.
»Ich werde meine Göttin nicht verleugnen!«, empörte er sich.
»War nur so eine Idee, wir würden damit vielleicht neugierige Augen von uns ablenken, vor allem, wenn wir nicht zu fünft in die Stadt einreiten.«
»Nyander hat recht. Uhra, wenn es wirklich wahr ist, dass wir verfolgt oder erwartet werden, sind wir als fünf Reiter, unter ihnen eine Frau, leicht auszumachen. Auch dein Gewand ist ein deutlicher Hinweis. Keiner will, dass du deine Göttin leugnest, es wäre nur gut, wenn du dich ein wenig unauffälliger kleiden könntest.«
Uhra machte ein unglückliches Gesicht. Er wusste, dass seine Freunde Recht hatten, aber er trug die Zeichen seiner Göttin seit so vielen Jahren offen und für jeden sichtbar, dass es ihm schwer fiel, sie abzulegen. Andererseits: Ungewöhnliche Umstände erforderten ungewöhnliche Maßnahmen, das musste er zugeben.
»Ich denke mir was aus. Und ich denke es ist klug, wenn wir uns trennen. Wer geht mit wem?«
Nach kurzer Diskussion einigte man sich, dass Gwen mit zwei Begleitern weiterreisen würde. Uhra und Nyander sollten es sein. Der Halbelf würde versuchen, seine spitzen Ohren zu verbergen und als normaler Mensch durchzugehen. Hagen und Adderlin würden später folgen.
Da keiner der Freunde innerhalb der letzten zehn Jahre in der Stadt gewesen war, hatten sie noch keine Idee, wo sie sich treffen würden. Keiner kannte den Namen einer guten Herberge oder Taverne. Und wo gab es entsprechende Geschäfte?
Sie sprachen kurz über die Dinge, die sie brauchten. Neben eigener Nahrung war dies Futter für die Tiere und Brennholz, einige zusätzliche Wasserschläuche oder Trinkflaschen, Verbandmaterial und einen Zunderkasten. Nach dieser Beratung machten Hagen und der Elf eine längere Rast, während sich die drei verbliebenen Freunde auf den Weg nach Raschangys machten.
Uhra hatte, da es immer noch sehr warm war, seine Robe ganz ausgezogen, genoss den Wind auf seiner Haut und sah in seinem Leinenhemd, das er jetzt trug, wie ein Händler oder Gelehrter aus. Nur ein kleiner Anhänger, ein Mond natürlich, musste sein.
Nyander musste seinen Zopf öffnen und die Haare über die Ohren kämmen. Man konnte sehen, dass ihm dies nicht gefiel, denn so sehr er unter seinem Erbe schon leiden musste, es zu verbergen, war trotzdem nicht seine Sache. Aber für seine Freunde und die gute Sache, an die er fest glaubte, würde er sogar durch die Hölle der tausend Klingen gehen. Hoffentlich würde es soweit nicht kommen.
Je näher sie der Stadt kamen, desto voller wurde die Straße. Nicht nur Händler, Karawanen und Bauern mit ihren Waren füllten den Weg, sondern auch viele Personen, zu Fuß, in Gruppen oder einzeln. Die Leute hatten gute Laune, waren laut, vereinzelt vernahmen sie Musik und Gesang.
»Was ist hier los?«, fragte Uhra freundlich.
»Ihr seid nicht von hier, oder?«
»Nein, wir sind Reisende aus Calaman.«
»Ach so, wir feiern heute das Fest der Seidenraupe!«, antwortete ein Reisender.
»Ja«, ergänzte ein anderer, »Heute ist die ganze Gegend auf den Beinen, wir feiern die ganze Nacht!«
Die drei Freunde sahen sich an, überlegten, ob diese Entwicklung gut für sie war oder nicht.
»Wenn viele Menschen da sind, fallen wir weniger auf.«
»Du hast recht, aber wir haben auch keine Chance selber zu sehen, ob uns jemand verfolgt.«
»Und wir werden die beiden«, Uhra deutete mit dem Daumen hinter sich, »wohl erst wieder außerhalb der Stadt sehen, ganz zu schweigen von der Chance, einen Platz für die Nacht zu bekommen!«
»Mist, so habe ich mir das nicht vorgestellt.« Nyander fluchte leise. »Wollen wir gleich außen herum reiten und dort unser Glück auf eine Unterkunft versuchen?«
Gwen antwortete: »Ich weiß nicht genau, aber ich denke wir sollten trotzdem in die Stadt reiten und wenigstens die Nahrung für die Pferde und uns kaufen. Zur Not schlafen wir außerhalb.«
»Wenn die da ein Fest feiern, werden wir vielleicht keinen Händler finden, der uns die Dinge verkauft, die wir benötigen.« »Stimmt, aber einen Tag verlieren, um unsere Vorräte aufzufüllen, können wir uns auch nicht leisten. Dann doch eher die Stadt ganz meiden und weiter reiten!«, meinte die Magierin. »Gut, lass uns auf Hagen und Adderlin warten, dann werden wir gemeinsam weiter ziehen.«
»Ich würde lieber doch in die Stadt, wir müssen nicht vor allem davon laufen. Außerdem haben wir immer noch keine richtige Ahnung, ob uns wirklich einer folgt. Ehe wir dort sind ist es sowieso schon nach der sechsten Stunde. Last uns die Vorräte und die anderen Sachen, die wir noch brauchen kaufen, dann haben wir in den nächsten Tagen erst mal keine Notwendigkeit irgendwo einzukehren oder einzukaufen. Vielleicht verliert sich dadurch unsere Spur besser, als wenn wir jetzt nichts kaufen und als Gruppe in den nächsten Tagen immer wieder auffallen.« »Hm, ist was dran, für mich in Ordnung, also machen wir es so, wie ursprünglich geplant.«
Alle nickten, so zogen sie mit dem Strom der Menschen, die das Fest erleben wollten, in Richtung Stadt. An einen schnellen Ritt war dabei nicht zu denken, etwa eine Stunde dauerte der Weg bis vor die Stadttore, und auch dort gab es tatsächlich einen Stau, so viele Menschen drängten in die Stadt.
»Passt auf eure Börsen auf.« Das war der gutgemeinte Rat des Halbelfen.
Jeder, der in die Stadt hinein wollte, wurde von der Stadtwache kontrolliert. Kritisch fiel der Blick auch auf die drei Reiter.
»He da! Gebt eure Waffen besser ab, heute wird hier gefeiert und wir wollen keinen Ärger.«
»Wir wollen auch keinen.« antwortete die Magierin freundlich, dabei bewegte sie ihre Hände in einer unauffälligen Geste, das dazugehörige Wort der Macht, welches die Illusion vervollständigte, hörte niemand.
»Wir sind harmlose Gäste, wir werden niemandem etwas zuleide tun. Nur feiern und etwas kaufen.«
Der Wachposten, der sie angesprochen hatte, blinzelte, fing dann an zu lächeln und sagte. »Na, dann ist es gut, ich wünsche euch viel Vergnügen.«
»Euch auch, wenn eure Schicht vorüber ist!«
Der Gardist wandte sich bereits anderen Reisenden zu, die drei Reiter waren schon vergessen.
Uhra musste lächeln, wusste er doch um die Wirksamkeit des Zaubers. Nicht viele konnten diesem einfachen, aber doch sehr wirksamen Zauber widerstehen, auch er hatte dies am eigenen Leib erfahren. Nicht Gwen war es gewesen, sondern ein anderer Magier in einer anderen Stadt, der ihm die Lehre erteilte. Er hatte sein ganzes Geld verloren und musste es als Glück ansehen, dass er noch am Leben war. Eine Bande von Halsabschneidern lockte ihn mit Hilfe des Magiers in eine Falle, und nur der pure Zufall schenkte ihm das Leben – Artemesea sei Dank!
Die Hand des Halbelfen löste sich vom Griff seines Dolches, kam unter seinem Hemd wieder hervor. Sie folgten der Hauptstraße wie viele andere, bis zu einem Platz, der üblicherweise für den Verkauf von Vieh diente. Gatter und kleine Ställe zeugten davon. Heute aber war er voll mit Menschen, die sich eine Gruppe von Gauklern anschauten. Akrobatik, Jonglage und Feuerzauber waren zu bestaunen, die Menge war fasziniert, die Darbietung wirklich gut.
Sie wandten sich nach links in eine kleinere Straße, in der Hoffnung, auf eine Herberge zu stoßen. Auf den Pferden hatten sie einen guten Überblick, doch die vielen Menschen, so laut und so dicht gedrängt, machten den Pferden zu schaffen. Uhra musste mit fester Hand und gutem Zureden verhindern, dass sein Pferd durchging, daher sammelte er ein wenig göttliche Kraft, beruhigte sein Reittier.
Alle Gassen und Straßen waren überfüllt. Mehr als zwanzig Minuten brauchten sie, um überhaupt einen Stall zu finden und es kostete die drei Freunde ein kleines Vermögen, die Pferde noch unterstellen zu können, obwohl sie nur für wenige Stunden bleiben wollten, und das auch dem Stallmeister erklärten. Der war nicht überzeugt von der Geschichte, erwartete, dass sie sich erst im Laufe des nächsten Tages, nach dem Fest, wieder blicken lassen würden – also war der volle Preis zu zahlen.
Nyander konnte nur schwer seinen Drang nach etwas Einschüchterung unterdrücken. Uhra legte beruhigend seine Hand auf des Halbelfen Schulter. Als der Stallmeister auch noch von möglichen Dieben und Gesindel sprach, wurde der Griff des Priesters nochmals stärker. Er befürchtete, er müsse einen seiner Banne, die er zur Beruhigung von Patienten einzusetzen pflegte, benutzen, um den Halbelf zu besänftigen. »Lass es gut sein«, sagte er leise. »Er ist es nicht Wert.«
Noch einige Sekunden war die Anspannung in Nyanders Körper zu spüren, bevor er sich abrupt umdrehte, schnell auf die Straße trat und sich zu Gwen gesellte. Die Magierin schaute den Halbelf fragend an, machte er doch eine Miene, als ob er gerade auf einen Bitterling gebissen hätte. Er gab aber keine Antwort und die Magierin fand den Trubel auf der Straße auch spannender, so ließ sie es bei dem Blick. Gemeinsam warteten sie schweigend auf den Priester, mit den Augen die Menge absuchend, die an ihnen vorbeistrebte. Irgendwann wandten sie sich um, um zu schauen, was Uhra aufhielt. Sie sahen, wie Uhra versuchte, den Kasten mit dem Artefakt auf seinen Rücken zu binden. Dieser war nicht eben klein, störte bei jeder Bewegung. Außerdem war er auffällig. Niemand mit etwas Verstand würde zu solch einem Fest, bei der Menschenmenge, mit einer Kiste auf dem Rücken losziehen, auffällig wie ein Leuchtfeuer in dunkler Nacht.
»So kannst du nicht losgehen.« Nyander schüttelte den Kopf. »Wenn wir hier möglichst ungesehen einkaufen wollen, dann nicht so.« Er deutete auf das Kästchen, welches über Uhras linke Schulter schaute.
»Aber ich kann es nicht hierlassen!«
»Natürlich sollst du es nicht unbeaufsichtigt lassen«, warf Gwen ein. »Aber so geht es nun mal auch nicht.«
»Was ist, wenn du hier bleibst, nicht im Stall, aber im Schankraum, alleine oder mit Gwen, dann gehe ich einkaufen.« »Dann hätten wir am besten doch gar nicht erst in die Stadt gehen sollen.«
»Sei nicht so pessimistisch. Sieh es so, du bekommst ein gutes Essen in Begleitung einer schönen Frau, und ich mache die Botengänge. In spätestens zwei Stunden bin ich zurück und wir können weiter. Die Stadttore werden nicht geschlossen sein, wir werden außerhalb schlafen und früh weiterreisen. Was denkst du?« Oft hatte der Halbelf ihn mit seiner schnöden Art schon zur Weißglut gebracht, doch diesmal sprach er weise. Natürlich konnte er so nicht in die Stadt, die Gefahr war zu groß.
Uhra würde mit Gwen warten und hoffen, dass alles gut ging. Sie würden noch ein paar der Taschen mit in den Gastraum nehmen, so würde der Kasten weniger auffallen.
»Hoffentlich geht das gut!« Gwendolin legte ihre Stirn in Falten. Ein kribbelndes Gefühl in der Magengegend war kein gutes Omen.
Der Schankraum war gut gefüllt. Mit ihren Satteltaschen und dem unhandlichen Kasten war ein Durchkommen schwer, Gemurre wurde laut, als sie sich in Richtung des freien Endes an der Theke schoben. Zum Glück war niemand der Anwesenden derart betrunken, dass es zu einer handfesten Auseinandersetzung kam.
Die Magierin hasste diese Art von Gedränge. Kurzzeitig schwappte die Erinnerung an ihr erstes Zusammentreffen mit Hagen in ihr hoch. Sie fröstelte, magische Kraft durchlief ihren Körper.
»Gwen!« Streng klang der Ton des Priesters. »Lass das! Wenn du schon etwas unternehmen willst, dann sorg für bessere Stimmung.«
Sie hatte nicht gemerkt, dass sie stehengeblieben war und verleitet durch ihre Erinnerung anfing, einige Worte der Magie zu sprechen. Uhra trat ein paar Schritte auf Gwen zu, um sie grob an die Schulter zu fassen und ihre Konzentration zu stören. Es dauerte nur eine Sekunde, bis Gwen wieder voll in der Realität stand. Mit einem Nicken bestätigte sie dem Priester, dass sie verstand.
Die Augen schlossen sich, diesmal aber nicht um eine Erinnerung zu finden, sondern um sich besser konzentrieren zu können. »Zu viele, das geht über meine Kräfte«, sagte sie leise und mit einem enttäuschten Unterton: »Aber ich versuche etwas anderes!«
Noch ehe Uhra sie davon abhalten konnte, hob sie die Hände, sprach drei Worte der Magie. Am anderen Ende des Raums, dort, wo die Tür auf die Straße führte, gab es ein lautes Scheppern, als ein Tablett mit gefüllten Zinnkrügen zu Boden ging. Der arme Kerl, der den Krügen nachschaute, durchnässte wenigstens ein halbes Dutzend Gäste, es kam zum Tumult. Die Aufmerksamkeit aller Gäste war auf die wütenden Rufer und die Bedienung gerichtet.
Der Platz an der Theke war jetzt leichter zu erreichen. Dort angekommen, mussten sie warten. Der Wirt, der bis eben noch hinter der Theke gestanden hatte, war losgelaufen, um seine Gäste zu beruhigen. Mit einer Runde frischem Bier und der Zusage, wenn sie morgen wiederkommen würden, gäbe es ein weiteres Freibier, waren die meisten zufrieden, nur wenige Missmutige verließen den Raum, doch durch die Tür zur Straße kamen ebenso viele herein.
»Was darf ich euch bringen?« Der Wirt war noch am Schlichten, dafür stand jetzt eine junge Frau hinter der Theke, wartete auf ihre Bestellungen.
»Bitte ein Bier und einen Roten.« Der Priester beobachte immer noch die Situation, um bei einer Ausbreitung der Streitigkeiten reagieren zu können. Die Magierin, ohne weiteres Interesse an dem Geschehen, bestellte für Uhra gleich mit.
Ein Humpen mit schäumendem Bier und ein Becher mit dunklem Wein standen nur kurze Zeit später vor ihnen. »Ihr müsst bitte gleich bezahlen.«
»Verstehe, bei so vielen Gästen, ist es nicht leicht, den Überblick zu bewahren. Könnt ihr uns noch etwas zu essen bringen, Brot Käse und etwas Braten, wenn ihr habt? Wie viel bekommt ihr für alles zusammen, ich zahle für das Essen gleich mit.« Die junge Maid rechnete kurz im Kopf, antwortete dann: »Es wird etwas dauern mit dem Essen, aber ihr bekommt es bestimmt! Zusammen sind das zwei Silbermünzen und drei Kupfer.« Gwen staunte nicht schlecht, die Preise an solchen Festtagen waren wirklich hoch. Ihre Lust auf ein bisschen Feilschen war gering, und so zahlte sie ohne weiteren Kommentar.