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KAPITEL 16

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Je später es wurde, und je weiter sie sich dem Südtor näherten, umso voller wurde es. Hagen und Adderlin beschlossen, den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen, begutachteten auf dem Weg die vielen Stände. Es gab warmes Essen, Braten, geräucherten Fisch, frisches Brot und süße Leckereien. Aber auch Kleidung und Glücksbringer konnte man erstehen.

Adderlin interessierte sich für die Auslage eines Bäckers. Die Pasteten waren handtellergroß und dufteten nach Schinken und Käse. Er lenkte sein Pferd zur Seite, um ein paar der Köstlichkeiten zu erstehen. Wenn es so weiter ging, mit dem Tempo, waren sie erst sehr spät in der Stadt, würden sie vielleicht nichts mehr zum Essen bekommen, warum also nicht jetzt essen.

Hagen verstand die Idee des Elfen, drängte sein Pferd vorsichtig neben den Stand des Bäckers, vor dem sich eine Traube von zwölf oder mehr Personen einfand, die alle vor der Auslage darauf warteten, dass sie an die Reihe kommen würden. »Reichen dir zwei?« Adderlin hatte sein Pferd an einen dürren Baum gebunden, sich in die Schlange eingereiht.

»Zwei müssten reichen, aber wenn sie süße Pasteten haben, dann bitte eine noch extra für mich.«

»Gut, willst du schauen, ob du in der Zwischenzeit etwas zu trinken auftreibst, dann können wir beim Weitergehen essen.« Hagen nickte, schaute sich prüfend um.

Da es in der Schlange nicht sehr schnell voran ging, nutzte der Elf die Zeit, sich genauer umzuschauen. Menschen von jung bis alt waren zu sehen. Meist arme Leute, vom Bauern bis zum Tagelöhner, vom Müller bis Schreiner waren alle Berufe der Gegend vertreten. Der Kleidung nach zu urteilen, waren nur sehr wenige Fremde unterwegs, Fremde wie Hagen und er.

Adderlin sah einige Meter vor sich ein dunkelrotes Kleid, in der Menge aus creme- und beigefarbener Kleidung, ungewöhnlich, auffällig.

»Was wollt ihr kaufen?«, unterbrach ihn der Händler und zeigte mit seinen mehligen Händen auf seine Ware. Ein einfacher Wagen mit einem Brett darauf diente als Verkaufstresen. »Süß oder herzhaft, Erdbeere mit Rhabarber oder Schinken und Kräuter?«

Der Elf war nicht ganz bei der Sache, das rote Kleid schwirrte in seinem Kopf herum, er blickte unschlüssig von rechts nach links und sagte schlussendlich: »Ich nehme zwei von den herzhaften und auch zwei von den süßen.«

Der Bäcker machte eine Miene, die ihm zu verstehen gab, dass er möglichst schnell mehr verkaufen wollte. »Gut!«, lautete seine kurze, eher unhöfliche Antwort.

Adderlin hörte sie nicht. Hinter dem Stand war das rote Kleid aufgetaucht, und die Frau, die es trug, schaute ihn direkt an. Sie war fünffußdreißig groß, die Haut war von sattem Braun, von der Sonne verwöhnt, passte gut zu ihren langen schwarzen Haaren, die zu einem ordentlichen Zopf geflochten waren. Nur eine Narbe am Kinn störte das perfekte Gesicht, schön war es trotzdem. Einen deutlichen Kontrast boten ihre Augen. Leuchtendes Grün strahlte aus dem ernsten Gesicht. Ihr Kleid war getragen, aber nicht verschlissen, an der linken Schulter wurde es von einer silbernen Brosche zusammengehalten.

Wachsam nahm sie ihre Umgebung wahr, ohne den Blick von dem Elfen zu lassen.

Adderlin ging um den Stand des verblüfften Händlers herum, verkürzte so den Abstand zwischen sich und der in seinen Augen sehr schönen Frau. Sie mochte Anfang dreißig sein, doch dies war im Moment nicht der Punkt.

Der Händler, der nicht verstand, was hier passierte, rief Adderlin hinterher: »Hey, was soll das! Ihr habt nicht bezahlt und eure Pasteten liegen…« Das Geräusch eines aus der Scheide fahrenden Schwertes ließ ihn verstummen.

Noch während der Elf an dem Verkaufstresen vorbeischritt, hatte er mit der linken Hand eines seiner zwei Schwerter gezogen.

Die Frau bewegte sich nicht, kein Erstaunen oder Überraschung war in ihrem Gesicht zu lesen, nur ein Aufblitzen in den Augen war eine sichtbare Reaktion auf den Elfen.

Hagen kümmerte sich um die beiden Pferde. Er stand mit den Tieren abseits der Straße, kontrollierte die Hufe. Er glaubte nicht, etwas zu finden, waren sie doch erst zwei Tage unterwegs, doch die Routine, die er sich in den vergangenen Jahren angeeignet hatte, ließ ihn dies fast unbewusst tun. Wie erwartet waren die Hufe alle in Ordnung, und wiesen nur geringe Spuren der Abnutzung auf. Zufrieden richtete er sich auf, in der Erwartung den Elfen zu sehen, der mit dem lecker duftenden Essen zu ihm unterwegs war. Doch außer einem Haufen Menschen, die aufgeregt in eine Richtung deuteten, durcheinander riefen, konnte er nichts sehen, schon gar nicht Adderlin. Ein Stirnrunzeln war die erste Reaktion, ein leichtes Knurren seines Magens die zweite.

Die Unruhe der Menschen vor ihm wurde größer, irgendjemand rief etwas mit dem Akzent, der hier am Gebräuchlichsten war, den Hagen aber nur schlecht verstand. Konnten sie nicht die Gemeinsprache sprechen! Er schüttelte den Kopf, lauschte. Was er sehr wohl verstand, war die Tatsache, dass die Menschen wirklich aufgebracht waren. Sie strömten an einem Stand vorbei, wie Wasser um einen Felsen in der Brandung floss. Es war der Stand des Bäckers. Aber wo steckte der verdammte Elf.

Der Nordländer richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. In seinem Magen bildete sich ein Knoten, ein ungutes Gefühl überlief ihn. Er ließ die Zügel der zwei Pferde los. Sein Griff ging zur linken Seite von Rodesus, fand den Griff seines Schwertes, zog es samt Scheide aus der Schlaufe, die es an der Seite des Pferdes festhielt. Mit großen Schritten näherte er sich dem Stand des Bäckers, der fast verlassen vor ihm stand, über die Köpfe der Menschenmenge konnte er trotzdem nicht blicken, obwohl er fast durchweg einen Fuß größer war, als die Menschen hier im Süden, die Steigung der Straße aber erschwerte den Blick.

In der Sonne des späten Nachmittags sah er ein Schwert erhoben in der Sonne blinken.

»Scheiße!« Hagen fing an zu rennen, kam aber nicht schnell voran, da Menschen sich vor ihm drängten. Jetzt wich die Menge auch noch einige Schritte zurück, verbaute so Hagen gänzlich die Möglichkeit, weiter nach vorne zu kommen. Laut fluchend drängelte er sich vor, zunehmend mit mehr Körpereinsatz, schob Frauen, Männer und Kinder beiseite. Wütende Rufe begleiteten ihn, doch niemand mochte den großen Kämpfer, der auch noch ein Schwert in der Hand hielt, ernsthaft zu behindern.

Zwischen Adderlin und der Kämpferin, dies war sie ohne Zweifel, bildete sich ein freier Raum. Ein Kreis mit einem Durchmesser von etwas mehr als zwanzig Fuß war entstanden. Gras und trockener, staubiger Boden bildeten eine ebene Fläche. In scheinbar entspannter Haltung stand die schöne Kämpferin reglos da, die Hände waren geöffnet, hingen an ihrem Körper herunter. Über ihrer rechten Schulter konnte man den Griff eines Schwertes sehen. Es besaß eine lange geschwungene Klinge, die sich zur Spitze hin verbreiterte, steckte in einer schlichten Scheide aus braunem Leder, ein Riemen über die Schulter und einer um die Hüfte. Das Schwert war beeindruckend, schon jetzt, noch friedlich in seiner Hülle. Durch die Ruhe, die die Frau ausstrahlte, entspannte sich der Elf ebenfalls. Seine hoch erhobene Klinge senkte sich, seine Augen trafen die seiner Kontrahentin.

Adderlin betrachtete die Kämpferin. Sie war selbstbewusst, dies war sicher. Sie war erfahren, auch dies war sicher, doch wie erfahren sie war, welche Technik sie studiert hatte, er würde es erst durch den Kampf erfahren, der vor ihnen stand.

Er nickte ihr zu, erbrachte ihr so die Ehre, wie man es ihm gelehrt hatte. Sie verstand die Geste, erwiderte sie.

»Mein Name ist Adderlin, vom Clan der Griffon, vom Stamm der Simar.« Erneut eine Verbeugung.

»Ich wurde geboren unter dem Namen Runya D`Sol, Schülerin von Meister Aleroch aus Nasham.« Sie nickte kurz.

Ohne weitere Worte griff sie nach ihrem Schwert, zog es. Die Menge um die beiden Kämpfer machte einige Schritte zurück, der Kreis wurde größer, aber auch das Gemurre. Man solle doch die Stadtwache rufen! Was für ein Irrsinn, hier zu kämpfen! Am Abend des Festes, welch ein Frevel! Immer diese Fremden! Seht nur ein Elf, man sollte ihm die Ohren stutzen!

Hagen drängte immer noch durch die Menge, bekam die Rufe mit. Sein Gefühl der Eile und der drohenden Gefahr wurden größer. Adderlin hatte sein zweites Schwert gezogen, nahm eine Grundhaltung ein.

Die Frau trat indes ein paar Schritte zur Seite, die Position ihres Schwertes veränderte sich leicht, die Spitze zeigte nach unten, die Klinge mit der Schneide nach links. Wenn sie jetzt einen seitlichen Hieb anbringen würde, und der Gegner ungeschützt wäre, könnte man ihn in zwei Teilen aufsammeln.

Hagen schaffte es endlich durch die Menschenmenge, mit freiem Blick auf das Geschehen. »Scheiße!«, entwich es ihm erneut. Seine Hand war am Griff seines Schwertes, doch bevor er es auch nur einen Zoll aus der Scheide ziehen konnte, rief ihm Adderlin zu: »Lass das! Es ist allein eine Angelegenheit zwischen der Dame Runya und mir.«

Hagen war verdutzt. Er war sicher, er hatte diese Frau noch nie gesehen und auch ihren Namen noch nie gehört, nicht von Adderlin, noch von einem anderen aus der Gruppe, aber wer konnte schon wissen, wen der Elf alles kannte.

Die Dame in Rot zeichnete mit dem rechten Fuß eine Spur in den Untergrund, verlagerte ihr Gewicht. Die Spitze ihres großen Schwertes zeigte jetzt nach oben, doch weder sie, noch der Elf bewegten sich von der Stelle. Das Schwert von Runya war bestimmt einen Fuß länger als die Klingen des Elfen, mit dieser Waffe besaß sie eine größere Reichweite als Adderlin, der auch die kleinsten Bewegungen der Frau, die ihm gegenüberstand, genau beobachtete.

Erneut bewegte sich Runya, ihr linker Fuß kam ein wenig nach vorne, das Schwert mit ihr, und ohne ein weiteres Anzeichen, einen Ausruf oder einen Kampfschrei, wie er bei manchen Völkern im Westen Sitte war, kam die Schwertkämpferin in einer für das Auge fast zu schnellen Bewegung auf den Elfen zugeflogen. Ihre Stiefel schienen kaum den Boden zu berühren, der Weg zwischen ihr und Adderlin war so schnell überbrückt, dass die Ausrufe des Erstaunens und des Schreckens aus der Menschenmenge um sie herum erst ertönten, als die Waffen schon aufeinander getroffen waren.

Der Elf konterte den Angriff, wirbelte mit seinen Schwertern in einer Kreisbewegung, zwang mit einem gleichzeitigen Schlag, der hoch und tief vereinte, die Frau zu einer Parade, aber die Frau war nicht so leicht aus der Fassung zu bringen. Mit einer Körperdrehung und einem mächtigen Schwung von rechts unten nach links oben, war es nun der Elf, der parieren musste.

Hagen verspürte immer noch den Drang, einzugreifen, doch er wusste, dass er hier nur mehr Schaden anrichten konnte. Es würde gerade noch fehlen, wenn jetzt einer der anwesenden Halbwüchsigen oder einer der Betrunkenen, die es hier gab, versuchen würde, den Helden zu spielen, versuchen würde, der Frau zu Hilfe zu kommen. Er würde achtsam sein müssen.

Die Klingen tönten laut bei jedem Schlag, bei dem sie sich trafen, die Kämpfer bewegten sich fast wie ein Tanz, bei dem die Kontrahenten versuchten durch schnelle und verwobene Bewegungen, den Gegner zu beeindrucken. Die Zeit geriet in Vergessenheit und so konnte nachher niemand genau sagen, ob nur Minuten oder Stunden vergangen waren, doch so plötzlich, wie es angefangen hatte, so plötzlich war es auch vorbei.

Adderlin trennte sich von der Frau, machte einige Schritte von ihr weg. Die Schwerter zeigten nach unten.

Runya schaute überrascht auf den Elfen, der nun wie zu Beginn des Kampfes ruhig dastand. Ihr Blick streifte über ihre Arme – kein Blut oder eine andere Verletzung war zu sehen. Ein Schmerz irgendwo am Körper war auch nicht zu spüren. Verwirrung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie verstand nicht, warum Adderlin den Kampf abbrach, trat auf den Elfen zu, wollte erneut ihr Schwert heben, doch sie hielt in der Bewegung inne. An ihrem Kleid fehlte die Brosche, die es zusammenhalten sollte, sauber durch einen Schnitt abgetrennt. Ihr Schwert sank zu Boden, der Blick wanderte von ihrer linken Schulter zum Elfen, langsam, wie in Zeitlupe, fiel der Träger des Kleides nach vorne.

Adderlin steckte seine Schwerter in die Scheiden, ging langsam auf die Frau zu. Wenige Schritte vor ihr kniete er sich hin, hob etwas auf. Was auch immer er aufhob, es verschwand in seiner Hand, war für niemanden zu sehen. Mit klarer Stimme sagte er: »Es tut mir leid, dass ich euer Kleid beschädigt habe, bitte nehmt meine Entschuldigung dafür an.«

Runya konnte sich immer noch nicht aus der Starre lösen, in die sie nach dem Erkennen ihrer Niederlage gefallen war. Bevor sie antworten konnte, sprach der Elf weiter: »Ich würde sehr gerne den Schaden wieder gut machen, euch ein neues Kleid kaufen. Würdet ihr mir die Ehre erweisen und anschließend mit mir speisen. Der Händler hier…«, er deutete hinter sich in Richtung des Standes, an dem er noch vor ein paar Minuten nach Pasteten anstand, »…hat eine gute Auswahl.«

Die Haltung der Kämpferin veränderte sich, sie schaute den Elfen an, nickte: »Gerne nehme ich euer Angebot an. Ich danke für die Ehre, mit mir die Klingen gekreuzt zu haben.« Ihr Schwert verschwand hinter ihrem Rücken in der Lederhülle, Adderlin reichte der Frau die Hand.

Nur wenige Sekunden vergingen, bis Runya sich entschloss, ihren inneren Tumult vorerst zurück zu stellen und sich mit dem Mann zu unterhalten, der sie soeben im fairen Zweikampf besiegt hatte. Sie ignorierte die dargebotene Hand des Elfen, machte sich stattdessen auf den Weg zu dem Stand, den Adderlin erwähnte.

Nach nur wenigen Schritten, nachdem sie fast den Rand der Menschenmenge erreichte, hörte sie die leicht lallende Stimme eines Mannes hinter sich. »Na, an einer Frau wagt Ihr Euch zu vergreifen, Elf. Ihr solltet lieber mal gegen einen richtigen Mann kämpfen, dann könnte ich Euch zeigen, was es heißt zu siegen!«

Ein Raunen ging durch die Menge. Runya drehte sich abrupt um, ihre Haltung zeigte volle Anspannung, suchte den Sprecher und fand eine Gruppe junger Männer.

Der Kleidung nach zu urteilen waren es Adlige oder Söhne von reichen Kaufleuten, die auf den Elfen zugingen.

»Hey, Spitzohr hast du mich nicht verstanden?« Mit einem dümmlichen Grinsen drehte sich der Sprecher zu seinen Begleitern um. »Ich habe gesagt, dass du ein Feigling bist, gegen eine Frau zu kämpfen. Hast wohl Schiss, gegen einen richtigen Kämpfer anzutreten.«

Adderlin unterlies es sich zu bewegen. Runya konnte sehen, dass er eine Grundposition für einen schnellen Schlag mit der Klinge einnahm, doch die Schwerter blieben unberührt in ihren Scheiden, die Arme des Elfen hingen locker an seinen Seiten.

Hagen betrat den Kreis, der sich erneut bildete, was Runya verwirrte, konnte sie doch das Auftauchen eines weiteren Kämpfers nicht einordnen. Er war nicht betrunken, so viel konnte sie sehen. Er war groß, blond und sein Bastardschwert war noch eine Handspanne länger als ihr Skimitar. Da der Elf weiterhin kein Anzeichen von Unruhe oder Nervosität zeigte, musste er den Kämpfer kennen oder noch besser sein als sie dachte.

Hagen bewegte sich so, dass er nach wenigen Schritten den gleichen Abstand zum Elfen, wie zu der Gruppe hatte, die Parteien bildeten nun ein Dreieck.

Das Auftauchen noch eines Bewaffneten nahm dem Großmaul den Schwung, er stand etwas unschlüssig da, eine Hand am Degen, die andere in seine Jacke gesteckt.

»Ich glaube, du solltest mit deinen Freunden weiter in die Stadt ziehen. Schau dir die Gaukler oder die Mädchen an, aber mische dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen.« Adderlin sprach bewusst ruhig, wollte zu einer eher beleidigenden Rede ansetzten, als Runya dazukam.

»Hey Jungs, wenn ich Hilfe benötige, dann werde ich mich schon melden. Ihr solltet sehen können, ob eine Dame Eurer Hilfe bedarf oder nicht. Und noch eins, wenn ihr hier weiter Ärger macht, dann werdet ihr zuerst mit mir kämpfen müssen, verstanden Bürschchen?«

Der Erste, der sich bewegte, war Adderlin. Ohne ein Wort drehte er sich um, seine Schritte führten ihn zum Stand des Bäckers, in der Hoffnung, noch Pasteten zu bekommen und den Halbstarken weiter den Wind aus den Segeln zu nehmen. Über seine Schulter hinweg rief er: »Hagen, kommst du und bitte bring unseren Gast fürs Essen mit, ich habe Hunger!«

Hagen grinste, machte eine einladende Geste in Richtung Runya und blickte noch einmal zu der Gruppe Unschlüssiger hinüber. Einer der jungen Begleiter flüsterte dem Großmaul etwas ins Ohr, worauf hin dieser eine verkrampfte Miene machte. Hagen nahm dies aber kaum wahr, erwartete er doch, die jungen Kerle hätten verstanden.

Eine Sekunde später gab es einen Aufschrei aus der Menge, und obwohl er sich blitzschnell umdrehte, wäre er doch zu langsam gewesen, den Dolch, den der Beleidigte, angestachelt von seinem Kumpel, aus dem Gewand zog und nach ihm warf, auszuweichen. In dem Moment, als er mit der Waffe nach vorne schnellte, fuhr ein silberner Blitz dazwischen. Der Dolch samt Hand segelte davon.

Hagen starrte ungläubig auf den Stumpf, aus dem Blut schoss, und auf Runya, die ihr Schwert in die Scheide zurück steckte. »Ich habe gesagt, Ihr müsst erst mit mir kämpfen, bevor Ihr mit ihm oder dem Elfen kämpfen dürft. Wer will der nächste sein? - Keiner? Na gut, dann solltet ihr euren Freund versorgen, bevor er noch verblutet.«

Die vier Verbliebenen lösten sich aus ihrer Starre, pressten ein Tuch auf den säuberlich abgetrennten Stumpf. Einer ging los, holte die Hand, der Dolch blieb liegen. Sie bahnten sich einen Weg durch Menge, verschwanden in Richtung Stadt.

Hagen schaute sich noch einmal prüfend um, und als er sicher war, dass nicht noch ein Idiot versuchen würde, sich zu profilieren, reichte er der Kämpferin den Arm, geleitete sie zum Stand mit den Pasteten.

Adderlin hatte den Angriff des jungen Mannes kommen gesehen, hätte aber nicht eingreifen können. Er war froh, dass die Frau so gute Reflexe besaß.

»Hey Händler, ist dein Stand geschlossen? Ich brauche jetzt noch zwei herzhafte und eine süße Pastete mehr.«

In den Händler, der immer noch einige Meter weit weg stand, kam Bewegung. »Ich komme ja schon, bin schon da. Wie viele wolltet ihr kaufen? Vier und drei?« Adderlin nickte, und der Händler packte die Pasteten in ein Binsenkörbchen.

Der Elf bezahlte und alle drei machten sich schnell auf den Weg, damit nicht doch noch irgendjemand versuchen würde, sie aufzuhalten oder die Stadtwache dumme Fragen stellen würde.

Hagen holte die Pferde.

»Habt Ihr auch ein Reittier?« Adderlin schaute die Kämpferin fragend an.

»Nein, nur mein Rucksack liegt noch dort.« Sie deutete auf den Stand neben dem des Bäckers, ein Stand an dem es Honig und Marmelade gab. Nachdem auch Runya ihre Sachen aufgenommen hatte, gingen sie mit dem immer noch anschwellenden Strom von Leuten in Richtung Stadttor.

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