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KAPITEL 05
ОглавлениеAdderlin war, nachdem man sich trennte, auf dem Weg in sein Zimmer. Er würde auf den Halbelfen warten und gemeinsam mit ihm in das nahegelegene Badehaus gehen. Zwei Stunden waren ausgemacht, bei Nyander konnte es trotzdem mal länger dauern.
Adderlin nahm sich vor, etwas zu essen. Vor allem wollte er seine Übungen wieder aufnehmen. In den letzten Tagen hatte er seine Schwerter vernachlässigt. So würde er nie zum wahren Meister werden.
Er, der dem Clan der Griffon angehörte, war von klein auf mit dem Umgang von Waffen trainiert worden, kannte wenig, außer dem ständigen Üben mit Schwert, Dolch oder Bogen, aber er war nicht alleine, die Griffons waren schon seit Generationen Kämpfer, Scouts und Kundschafter. Seine Verpflichtung war groß, die Erwartung hoch und so wurde er zur größten Enttäuschung für seinen Vater.
Nach fünf Dekaden kündigte der junge Adderlin seinem Vater und seinem Clanführer an, nicht weiter für die Kämpferkaste zur Verfügung zu stehen. Er würde zur Perfektionierung seines Schwertkampfs in die Welt hinausgehen, nach Meistern und Herausforderungen suchen. Sein Vater reagierte mit Unverständnis, wandte sich ab, kein Wort war seit dieser Zeit zwischen ihnen gesprochen worden. Seit mittlerweile mehr als vierzig Jahren nicht.
Er wollte, nein, er musste mehr Erfahrungen sammeln. Seine Reise war ohne Ziel gewesen, hatte sich an Geschichten und Gerüchten über gute Schwertkämpfer orientiert.
Gefunden hatte er so einige, aber wenige waren wirklich gut, noch seltener fand er Gegner, die wie er um der Perfektion des Kampfes Willen mit einer oder zwei Waffen bemüht waren. Es ging ihm nicht um das Töten seiner Gegner, nein, er wollte zu den Besten gehören.
Uhra war ihm im Osten, in einem kleinen Dorf, begegnet. Es war der Jahrestag des Todes seiner Schwester. Er versank in Selbstmitleid und Hass, starker roter Wein tat sein Übriges. Adderlin legte es ein wenig auf Streit an, um seinen Frust abzukühlen, als Uhra vor ihm stand und mit dem Symbol seiner Göttin herumfuchtelte, Worte sprach, die er nicht verstand, nicht verstehen wollte. Der Elf wollte Uhra wegschubsen, aber der Priester hatte mit so etwas gerechnet, war ihm ausgewichen, er selbst verlor dabei die Balance und stolperte, auch, weil er betrunken war, aber Uhra griff mit seiner rechten Hand zu, bewahrte ihn vor dem Sturz. Die Berührung nutzend sprach der Priester ein kurzes Gebet und hoffte, die Macht seiner Göttin würde durch ihn wirken und den Elf besänftigen. Tatsächlich schwappte ein leichtes Rauschen, wie eine Mitternachtsbrise, über Adderlin. Er blieb stehen, schaute Uhra an, fragte sich, wieso dieser Mensch ihn so freundlich anlächelte, ihm die Hand entgegenstreckte. Seine aufgewühlten Gefühle versickerten wie Wasser auf trockenem Boden.
»Lasst mich Euch helfen«, lauteten die schlichten Worte des Priesters. Verächtlich wollte Adderlin antworten, er bräuchte keine Hilfe, aber die Worte wollten ihm nicht über die Lippen kommen.
»Danke, ich komme schon zurecht.« Adderlin orientierte sich Richtung Ausgang, hatte das Interesse an den anderen Gästen verloren.
»Mellon!«
Der Elf drehte sich um, versuchte den jungen Mann zu fokussieren. »Du sprichst meine Sprache?«, frage er.
»Nur wenige Worte«, antwortete Uhra wahrheitsgemäß. »Aber ich würde gerne ein paar mehr lernen.«
»Ich bin kein Lehrer oder so etwas.«
»Musst du ja auch nicht sein, nur ein paar Worte, so dass ich mich höflich vorstellen kann, etwas in der Art.« Der Priester wartete.
»Ich überlege es mir, aber nicht mehr heute. Ich muss erst diesen Kopf loswerden.«
»Darf ich dir helfen, ich habe ein wenig Erfahrung bei solchen Sachen.«
»Mit dem Saufen? Du siehst nicht wie jemand aus, der viel trinkt. Was willst du machen, mir den Finger in den Hals stecken – Danke, das kann ich selber.«
»Nein, ich hatte an etwas anderes gedacht – komm, wir gehen nach draußen, setzen wir uns unter den alten Baum im Hof.« Der Elf schaute skeptisch »Du stehst nicht irgendwie auf Männer oder so?«
Uhra blieb stehen, kämpfte mit sich nach passenden Worten. »Es geht dich nichts an! Aber nein. Ich dachte eher an die Kraft Artemeseas.«
»Wen?«
»Oh, Göttin verzeih ihm, er ist nur ein unwissender Elf. Vergib ihm seine Ignoranz und schenke mir noch einmal deine Gunst.« »Mit wem redest du da? Hast du irgendwas geraucht, riechst jedenfalls nicht nach Alkohol!?«
Uhra selbst wollte sich damals schon abwenden, wollte sich nicht weiter beleidigen zu lassen.
»Sei nicht verzagt«, sagte eine Stimme leise zu ihm: »Er wird verstehen, irgendwann wir er verstehen.« Uhra war wie vom Blitz getroffen. Noch nie hatte SIE direkt zu ihm gesprochen. Und er war sicher, niemand anderen, als seine Göttin soeben gehört zu haben. Er faltete die Hände, bildete mit Daumen und Zeigefinger den Mond, ihr Zeichen, sagte: »Ich habe verstanden und danke Dir für Deine Gnade.«
»Führst du schon wieder Selbstgespräche?« Adderlin war nicht weitergegangen, starrte den Priester an, der auf ihn zuging, ihn aus dem Schankraum ins Freie schob, bis um die nächste Ecke, in Richtung der alten Eiche, die auf dem Platz stand. Hier drückte er den verdutzten Elf auf die dort stehende Bank.
»Hey, lass mich los.«
Uhra aber fing an zu beten und ein fahles blaues Licht bildete sich zwischen seinen Händen. Noch bevor der Elf protestieren konnte, legte er sie ihm auf die Stirn und den Hals. Sonderbar, hätte dies ein anderer versucht, Adderlin hätte sein Schwert zwischen sie gebracht. Niemand fasste ihn ungefragt an. Ein Kribbeln ging durch seinen Kopf, wurde stärker und bannte den Schmerz, der es sich gerade dort bequem machen wollte, hinfort. Es dauerte nicht einmal eine Minute und Adderlin konnte wieder klar sehen, kein Kopfschmerz, keine Übelkeit plagte ihn.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte er erstaunt.
»Ich habe nur die Macht meiner Göttin in dir wirken lassen.« Es dauerte eine Weile, der Elf schaute nachdenklich zu Boden. »Dann schulde ich dir jetzt etwas – Mellon.«
Mellon, dachte er, musste schmunzeln. Viele Jahre war das nun her, Jahre, die ihn nun hierher geführt hatten, in das größte der Zimmer, das er gerade als Trainingsfläche nutzte. Der Schweiß rann ihm über den nackten Oberkörper. Die Tätowierungen auf seinen Armen glänzten im Schein der kleinen Lampe, die auf dem Nachttisch stand, blau und rot schimmerten die Ranken, Symbole und Greife auf seiner Haut. Es war eine besondere Auszeichnung, den Greif auf der Haut tragen zu dürfen.
Der Legende nach war die damit verbundene Tradition über sechstausend Jahre alt. Damals war es Ahren, den die Lieder heute als Ahren-den-Harfner immer noch kannten und verehrten, der in höchster Gefahr schwebte und nichts ahnend den alten Pakt mit den Geflügelten belebte. Die Dunklen Brüder, die Drow, hatten ihm und seiner Gruppe aufgelauert, waren wie aus dem Nichts erschienen. Er war ein guter Kämpfer, nicht der Beste, aber als Führer geboren, um durch Charisma und Überzeugung die ihm unterstellten Elfen erfolgreich in den Kampf zu führen, dabei war er unumstritten. Doch das Glück stand an diesem Tage weder auf seiner Seite, noch auf der Seite der anderen Frauen und Männer, mit denen er losgezogen war. Vergiftete Pfeile und magisch gehärtete Waffen setzten ihnen zu, die zahlenmäßige Übermacht der Drow tat ihr Übriges. Nur kurze Zeit nach dem der Kampf begonnen hatte, lag die Hälfte der Elfen tot am Boden, die andere Hälfte war verletzt oder stark in Bedrängnis. In seiner aufkeimenden Verzweiflung ob der kommenden Niederlage, nahm er die silberne Pfeife von der Kette um seinen Hals, blies hinein. Die Pfeife stammte von seiner Großmutter, einer alten Schamanin, die sagte, wenn er in allerhöchster Not ist, solle er dreimal die Pfeife erklingen lassen und Hilfe würde kommen. Ahren hatte dies immer für eine interessante, für Kinder gemachte Geschichte gehalten, ihr aber keine weitere Bedeutung zugemessen, nun aber ertönte die Pfeife hell und klar. Die Drow waren verwirrt, schauten sich um, ob Verstärkung kommen würde. Dunkle Wolken hingen tief über ihren Köpfen. Die Sonne war am Horizont angekommen, blutrot, entschlossen, unterzugehen, und aus dem verhangenen Himmel stürzten sich die Greife, fünf an der Zahl, in den Kampf, wendeten das Blatt. Die Drow wurden geschlagen, nur zwei von ihnen gelang die Flucht, Ahren selbst aber war von einem kleinen Bolzen einer Handarmbrust getroffen worden. Eigentlich keine große Wunde, nicht gefährlich, wäre da nicht das Gift gewesen, es breitete sich aus, dunkle Flüsse unter bleicher Haut. Er würde es nicht schaffen, keiner der Elfen war ein Heiler oder verfügte über eine entsprechende Magie. Da erbot sich der Anführer der Greifen zu helfen. Er würde Ahren mit sich nehmen und zu den Elfen tief in den Heimatwald bringen. Seine Freunde banden ihn schnell auf den Rücken des Greifen, der sich erhob und mit einer berauschenden Geschwindigkeit in die nahende Nacht aufstieg.
Die Zurückgebliebenen verbrannten die toten Dunkelelfen, bestatteten ihre Brüder und Schwestern. Die Greife verabschiedeten sich und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. »Wir stehen in eurer Schuld« war der letzte Satz, den man den startenden Kreaturen noch hinterherrief. Anschließend machten sie sich mit schweren Herzen auf den Weg nach Hause. Sie brauchten Tage, und da keine Nachricht kam, glaubten sie auch Ahren hätte nicht überlebt.
Der Prinz der Greife aber hatte es geschafft, den Vergifteten in letzter Minute zu seiner Großmutter zu bringen, und nach vielen Wochen wurde Ahren wieder gesund. Erleichtert über sein Schicksal, aber betrübt über das seiner Freunde, schwor er die Hilfe der Greifen zu vergelten. Er schloss einen Pakt mit seinem Retter und begründete so eine Kampfeinheit, die neben der härtesten und umfangreichsten Ausbildung auch immer einen Kontakt zu den Greifen behielt. Als Zeichen der Ehre trugen die Mitglieder dieser Gruppe von diesem Tag an jene Tätowierungen, manche klein, andere groß, wie bei Adderlin.
Adderlin trug sie mit Stolz, und wenn es die Möglichkeit gäbe, würde er gerne das alte Band erneuern, aber heute war ein anderer Tag.
Er nahm seine Übungen wieder auf, erst mit einer Klinge, dann mit beiden, bis er Nyander auf der Treppe hörte. Er trocknete sich ab, zog Hemd und Lederwams an, band sich die Waffen um und nahm ein wenig Geld aus seiner Börse. Er verstaute den Rest, verließ sein Zimmer, um mit Nyander ins Badehaus zu gehen.