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3. Datenschutz(recht) – Persönlichkeit als Handelsware?

Warum Regulierung kein Monster, Europa eine Insel und Dateneigentum keine Lösung ist

3.1 Irrationale Auswüchse?

Die Angst, in einer zunehmend vernetzten und hochtechnisierten Gesellschaft die Kontrolle über persönliche Daten zu verlieren, ist derzeit ebenso präsent, wie die Öffentlichkeit immer neuen Datenskandalen vermehrt müde und resigniert zu begegnen scheint. Beide Verhaltensweisen sind Teile des Privacy Paradox, um dessen Erklärung sich die Wissenschaft noch immer bemüht. Wir verhalten uns in Bezug auf unsere digitalisierten Daten widersprüchlich: Medienberichte um die Enthüllungen von Edward Snowden und die Operationen (nicht nur) US-amerikanischer und britischer Geheimdienste nehmen wir erschrocken zur Kenntnis. Unser Kommunikationsverhalten ändern wir aber nicht. In Umfragen geben wir an, der Datenschutz sei uns wichtig. Gleichzeitig akzeptieren wir das Setzen von Cookies24 auf zahlreichen Webseiten, die unsere Informationen und Einstellungen speichern.25 Warum und in welcher (technischen) Form genau diese Cookies gesetzt werden, hinterfragen wir nicht.

Die Halbwertszeit der Empörung gegenüber Datenskandalen ist bisweilen kurz. 2014 griff ein Beitrag in der Rubrik »Netzwelt« bei Spiegel Online die Einführung der seinerzeit neuen blauen Häkchen beim beliebten Messenger WhatsApp noch kritisch auf.26 Mittlerweile haben wir uns an diese Funktion gewöhnt, die uns den Lesestatus einer gesendeten Nachricht signalisiert. Intensiver wurde die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung oder das Pilotprojekt zur smarten Videoüberwachung am Bahnhof Berlin Südkreuz netzpolitisch diskutiert. Gegen diese neuen Formen staatlicher Überwachung demonstrierten die Menschen auf den Straßen. Dabei soll es Teilnehmer gegeben haben, die sich mithilfe ihres Smartphones und Google Maps zum Kundgebungsort haben navigieren lassen. Stimmte das, so wäre auch dieses Verhalten paradox.

Oder ist es tatsächlich weniger problematisch, seine Standortdaten einem privaten (US-amerikanischen) Unternehmen zu geben, als dem Staat unter bestimmten Umständen Zugriff auf diese zu ermöglichen?

Vor dem Hintergrund der seit dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) befindet sich die schon unter Ägide der alten Rechtslage geführte Debatte um eine »Hypertrophie des Datenschutzrechts«27 erheblich im Aufwind. Hypertrophie bezeichnet in der Medizin die (krankhafte) Vergrößerung eines Gewebes oder Organs durch Zellvergrößerung. Im datenschutzrechtlichen Kontext ist damit der Vorwurf einer zu starken und letztlich nicht praxisorientierten Datenschutzregulierung verbunden. Vor allem die Boulevardpresse nimmt die bisweilen pathologische Angst vor dem Sanktionsregime der Datenschutz-Grundverordnung dankbar auf und weiß von abenteuerlichen Geschichten rund um das neue ›Regulierungsmonstrum‹ zu berichten. Beispiele betreffen die von Kindertagesstätten durchgeführte Schwärzung (Anonymisierung) der Bilder von Kindern in Erinnerungsalben – nach DSGVO angeblich erforderlich – oder das vermeintliche Gebot, keine Mieternamen auf Klingelschildern an Hauseingängen anzugeben. Was die Boulevardpresse dabei verschweigt: Sie hat nennenswerte Eigeninteressen an wenig Datenschutz, denn das Geschäftsmodell für den Online-Bereich der großen Zeitungsverleger basiert in großem Umfang auf Werbung und Nutzer-Tracking, das die Bewegung der Anwender im Internet verfolgt.

Digitale Ethik. Leben in vernetzten Welten

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