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1.5 Ethik und Recht

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Das Verhältnis zwischen Ethik und Recht ist sehr komplex. Verschiedene Auffassungen finden sich sowohl im interdisziplinären wie auch im intradisziplinären wissenschaftlichen Diskurs. Es ist bemerkenswert, wie in den Disziplinen je nach Ausgangsperspektive einerseits die »Ethisierung des Rechts«, andererseits die »Verrechtlichung der Ethik« beklagt wird. Innerhalb der Rechtswissenschaft streiten die Rechtsphilosophen und die Rechtstheoretiker um den genauen Grenzverlauf zwischen staatlich durchsetzbaren Regeln einerseits (Recht) und Verhaltensregeln andererseits, namentlich der Sitte oder der Moral sowie ihrer Begründbarkeit (Ethik). Einig sind sich die Wissenschaftler zumindest insoweit, als Recht und Ethik nicht ohne Beziehung nebeneinander stehen (können). Sichtbare Schnittstellen zwischen den beiden Disziplinen sind beispielsweise die Grundrechte, die nach Jürgen Habermas für eine »ethische Imprägnierung« der Verfassung sorgen.6 Wie wichtig eine solche Imprägnierung ist, zeigt das systematische Unrecht des Naziregimes, das formal gesehen Recht war. Rechtsethische Schnittstellen finden sich nicht nur in den Grundrechten, sondern auch in vielen weiteren Vorschriften, die mit unbestimmten Rechtsbegriffen oder Öffnungsklauseln arbeiten und so ethischen Bewertungen zugänglich sind.7 Aus Sicht der Ethik ist dies insoweit problematisch, als dass mit einer solchen ›Überführung‹ in das System des Rechts ethische Begrifflichkeiten ihre Deutungshoheit verlieren. Neben Öffnungsklauseln ist in einigen Bereichen durch Rechtsnormen vorgesehen, dass Ethikräte in Entscheidungsprozesse einzubinden sind. Das wirft die Frage auf, ob und wieweit ihre Voten (rechtlich) verbindlich sind. Ähnlich schwierig ist die (rechtliche) Bewertung der zahlreichen ethischen Kodizes, die unlängst gerade auch mit Blick auf neue technische Entwicklungen (Künstliche Intelligenz, algorithmenbasierte Entscheidungsprozesse) formuliert werden. In diesem Kontext findet sich bisweilen die Bezeichnung des »Soft Law«, die eine nicht verpflichtende Absichtserklärung beschreibt. Diese ist aus Sicht der Rechtswissenschaft nicht zielführend: Das Recht kennt keinen hybriden Zustand eines ›soften‹, nicht verbindlichen Rechts. Problematisch sind die ethischen Kodizes auch deswegen, weil sie etwas (quasi-)verbindlich regeln sollen, das einzig dem Recht als parlamentarisch legitimierten Steuerungskonzept vorbehalten ist.

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