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3.6 Dateneigentum dient nicht dem Datenschutz

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Das Dateneigentum ist politisch in aller Munde. Bisweilen durch die Begrifflichkeiten der »Datensouveränität« und der »Datenhoheit« weiter verklärt, wird ein faires System des Dateneigentums gefordert, was nicht nur für bestimmte Branchen (namentlich für die Autoindustrie, die für das hochautomatisierte Fahren auf große Datenmengen angewiesen ist), sondern insgesamt für erforderlich gehalten wird, um innovativ und international wettbewerbsfähig bleiben zu können. Vornehmlich betrifft das Dateneigentum maschinengenerierte und zwischen Systemen ausgetauschte (M2M Communication)34, nicht personenbezogene Daten. Der genaue Zuschnitt ist in der rechtspolitischen Diskussion aber noch nicht abschließend geklärt.

Will man sich der Debatte auf sachlicher Ebene nähern, lohnt es, bei Begriff und (Rechts-)Natur desjenigen Gegenstands zu beginnen, der eigentumsfähig gemacht werden soll: Der Begriff ›Daten‹ bezeichnet nämlich zunächst etwas in einer bestimmten Form Vorliegendes bzw. Gegebenes (lat. dare, ›geben‹). Die Form des ›Gegebenen‹ (lat. datum) kann elektronisch oder magnetisch sein, jedenfalls muss sie maschinenlesbar und damit codiert sein. Nur so können Daten (beispielsweise auf Tonbändern, Disketten, Festplatten, Memory-Sticks, Chip- und Speicherkarten) Gegenstand von Prozessen in oder zwischen Datenverarbeitungsanlagen werden. Während die digitalen Daten von Menschen nur mittels technischer Hilfsmittel sinnlich wahrgenommen werden können, geht es bei Information um (unmittelbar zwischen Menschen) kommunizierbares Wissen. Der Begriff der Information verhält sich, wenn man an der lateinischen Herkunft des Begriffes anknüpft und das Präfix ›in‹ im Sinne einer Negation versteht (informitas ›Formlosigkeit‹), entgegengesetzt zum Begriff des Datums und setzt einen zur Interpretation fähigen, menschlichen Adressaten voraus. Die Ebenen Daten, Information und Wissen lassen sich einem Schichtenmodell zuordnen, in dem sich physical layer (Datenträger), code layer (Daten) und content layer (Information) unterscheiden lassen.

Diese Vorüberlegungen sind keine akademische Spielerei. Die Frage, auf welcher der drei Ebenen ein Konflikt entsteht bzw. Schutz gewährt werden muss, ist vielmehr essenziell. So verfolgt denn auch vieles, was über ein Eigentumsrecht an Daten einer Ausschließlichkeit35 zugeführt werden soll, tatsächlich die Absicht, den Zugriff auf Information zu regulieren. Es geht um Informationsbeherrschung. Weiter zielführend ist die Erkenntnis, dass Daten nicht miteinander rivalisierende Güter sind. Das bedeutet, dass sie beliebig oft vervielfältigt und von mehreren Personen zugleich genutzt werden können, ohne sich zu verbrauchen. Das ist der wesentliche Unterschied zu materiellen Gütern, bei denen die Nutzung durch eine (exklusiv berechtigte) Person den Ausschluss anderer oder den Verbrauch der Sache bedeuten kann. Aus diesem Grund ist auch die oft bemühte Metapher von Daten als dem neuen Öl verfehlt und als Blaupause für ein Regelungskonzept wenig sachdienlich.

Das Dateneigentum lässt sich auch nicht mit informationeller Selbstbestimmung begründen, denn diese ist, wie oben gesehen, gerade kein absolutes (ausschließliches), sondern ein relatives, kontextabhängiges Konzept. Begründen ließe sich Dateneigentum gegebenenfalls mit einer erbrachten Eigenleistung, soweit man diese (wie im Urheberrecht und auf den Überlegungen von John Locke36 beruhend) konstituierend für die Güterzuweisung hält. Fraglich ist dann nur, wer diese Eigenleistung angesichts der Produktion von Daten erbringt. Ist es der Datenerzeuger? Ist es derjenige, der zentrale Dienste, also die wesentliche Dateninfrastruktur, zur Verfügung stellt? Oder ist es derjenige, der die Informationen speichert? Gilt eine einheitliche Betrachtungsweise, wer die Eigenleistung erbringt, oder variieren die Kriterien bereichsspezifisch (und sind z. B. anders im Zusammenhang mit Wearables, siehe Kap. 6.1, als bei Connected Cars, siehe Kap. 13.2)?

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