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Kulturbewusste Verächter
ОглавлениеDie Opposition nimmt verschiedene Formen an und unsere Liebe wird einer harten Prüfung ausgesetzt, wenn man uns gleichgültig oder mit herablassendem Spott begegnet. Die „neuen Atheisten“ machen sich über Christen und ihren Glauben in aller Öffentlichkeit lustig, und Richard Dawkins tut jede Form von Religion als „Virus des Geistes“ ab.34 Lassen Sie einmal Virginia Woolfs Reaktion auf sich wirken, nachdem sie erfahren hatte, dass sich der Dichter T. S. Eliot zum Christentum bekehrt hatte:
Ich führte ein zutiefst beschämendes und trauriges Gespräch mit unserem armen lieben Tom Eliot, der von uns vom heutigen Tage an als tot betrachtet werden kann. Er ist Anglokatholik geworden, glaubt an Gott und die Unsterblichkeit, und er geht zur Kirche. Ich war wirklich schockiert. Eine Leiche käme mir glaubwürdiger vor als er. Was ich sagen will: Es ist irgendwie obszön, wenn ein lebendiger Mensch am Kamin sitzt und an Gott glaubt.35
Solche Haltung sollte uns nicht überraschen: Paulus, der erste Missionar, stieß in den kulturellen Zentren Athen und Korinth auf Verachtung. Einige Jahre nach Virginia Woolf wurde Dietrich Bonhoeffer von den Nationalsozialisten mit Häme überschüttet. Die gebildete Elite in Deutschland verspottete die Kirche als engstirnig und heuchlerisch. Seinen Pastorenkollegen riet Bonhoeffer im Hinblick auf kulturbewusste Verächter, die Stellung gegen die Kirche bezogen, dass der stille Liebesdienst die beste Seelsorge sei.36
Wie sieht Liebe angesichts feindlicher Kritik aus? „Eine freundliche Antwort besänftigt den Zorn“, heißt es in Sprüche 15,1. Begegnen wir den Menschen, die uns feindlich gesinnt sind, freundlich oder zahlen wir es ihnen mit gleicher Münze heim?
Dr. Francis Collins ist für mich ein eindrückliches Beispiel dafür, wie der stille Dienst der Liebe Menschen entwaffnen kann, die den Glauben verachten. Niemand kann Collins Verdienste als Wissenschaftler infrage stellen: Er hat zwei Doktortitel und führte das Humangenomprojekt zum erfolgreichen Abschluss: Die drei Milliarden Buchstaben des genetischen Codes des Menschen wurden entziffert. Collins betrachtet sich als engagierten Christen und hat öffentliche Debatten mit Atheisten wie Christopher Hitchens und Richard Dawkins geführt (letztere in einer Titelgeschichte des Time-Magazins).
Als Francis Collins zum Leiter der National Institutes of Health (NIH) berufen wurde, der größten wissenschaftlichen Organisation in den USA, wurde diese Entscheidung scharf kritisiert, weil er Christ war. Ein Wissenschaftler warf Collins vor, an Demenz zu leiden, ein anderer beschwerte sich: „Ich will nicht, dass die amerikanische Wissenschaft von einem Clown repräsentiert wird.“37 Skeptiker spötteln, weil er die Bibel respektiert. Als der Fernsehmoderator Bill Maher gegenüber Richard Dawkins (fälschlicherweise) behauptete, dass Collins an eine sprechende Schlange glaube, entgegnete Dawkins: „Er ist eben kein heller Kopf.“38
Mit der Zeit jedoch konnte Collins seine Gegner für sich einnehmen. Wenn ich mir seine berufliche Laufbahn ansehe, beeindruckt mich eins noch mehr als all seine wissenschaftlichen Leistungen: wie er mit seinen Gegnern umgeht. Wenn er hin und wieder in Oxford ist, trinkt er Tee mit Richard Dawkins. Auch mit dem militanten Atheisten Christopher Hitchens, dem Verfasser des Buchs Der Herr ist kein Hirte, hat er sich häufig getroffen. Und als Collins erfuhr, dass Hitchens an Speiseröhrenkrebs litt, bot er ihm seine Hilfe an: „Als NIH-Direktor genehmige ich viele von der Regierung finanzierte Forschungsstipendien, und ich weiß etwas über die neusten Therapien, die auf Krebsgenomik beruhen.“39 Im Lauf der nächsten Monate verbrachte er viele Stunden mit Hitchens und seiner Familie, um die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen.
Anderthalb Jahre lebte Christopher Hitchens mit dem Krebs. Im Vanity Fair-Magazin schrieb er eine regelmäßige Kolumne darüber. Darin erzählte er, dass er Hassbriefe von Christen erhielt, darunter einen von jemandem, der fälschlicherweise glaubte, Hitchens leide an Kehlkopfkrebs, und sich darüber freute, dass er „an Krebs in dem Körperteil litt, den er für seine Gotteslästerung benutzt hatte … Und dann wird es richtig lustig, wenn er zur Hölle fährt und Qualen im ewigen Feuer erleidet.“40
Und doch zollt Hitchens in einer seiner letzten Kolumnen Francis Collins seinen Respekt. Er bezeichnet ihn als einen der „größten lebenden Amerikaner“ und „unseren äußerst selbstlosen christlichen Arzt.“ Er schrieb: „Dieser große Humanitarier liebt C. S. Lewis, und in seinem Buch The Language of God zeigt er, wie man Wissenschaft und Glauben miteinander vereinbaren kann. … Ich kenne Francis aus verschiedenen öffentlichen und privaten Debatten über Religion. Er war so freundlich, mich zu besuchen und mit mir neue Behandlungsmethoden zu besprechen, die man auf meinen Fall anwenden könnte und die man sich überhaupt erst in der jüngsten Gegenwart vorstellen kann.“
Christopher Hitchens bekehrte sich nicht auf dem Totenbett und schied als überzeugter Atheist aus dem Leben. Doch zumindest ein Freund übte Seelsorge an ihm, den stillen Dienst der Liebe. Er erfüllte das Gebot aus dem Hebräerbrief: „Achtet aufeinander, damit niemand die Gnade Gottes versäumt“ (Hebräer 12,15). Alles andere liegt in Gottes Hand.