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a) Rechtsbeziehungen

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aa) Der Leistungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse hat, wie dargelegt, seine Grundlage im sozialversicherungsrechtlichen Versicherungsverhältnis (Rn 125), ist also öffentlich-rechtlicher Natur.

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bb) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den zugelassenen Vertrags(zahn)ärzten werden durch die §§ 72–106d SGB V ausgestaltet. Danach besteht im Grundsatz keine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen Krankenkassen und Vertrags(zahn)ärzten. Es sind vielmehr die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen zwischengeschaltet.

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(1) Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen werden gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 SGB V für den Bereich eines jeden Bundeslandes gebildet. Sie bilden wiederum gemäß § 77 Abs. 4 SGB V die Kassen(zahn)ärztliche Bundesvereinigung. Die genannten Vereinigungen sind Zwangskörperschaften des öffentlichen Rechts (vgl §§ 77, 78 SGB V).

Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und die Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (siehe § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V). Sie haben insoweit einen Sicherstellungsauftrag und stehen dabei in einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung gegenüber den Krankenkassen[84]. Dieser Sicherstellungsauftrag ist eingeschränkt, soweit sich die Versorgung der Versicherten nach Verträgen zur integrierten Versorgung bestimmt (§ 140a Abs. 1 S. 4 SGB V); die integrierte Versorgung beruht auf Verträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern ohne den Weg über die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen (§ 140a Abs. 1 S. 1, 2 SGB V). Als Vertragspartner der Krankenkassen kommen neben allen zugelassenen Leistungserbringern des SGB V nach Maßgabe von § 140a Abs. 3 SGB V auch Träger (in Form von Managementgesellschaften) in Betracht, die dann ihrerseits Verträge mit zugelassenen Ärzten etc abschließen. Eingeschränkt ist der Sicherstellungsauftrag ferner, soweit die hausarztzentrierte Versorgung durchgeführt wird (§ 73b Abs. 4 S. 6 SGB V).

Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen schließen zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Verbänden der Krankenkassen Verträge (§§ 82 ff SGB V), und zwar auf Länderebene gemäß § 83 SGB V sog. Gesamtverträge (zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen). Der allgemeine Inhalt der Gesamtverträge wird gemäß § 82 Abs. 1 SGB V in Bundesmantelverträgen vereinbart. Die Bundesmantelverträge dienen der Sicherung einer in den Grundsätzen einheitlichen Durchführung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung. Sie werden zwischen den Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigungen und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossen (§ 82 Abs. 1 SGB V). Die auf Länderebene geschlossenen Gesamtverträge enthalten im Wesentlichen die Vereinbarungen über die Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen (§ 82 Abs. 2 S. 1 SGB V). Die in den Gesamtverträgen vereinbarte sog. Gesamtvergütung wird von den Krankenkassen für die gesamte (zahn)ärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung an die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen geleistet (§ 85 Abs. 1 SGB V); damit sind die Honoraransprüche abgegolten. Die Höhe der Gesamtvergütung wird nach Maßgabe von § 85 Abs. 2 SGB V im Gesamtvertrag vereinbart. Die Gesamtvergütung wird von den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen unter die Vertragsärzte nach Maßgabe von § 85 Abs. 4 bzw § 87b Abs. 1 S. 1 SGB V verteilt, wobei in der vertragsärztlichen Versorgung die Verteilung für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung getrennt erfolgt. Für diese Verteilung gilt der im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzte Verteilungsmaßstab, es sind Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zu Grunde zu legen. Der allgemeine Verteilungsmaßstab soll eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes verhindern (§§ 85 Abs. 4 S. 5, 87b Abs. 2 S. 1 SGB V).

Die Einzelheiten der Berechnung und Anpassung haben sich in den letzten Jahren mehrfach geändert. Das System basierte seit 2009 auf der Festlegung von sog. arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina, bei deren Überschreitung durch einen Vertragsarzt der Punktwert der übersteigenden Leistungen gemindert werden konnte. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22. November 2011[85] ist der Gesetzgeber zu dem davor praktizierten System der Individualbudgetierung und der fallbezogenen Vergütung zurückgekehrt. § 87a Abs. 2 SGB V sieht im Hinblick auf die vertragsärztliche Versorgung die Erstellung einer regionalen Gebührenordnung mit Europreisen vor, die auch besondere Preise für Regionen mit Unter- und Überversorgung ausweisen soll. Im Einzelnen ist im ersten Schritt zunächst nach Maßgabe von § 87 SGB V als Bestandteil der Bundesmantelverträge ein einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) zu vereinbaren. In diesem sind bundeseinheitliche Punktwerte als Orientierungswerte festzulegen. Auf der Grundlage der Orientierungswerte sind im zweiten Schritt nach Maßgabe von § 87a Abs. 2 SGB V Punktwerte für die Vergütung in dem jeweiligen Jahr festzulegen. Aus den vereinbarten Punktwerten und dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (gemäß § 87 Abs. 1 SGB V) ist die regionale Euro-Gebührenordnung zu erstellen. Um Ärzten einen Anreiz zu verschaffen, in strukturschwachen Gebieten tätig zu werden, können gemäß § 87a Abs. 2 S. 3 SGB V Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen sowie Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern vereinbart werden. Wie die morbiditätsbezogene Gesamtvergütung festgelegt wird, bestimmt § 87a Abs. 3 SGB V. Bestimmungen über die vertragszahnärztliche Vergütung enthalten nunmehr insbesondere § 85 Abs. 2a, 3 und 4 SGB V. Auch hier basiert die Vergütung auf einem komplizierten Punktewertsystem.

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(2) Das Rechtsverhältnis zwischen den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und den Vertrags(zahn)ärzten ist ein durch Gesetz und Satzung ausgestaltetes öffentlich-rechtliches Mitgliedschaftsverhältnis. Das Mitgliedschaftsverhältnis entsteht durch die Zulassung zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung; die Zulassung bewirkt zugleich, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist (§ 95 Abs. 3 SGB V). Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen zahlen an die einzelnen Vertragsärzte die Vergütung, mit den Krankenkassen kommen die Vertragsärzte – insoweit – nicht in Kontakt.

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cc) Rechtswissenschaftlich umstritten war von jeher, wie die Rechtsbeziehung zwischen den Versicherten und den Vertrags(zahn)ärzten rechtlich einzuordnen ist. Der Bundesgerichtshof[86] und ein Teil des Schrifttums[87] waren der Auffassung, dass zwischen Vertragsarzt und Kassenpatient eine privatrechtliche vertragliche Verbindung, in der Regel dienstvertraglicher Natur, bestehe. Das Bundessozialgericht[88] und das überwiegende sozialrechtliche Schrifttum[89] verneinten ein privatrechtliches Vertragsverhältnis und nahmen ein gesetzliches Rechtsverhältnis mit öffentlich-rechtlicher Natur an. Der Gesetzgeber hat nun mit dem Patientenrechtegesetz vom 20. Februar 2013 im BGB den Behandlungsvertrag als neuen bürgerlichrechtlichen Vertragstyp kodifiziert (§§ 630a–630h BGB, Rn 222)[90]. Durch den neben den Dienstvertrag gestellten Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist (§ 630a Abs. 1 BGB).

Vor dem Hintergrund der im SGB V geregelten krankenversicherungsrechtlichen Ausgestaltung der Leistungserbringung durch Ärzte und Zahnärzte, die grundsätzlich dem Sachleistungsprinzip folgt, sind die für ein privatrechtliches Vertragsverhältnis zwischen dem Kassenpatienten und den Ärzten bzw Zahnärzten erforderlichen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen an sich nicht verifizierbar. Der Kassenpatient nimmt, soweit er nicht die Kostenerstattung gewählt hat (§ 13 Abs. 2 SGB V), die Sachleistung in Anspruch, er gibt dabei vor dem Hintergrund der das Verhältnis von Arzt und Patient bei der Behandlung als Kassenpatient prägenden krankenversicherungsrechtlichen Rechtslage keine auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung ab. Für den Leistungsanspruch des Versicherten genügt es, dass die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen des SGB V vorliegen, irgendeiner Erklärung des Kassenpatienten bedarf es nicht. Erbringt der Vertrags(zahn)arzt dem Anspruchsberechtigten die Sach- und Dienstleistung, erklärt auch er nicht privatrechtlich, dass er sich zu Diensten verpflichten wolle, sondern er erfüllt seine Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V. Gewiss verhält sich ein gesetzlich Krankenversicherter, wenn er zum Arzt geht, von der Überreichung seiner Krankenversichertenkarte (§ 15 Abs. 2 SGB V) abgesehen, rein äußerlich nicht anders als ein Privatpatient. Das Verhalten des gesetzlich Krankenversicherten und des Vertragsarztes war bis zum Inkrafttreten der §§ 630a ff BGB aber vor dem Hintergrund der gesetzlichen Ordnung der krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringung auszulegen. Vor diesem Hintergrund hatte das Verhalten nicht die objektive Bedeutung einer auf Abschluss eines Schuldvertrages (zumal Dienstvertrages) gerichteten Willenserklärung. Dass das Recht auf freie Arztwahl ausgeübt wird, rechtfertigt keine andere Bewertung. Wenn nunmehr über das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus auch der Behandlungsvertrag (§§ 630a ff BGB) im Hintergrund steht, der auch auf die Leistungserbringung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichtet ist, wird sich in Zukunft die Auslegung als Vertragsverhältnis durchsetzen.[91]

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