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a) Kurzarbeitergeld
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aa) Kurzarbeitergeld (§§ 95–109 SGB III) gehört nach der Vorgabe des § 3 Abs. 2 SGB III zu den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Denn das Kurzarbeitergeld hat nicht in erster Linie den Zweck, die einzelnen Arbeitnehmer bei Kurzarbeit finanziell zu sichern; es geht vielmehr vor allem darum, gefährdete Arbeitsplätze zu erhalten[40]. Zu diesem Zweck soll verhindert werden, dass den Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt wird. Es handelt sich um eine Leistung mit arbeitsmarktpolitischer Zielsetzung. Kurzarbeitergeld ist andererseits, wie das Arbeitslosengeld, eine Versicherungsleistung mit Einkommensersatzfunktion[41].
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bb) Kurzarbeit ist die vorübergehende Herabsetzung der vereinbarten Arbeitszeit. Sie kann arbeitsrechtlich, wenn eine entsprechende arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Regelung besteht, vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden[42]. Fehlt es an einer solchen Kurzarbeitsklausel, bedarf es zur wirksamen Einführung der Kurzarbeit, die ja nicht vertragsgemäß ist, einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder einer Änderungskündigung. Wird Kurzarbeit vom Arbeitgeber trotzdem einseitig angeordnet, ist die Anordnung unwirksam, der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug und bleibt, obwohl nicht die volle Zeit gearbeitet worden ist, gemäß § 611a Abs. 2 BGB (iVm § 615 BGB) zur Lohnzahlung verpflichtet.
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cc) Das Arbeitsförderungsrecht knüpft den Anspruch auf Kurzarbeitergeld an folgende Voraussetzungen (§§ 95 S. 1 Nr 1–4, 96 ff SGB III): Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen, es müssen die betrieblichen und die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sein und der Arbeitsausfall muss der Agentur für Arbeit (vom Arbeitgeber oder von der Betriebsvertretung) schriftlich oder elektronisch angezeigt worden sein.
(1) Ein Arbeitsausfall ist gemäß § 96 Abs. 1 SGB III erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend und nicht vermeidbar ist. Es müssen ferner im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel[43] der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10% ihres monatlichen Entgelts betroffen sein (siehe zu den Einzelheiten § 96 Abs. 2–4 SGB III). Wirtschaftliche Gründe sind zB Kapitalmangel, Rohstoffmangel, vorübergehender Auftragsrückgang, Absatzschwierigkeiten. Ein unabwendbares Ereignis liegt neben den in § 96 Abs. 3 SGB III genannten Fällen (ungewöhnlicher Witterungsverlauf, nicht zu vertretende behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahme) bei unverschuldeten, notstandsähnlichen Fällen (zB einem unverschuldeten Brandschaden) vor[44]; die Arbeitsunfähigkeit des freiberuflich tätigen Arbeitgebers soll dagegen nicht genügen[45]. Da der Arbeitsausfall unvermeidbar (§ 96 Abs. 1 S. 1 Nr 3, Abs. 4 SGB III) sein muss, dürfen wirtschaftliche Gründe nicht auf eine fehlerhafte Betriebsführung zurückzuführen sein. Gemäß § 96 Abs. 4 SGB III ist unter Umständen von Vermeidbarkeit auszugehen, wenn zunächst Arbeitszeitguthaben aufgelöst werden können.
(2) Die betrieblichen Voraussetzungen sind gemäß § 97 SGB III erfüllt, wenn im Betrieb mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Betrieb ist auch eine Betriebsabteilung. Die persönlichen Voraussetzungen des Anspruchstellers sind gemäß § 98 SGB III gegeben, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt bzw aus zwingenden Gründen oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt, das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist und der Arbeitnehmer nicht gemäß § 98 Abs. 3 oder 4 SGB III vom Bezug des Kurzarbeitergeldes ausgeschlossen ist. Wenn der Arbeitnehmer während des Bezugs von Kurzarbeitergeld arbeitsunfähig wird, bleibt sein Anspruch erhalten, solange Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde (§ 98 Abs. 2 SGB III). Die Anforderungen an die Anzeige bei der Agentur für Arbeit sind in § 99 SGB III geregelt. Bei Arbeitskämpfen gelten die Vorschriften über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld gemäß § 100 Abs. 1 SGB III entsprechend (Rn 484 ff). Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ruht ferner, wenn ein Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder wegen des Zusammentreffens mit einer Vollrente wegen Alters ruhen würde (§ 107 SGB III).
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dd) Den Leistungsumfang regeln die §§ 104–106 SGB III. Das Kurzarbeitergeld beträgt für Arbeitnehmer, die mindestens ein Kind haben, sowie für Arbeitnehmer, deren Ehegatte mindestens ein Kind hat, im Grundsatz 67%, für die übrigen Arbeitnehmer 60% der sog. Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum (§ 105 SGB III). Die Nettoentgeltdifferenz wird gemäß § 106 SGB III pauschaliert festgestellt. Bis zum 31. Dezember 2020 sind die mit den sog. Sozialschutz-Paketen aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 eingeführten Sonderregeln in § 421c SGB III zu beachten.
Kurzarbeitergeld wird grundsätzlich längstens für eine Bezugszeit von zwölf Monaten gewährt (§ 104 Abs. 1 S. 1 SGB III). Diese kann durch Rechtsverordnung auf bis zu 24 Monate verlängert werden (siehe zu den Voraussetzungen § 109 Abs. 1 SGB III). Gegenwärtig gilt eine Maximaldauer von 21 Monaten[46].
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ee) Als Sonderformen des Kurzarbeitergeldes enthält das Gesetz in §§ 101 f SGB III Leistungen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft und in anderen Wirtschaftszweigen, die von saisonbedingtem Arbeitsausfall betroffen sind. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Saison-Kurzarbeitergeld sind denen des Kurzarbeitergeldes angenähert. Der Arbeitsausfall muss erheblich sein (vgl § 101 Abs. 5 SGB III), die betrieblichen Voraussetzungen des § 97 SGB III und die persönlichen Voraussetzungen des § 98 SGB III müssen erfüllt sein, und der Arbeitsausfall muss der Agentur für Arbeit gemäß § 99 SGB III angezeigt worden sein. Als ergänzende Leistung sieht § 102 SGB III die Zahlung von Wintergeld (als Zuschuss zur Inanspruchnahme von Arbeitszeitguthaben oder als Zuschlag zum Arbeitsentgelt) vor, soweit die dafür benötigten Mittel durch eine Umlage (vgl §§ 354 ff SGB III) aufgebracht werden. Es handelt sich dabei um flankierende Maßnahmen; die Regelung der Folgen witterungsbedingter Einflüsse auf die Arbeitsabläufe in der Bauwirtschaft obliegt in erster Linie den Arbeits- und Tarifvertragsparteien. Dazu sieht der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) ausgleichende Maßnahmen der Arbeitszeitverteilung vor.