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b) Der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit
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aa) Gemäß § 138 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, wenn er erstens nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), wenn er zweitens sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und wenn er drittens den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).
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(1) Beschäftigungslosigkeit liegt auch dann vor, wenn eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird, die weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst (§ 138 Abs. 3 SGB III). Dabei kommt es nicht darauf an, wie hoch der Verdienst aus dieser Tätigkeit ist. Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in § 138 Abs. 1 SGB III ist leistungsrechtlich geprägt. Der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses steht der Beschäftigungslosigkeit nicht entgegen, wenn eine fremdbestimmte Tätigkeit nach Weisung tatsächlich nicht verrichtet wird (etwa wegen Freistellung[51], Arbeitsunfähigkeit oder Beteiligung an einem Arbeitskampf).
Der Verdienst aus einer Nebentätigkeit ist nach Maßgabe von § 155 SGB III auf das Arbeitslosengeld anzurechnen[52]. Eine ehrenamtliche Tätigkeit schließt Arbeitslosigkeit auch dann nicht aus, wenn sie mehr als 15 Wochenstunden in Anspruch nimmt, sofern sie die berufliche Eingliederung nicht behindert (§ 138 Abs. 2 SGB III).
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(2) Gemäß § 138 Abs. 4 SGB III haben Arbeitslose im Rahmen der von § 138 Abs. 1 Nr 2 SGB III geforderten Eigenbemühungen alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen[53]. Das Gesetz nennt beispielhaft die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung und die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.
Durch die Aufnahme der Eigenbemühungen in die tatbestandlichen Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit schafft das geltende Recht eine Sanktion für Fälle, in denen sich der Arbeitslose nicht selbst um eine neue Beschäftigung bemüht. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt, wenn jegliche Eigenbemühungen fehlen. Unterlässt der Arbeitslose von der Arbeitsagentur geforderte konkrete Eigenbemühungen, kommt eine Sperrzeit gemäß § 159 Abs. 1 S. 2 Nr 3 SGB III in Betracht[54]. Das Tatbestandsmerkmal soll hervorheben, dass es in erster Linie Aufgabe des Arbeitslosen selbst ist, für seine berufliche Wiedereingliederung zu sorgen. Konzeptionell stehen der Obliegenheit der Eigenbemühungen des Arbeitslosen („Fordern“) gesetzlich vorgesehene Aktivitäten der Arbeitsverwaltung (zB die Vermittlung gemäß §§ 35 ff SGB III oder die Förderung aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 44 SGB III, „Fördern“) gegenüber[55].
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(3) Verfügbar ist gemäß § 138 Abs. 5 SGB III, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung ausüben kann und darf und bereit ist, eine solche Beschäftigung anzunehmen und auszuüben, wer Vorschlägen der Agentur für Arbeit zeit- und ortsnah Folge leisten kann und wer bereit ist, an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung teilzunehmen[56]. Sonderfälle der Verfügbarkeit sind in §§ 139, 145 und 146 SGB III geregelt.
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bb) § 140 SGB III enthält eine Zumutbarkeitsregelung. Danach sind Arbeitslosen alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen[57]. Die Regelung im SGB III hat zum Wegfall eines unter Geltung des AFG gewährten qualitativen Berufsschutzes geführt.
Nach § 140 SGB III ist von dem Grundsatz, dass Arbeitslosen alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar sind, nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn die Beschäftigung gegen gesetzliche, tarifvertragliche oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Bestimmungen des arbeitsrechtlichen Arbeitsschutzes verstößt (entgegenstehende allgemeine Gründe, siehe § 140 Abs. 2 SGB III) oder wenn das mit der neuen Beschäftigung zu erzielende Arbeitsentgelt unter den in § 140 Abs. 3 SGB III genannten Grenzen liegt (in den ersten drei Monaten 20%, in den nächsten drei Monaten 30% unter dem der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt) bzw wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen der Wohnung und der neuen Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind (personenbezogene Gründe). Die in § 140 Abs. 4 S. 2 SGB III bestimmten Zeiten liegen bei 2,5 Stunden (für eine Arbeitszeit von über 6 Stunden) bzw 2 Stunden. Ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs ist einem Arbeitslosen gemäß § 140 Abs. 4 S. 4, 5 SGB III zunächst nur zumutbar, wenn nicht anzunehmen ist, dass er in den ersten drei Monaten einen Arbeitsplatz innerhalb des Pendelbereichs findet; vom vierten Monat der Arbeitslosigkeit an ist ein Umzug grundsätzlich zumutbar (Ausnahme: wichtiger Grund, § 140 Abs. 4 S. 6, 7 SGB III). Eine neue Beschäftigung ist dem Arbeitslosen nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie vorübergehend eine getrennte Haushaltsführung erfordert (§ 140 Abs. 5 SGB III).