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Eiskalt erwischt

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Nicht jeder hat das Vorrecht, sein Eis an einem Kiosk kaufen zu können, wo es weit und breit die größten Portionen gibt. Ich gehörte mit meiner Familie während eines Aufenthaltes an der Küste zu den Glücklichen. Allerdings waren wir nicht allein. Es gab dort eine drangvolle Enge in der Menge von Leichtbeschürzten. Mir dämmerte, was es heißt, Berührungsängste zu bekommen.

Die nahe Umgebung war ein einziger Werbeträger. Waffelstücke und dahinschmelzende Eisreste, wohin das Auge blickte. Dazwischen selbstvergessene Genießer.

Als wir uns bis zum Überdruss die Kalorien auf die Problemzonen leckten, kam der eigentliche Unterhaltungswert der Eiszeit. Ein etwas ungelenker Junge im Alter von etwa acht Jahren, nennen wir ihn mal Michael, weckte unsere Aufmerksamkeit. Er hielt – nein er stemmte – gleich zwei gigantische Eisportionen in den Händen. Während er seinen Weg an Badematten, Luftmatratzen und Strandmuscheln vorbei suchte, bahnte sich das Unglück schon an, denn nicht nur er lief, sondern auch das Eis zur Linken und zur Rechten. Auch Michael XXL schien die zunehmende Unsicherheit des Kleinen zu bemerken. Er gab hilfreiche Anweisungen, wie: „Halt das Eis gerade!” oder „Schau, wo du hinläufst!” ohne dabei selbst seine nicht geringe Leibesfülle aus der Horizontalen zu bewegen. Der Junge strauchelte und fing sich. Hielt mal das eine, dann das andere Eis zu schräg. Fuhr mal hastig links, dann mal rechts mit der Zunge über Finger und Handgelenke. Die Handlung spitzte sich zu. Und eine Wolke von Zeugen hing mit den Augen wie gebannt auf dem tapferen Akteur. Der Junge änderte seine Taktik. Er wollte schneller sein als das Eis und verfiel in einen tänzelnden Laufschritt. Aber ach! Etwa zwei Meter vor dem Ziel erwischte es ihn eiskalt: Er stolperte und die beiden Waffeltüten folgten unbarmherzig dem Weg der Schwerkraft. Fast zeitgleich war Michael XXL auf den Beinen. Zu spät: Das Eis war buchstäblich in den Sand gesetzt. Ein vielleicht hundertfaches „Oh!” bezeugte eine allumfassende Anteilnahme und übertönte das jämmerliche Geschrei des Jungen. Es waren herrliche Portionen, die da so gut wie unbeleckt einfach wegschmolzen. Doch die finanzielle Ausgabe hatte sich dennoch gelohnt. Wo sonst hätte man für diesen Betrag eine derart große Zuschauermenge in Spannung halten können? Eiszeiten können durchaus unterhaltsam sein, finde ich.

Wie das Leben so schräg spielt

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