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Neu anfangen

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Viele Neuanfänge sind nichts anderes als die Wiederholung alter Fehler. Das jedenfalls ist meine These. Nein, wissenschaftlich untermauern kann ich sie nicht, denn zum Akademiker habe ich es nicht geschafft. Im Gegensatz zu einem nahen Verwandten von mir. Er wäre Arzt geworden, hätte man ihn nur die Oberschule (so hieß das wohl damals) besuchen lassen. Der Glückliche. Er konnte sein Leben lang mit der Vorstellung leben, zu etwas Höherem geboren zu sein. Doch weil die Zeiten so schlecht waren, brauchte er das nie unter Beweis zu stellen. Bemüht hat er sich jedenfalls nicht darum. Mir dagegen standen alle Chancen offen, und ich habe sie nicht genutzt – trotz eines Neuanfangs durch einen überstürzten Schulwechsel. Verständlich, weshalb mich das Thema „Neu anfangen“ so tief berührt. Es ist ein Stück meiner Lebensgeschichte.

Zurück zu meiner These. Ich kann sie mit drei Beispielen belegen.

1. Erst kürzlich wieder stimmte man in einer Gemeinde den Gesang zu hoch an. Bis zur Mitte der Strophe kämpfte man sich mit der Kopfstimme durch, dann ging es nicht mehr. Irgendein beherzter Sänger stimmte neu an. Tiefer, wie er meinte. Doch tiefer war nur der Anfangston, nicht aber die Tonlage. Sie entsprach exakt der vorigen ...

2. Eine Irin erzählte mir, wie sie um einen Schwaben freite. Damals hatte sie erhebliche Mühe, ihre zukünftige Schwiegermutter zu verstehen. Oft wusste sie einfach nicht, was da breit geschwäbelt wurde. Statt sich deut(sch)licher zu artikulieren, verstärkte die werte Dame bei der Wiederholung lediglich die Phonstärke. Sie schien das Problem nicht begriffen zu haben, deshalb war auch die Wiederholung nutzlos.

3. Sie waren die Innovation des Bibellesebund-Freizeitzentrums: Frischhaltedosen fürs Frühstücksbrot. Einfach chic, aber kompliziert zu bedienen. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht eines der guten Stücke mitsamt dem Inhalt zu Boden fiel. Also gab ich eine Bedienungsanleitung, und zwar so einleuchtend, dass sie auch der größte Trottel begreifen musste. Nur einer eben nicht: ich selbst. Meine Worte waren kaum verhallt, da griff ich tatkräftig zu. Aber entgegen meiner eigenen klüglichen Anweisungen eben falsch! Und das vor einem Publikum, das sich kaum noch auf den Stühlen halten konnte. Wie gemein Leute aber auch sein können!

Wie das Leben so schräg spielt

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