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„Jetzt wehre ich mich!“

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Das Buch mit diesem aggressiven Titel lag wie eine Kampfansage auf dem Schreibtisch einer Mitarbeiterin. „Hast du schon gesehen ...?“ In der Art, wie mein Kollege die Frage stellte, wusste ich schon, wovon er sprach. „Ich habe“, fiel ich ihm kurzsilbig ins Wort und warf bedeutungsvoll einen Blick auf die „Waffe“. Wir waren ratlos. Gut, auf Händen getragen hatten wir die Kollegin nie, das war uns schon klar. Aber hatten wir ihr so zugesetzt, dass sie sich gegen uns wehren musste? Ich äußerte die Vermutung, dass ihr vielleicht unsere männliche Dominanz zum Problem geworden sei.

Unsere Gemüter beruhigten sich wieder. Dennoch beschloss ich, ab sofort meine Naivität aufzugeben und psychologischen Scharfsinn an den Tag zu legen. Ich brauchte nicht lange, um fündig zu werden. Eine Mitarbeiterin, schlank wie eine Tanne, hatte einen äußerst festen Schritt: Na klar, jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen, das musste Körpersprache sein. Warnsignale sozusagen, die ich bisher nicht wahrgenommen hatte: „Pass auf, hier komme ich!“ oder so. Bei einer anderen Person entdeckte ich eine fast apokalyptisch anmutende Wehrhaftigkeit: Als Knoblauch-Esser konnte sie sich allein mit dem Hauch ihres Mundes verteidigen. Je länger, desto klarer sah ich die Dinge: Da war jemand, dessen Worte wie Maschinengewehrsalven Schutz vor dem Hinhören gaben. Hatte man ihn vielleicht in zarter Jugend allzu hart getadelt? Neue Dimensionen der Menschenkenntnis eröffneten sich.

Als ich in einem Buchkatalog blätterte, fiel mir sofort jener Titel ins Auge: „Sag, was du meinst, dann erreichst du, was du willst. – Wie man sich erfolgreich durchsetzt.“ Ich grübelte. Sollte ich an meiner eigenen Persönlichkeit arbeiten und aufrüsten? Der Blick auf den Umfang des Buches ließ mich zögern. Vielleicht sollte ich mich doch eher den Tugenden des Pazifismus zuwenden, denn zum Nachgeben hatte ich ja nach langen Ehejahren im Übermaß Gelegenheit.

Es kam alles ganz anders. Ich hatte völlig vergessen, dass ich mein Herz künftig nicht mehr so auf der Zunge tragen wollte. Ich sprach mit der Kollegin über jenes besagte Buch und seine Wirkung. Dabei stellte sich heraus, dass es gar nicht für sie persönlich gewesen war. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich konnte also (im Wesentlichen) so bleiben, wie ich war. Angesichts dieser Tatsache fiel es mir jetzt nicht mehr schwer, die anderen mit ihren Eigenheiten zu akzeptieren. Vielleicht waren deren Verhaltensweisen gar nicht gegen mich gerichtet, sondern einfach Ausdruck ihrer persönlichen Prägung. Ganz ausschließen sollte man das nicht.

Wie das Leben so schräg spielt

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